BFH-Urteil zum Pflegenotstand: Pflegeleistungen sind im Hinblick auf das Unionsrecht steuerfrei. Voraussetzung ist jedoch, dass die Pflegekraft die Möglichkeit hat, Verträge nach dem SGB XI mit den Pflegekassen abzuschließen.
Das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof betraf eine Klägerin, die als Mitglied eines eingetragenen Vereins für den Verein gegen Entgelt als Pflegehelferin tätig war. Über eine Ausbildung als Kranken- oder Altenpflegerin verfügte sie nicht. Der Verein hatte mit ihr eine Qualitätsvereinbarung abgeschlossen. Der Verein erbrachte umsatzsteuerfreie Pflegeleistungen an Pflegekassen. Diese Art der Erbringung von Pflegeleistungen durch Mitglieder eines eingetragenen Vereins ist in Deutschland weit verbreitet.
Steuerbefreiungstatbestände des EU-Rechts greifen
Das Finanzamt sah die Tätigkeit der Klägerin für den Verein als umsatzsteuerpflichtig an. Ihre Klage zum Finanzgericht hatte Erfolg. Der BFH bestätigte dies mit Urteil vom 18.08.2015 (Az. V R 13/14). Zwar seien die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht steuerpflichtig. Sie könne sich aber auf die weitergehenden Steuerbefreiungstatbestände des Unionsrechts (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) berufen, die das nationale Recht nur ungenügend umgesetzt habe. Für die nach dem Unionsrecht erforderliche Anerkennung reiche es aus, dass für die Klägerin die Möglichkeit bestanden habe, Leistungen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI an Pflegekassen erbringen zu können.
BFH berücksichtigt Pflegenotstand in Deutschland
Bei seiner Entscheidung hat der BFH auch den gerichtsbekannten Pflegenotstand und das sich hieraus ergebende hohe Gemeinwohlinteresse berücksichtigt, das an der Erbringung steuerfreier Pflegeleistungen besteht.
(BFH / Viola C. Didier)