22.03.2023

Meldung, Steuerrecht

Zur Restnutzungsdauer eines Mietobjekts

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass vom Steuerpflichtigen eingeholte Wertgutachten, in denen die Restnutzungsdauern von Mietobjekten nach der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) berechnet werden, der Ermittlung der AfA zugrunde gelegt werden können.

Beitrag mit Bild

©magele-picture/fotolia.com

In gleich zwei Verfahren haben vermögensverwaltende GmbH & Co. KGs, die Vermietungseinkünfte aus verschiedenen Objekten erzielen, geklagt. Die Gebäude sind in den 1920er Jahren bzw. um 1950 errichtet worden. Die Klägerinnen begehrten eine Berechnung der AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, da die tatsächlichen Restnutzungsdauern der Gebäude niedriger seien als 40 bzw. 50 Jahre. Hierzu reichten sie beim Finanzamt jeweils selbst in Auftrag gegebene Verkehrswertgutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen über den gesamten Immobilienbestand ein.

Finanzamt erkennt Wertgutachten nicht an

Im Rahmen dieser Gutachten ermittelte die Sachverständige die jeweilige Restnutzungsdauer der einzelnen Gebäude nach den Regelungen der ImmoWertV. Danach wird die Restnutzungsdauer grundsätzlich durch Abzug des Alters von der Gesamtnutzungsdauer der baulichen Anlagen ermittelt. Wurden in der Vergangenheit Um- und Ausbau- oder Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen durchgeführt, durch welche sich die Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer verlängert hatte, schätzte die Gutachterin die Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung dieser Modernisierungsmaßnahmen anhand der Anlage III zum Sachwertmodell der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse in Nordrhein-Westfalen (AGVGA NRW). Aufgrund des Alters der Gebäude lagen die Restnutzungsdauern unterhalb der gesetzlich typisierten Restnutzungsdauern von 40 bzw. 50 Jahren.

Das Finanzamt erkannte die Berechnung der Restnutzungsdauern in den Gutachten nicht an. Die Klägerinnen hätten kürzere Nutzungsdauern weder durch technischen Verschleiß noch aus wirtschaftlichen Gründen glaubhaft gemacht, da die Gutachten insoweit lediglich mathematische Ermittlungen enthielten. Die Klägerinnen beriefen sich im Klageverfahren insbesondere auf das zwischenzeitlich ergangene BFH-Urteil vom 28.07.2021 (IX R 25/19). Danach sei jede Methode zulässig, die geeignet sei, einen angemessenen Schätzungsrahmen darzulegen.

Erfolg vor dem Finanzgericht Münster

Beide Klagen hatten vollumfänglich Erfolg. Das FG Münster hat in den Urteilen vom 14.02.2023 (1 K 3840/19 F und 1 K 3841/19 F) ausgeführt, dass den Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen des o.g. BFH-Urteils ein Wahlrecht zustehe, sich mit den typisierten AfA-Sätzen zufriedenzugeben oder eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend zu machen und darzulegen. Dabei sei keine Gewissheit über eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer erforderlich. Vielmehr könne allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden, sodass eine Schätzung des Steuerpflichtigen nur dann zu verwerfen sei, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liege. Dabei könne das Verfahren der Gebäudesachwertermittlung nach der ImmoWertVO Anwendung finden, auch wenn dieses eine modellhafte Berechnung darstelle, die nicht primär auf die Ermittlung der tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG gerichtet sei.

Ausgehend von diesen Grundsätzen seien die von den Klägerinnen auf Grundlage der eingereichten Gutachten ermittelten Restnutzungsdauern nicht zu beanstanden. Die Gutachterin habe nach Ortsbesichtigung den Zustand der einzelnen Objekte, die Ausstattung der Wohnungen, die Bauweise und den Unterhaltungszustand der Gebäude dargestellt. Sie habe bei der Berechnung der Nutzungsdauern die Regelungen der ImmoWertV angewandt und für durchgeführte Um- und Ausbau- oder Modernisierungsmaßnahmen das von der AGVGA NRW entwickelte Punkteverfahren angewandt. Als Gesamtnutzungsdauer habe die Gutachterin die vom jeweiligen örtlich zuständigen Gutachterausschuss zur Ableitung der Liegenschaftszinssätze zugrunde gelegte Gesamtnutzungsdauer angesetzt.


FG Münster vom 15.03.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

Weitere Meldungen


Steuerboard

Raphael Baumgartner / Cindy Slominska


06.06.2025

BFH bestätigt gesellschaftsbezogenes Beherrschungserfordernis bei der Umschaltklausel nach § 20 Abs. 2 AStG – ein Aufatmen für Steuerinländer mit möglichen Auswirkungen auf die Gewerbesteuer? – Teil I

Mit Urteil vom 08.04.2025 (IX R 32/23) hat sich der BFH erstmals zur zentralen Frage geäußert, ob für die Anwendung der sogenannten Umschaltklausel gemäß § 20 Abs. 2 AStG eine gesellschafter- oder gesellschaftsbezogene Betrachtung maßgeblich ist.

weiterlesen
BFH bestätigt gesellschaftsbezogenes Beherrschungserfordernis bei der Umschaltklausel nach § 20 Abs. 2 AStG – ein Aufatmen für Steuerinländer mit möglichen Auswirkungen auf die Gewerbesteuer? – Teil I

Rechtsboard

RAin/FAin ArbR Dr. Bettina Scharff


06.06.2025

BAG zum aktiven Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben eines Unternehmens im Rahmen von Betriebsratswahlen

Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, hat bei der Wahl des Betriebsrats in sämtlichen dieser Betriebe das aktive Wahlrecht. Dieser Grundsatz gilt gem. der BAG-Entscheidung vom 22.05.2025 (7 ABR 28/24) auch für Führungskräfte, die keine leitenden Angestellten gem. § 5 Abs. 3 BetrVG sind, in Unternehmen mit einer unternehmensinternen Matrixstruktur.

weiterlesen
BAG zum aktiven Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben eines Unternehmens im Rahmen von Betriebsratswahlen

Meldung

©ammentorp/123rf.com


06.06.2025

Food-and-Paper-Methode nicht sachgerecht

Der BFH hat sich mit der Aufteilung eines einheitlichen Gesamtentgelts auf Liefergegenstände mit verschiedenen Steuersätzen in der Systemgastronomie befasst.

weiterlesen
Food-and-Paper-Methode nicht sachgerecht

Haben wir Ihr Interesse für DER BETRIEB geweckt?

Sichern Sie sich das DER BETRIEB Gratis Paket: 4 Hefte + Datenbank