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14.05.2025

Steuerboard

Zur körperschaftsteuerlichen Organschaft bei Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung an der Organgesellschaft (BFH vom 11.12.2024 – I R 33/22)

Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–5 KStG erfüllt sind. Dies gilt nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG entsprechend, wenn sich eine andere Kapitalgesellschaft – insbes. eine GmbH – mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn i.S.d. § 14 KStG abzuführen.

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RA Cornelius L. Roth
ist Senior Associate bei POELLATH in München

I. Abführung des ganzen Gewinns

Ob der „ganze Gewinn“ im Sinne des § 14 KStG abgeführt wird, wenn an der Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung besteht, die mit einer Gewinnzuweisung an den Gesellschafter (Mitunternehmer) verbunden ist, wird von der Literatur, der Finanzverwaltung und von den Finanzgerichten unterschiedlich beurteilt. Mit Urteil vom 11.12.2024 (I R 33/22) hat der BFH hierzu erstmals Stellung bezogen.

Literatur

Nach dem Großteil der Literatur wird der „ganze Gewinn“ auch bei Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung an der Organgesellschaft abgeführt. Begründet wird dies zumeist mit einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise, die in § 14 Abs. 1 KStG angelegt sei. Da die dort erwähnte Gewinnabführung nach zivilrechtlichen Maßstäben zu bestimmen sei, werde die Gewinnbeteiligung des (atypisch) stillen Gesellschafters als Aufwand bilanziert. Der nach Berücksichtigung des Aufwands ausgewiesene Gewinn sei der „ganze Gewinn“ i.S.d. § 14 KStG, der der Abführungspflicht unterliege.

Außerdem ergebe sich die „Unschädlichkeit“ einer atypisch stillen Beteiligung aus deren ertragsteuerlicher Qualifizierung als Mitunternehmerschaft. Aus dieser „vorgelagerten“ Mitunternehmerschaft erhalte die Organgesellschaft ihren Gewinn(-anteil), der sodann vollständig der Abführung unterliege. Auch Beteiligungen der Organgesellschaft an Mitunternehmerschaften auf der Grundlage einer Kommanditgesellschaft seien nach allgemeiner Auffassung „organschaftsunschädlich“, weil auch insoweit der zugerechnete Gewinnanteil abgeführt werde.

Der Teil der Literatur, der bei Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung an der Organgesellschaft nicht den „ganzen Gewinn“ als abgeführt ansieht, stellt auf die zivilrechtliche Einordnung einer (atypisch) stillen Beteiligung an der (vermeintlichen) Organgesellschaft als Teilgewinnabführungsvertrag i.S.d. § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG ab, was dem Abschluss eines auf Vollgewinnabführung gerichteten Vertrags entgegenstehe.

Finanzverwaltung

Nach der Finanzverwaltung könne eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, keine Organgesellschaft sein (BMF vom 20.08.2015 – IV C 2-S 2770/12/10001).

Rechtsprechung der Finanzgerichte

Die Rechtsprechung der Finanzgerichte geht davon aus, dass eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft der Anerkennung der Organschaft entgegensteht, da aufgrund der stillen Beteiligung nicht der „ganze Gewinn“ i.S.d. § 14 KStG von der Organgesellschaft an den Organträger abgeführt werde (vgl. FG Hamburg vom 26.10.2010 – 2 K 312/09; FG Düsseldorf vom 12.04.2021 – 6 K 2616/17; FG Mecklenburg-Vorpommern vom 05.07.2022 – 1 K 395/14).

II. BFH vom 11.12.2024 – I R 33/22

In seinem Urteil vom 11.12.2024 (I R 33/22) hat sich der BFH nun dem Großteil der Literatur angeschlossen.

Sachverhalt

Zwischen einer KG als Organträger und einer GmbH als Organgesellschaft bestand seit 1991 ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag. Im Jahr 1992 beteiligte sich die KG am Betrieb der GmbH als atypisch stille Gesellschafterin. Am Gewinn und Verlust sowie am Vermögen der GmbH war die KG mit 10% beteiligt, ebenso an den stillen Reserven im Falle einer Auflösung der stillen Gesellschaft.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des BFH folgt aus der tatbestandlichen Bezugnahme des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG auf einen Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG eine zivilrechtliche Betrachtungsweise. So setze eine ertragsteuerliche Organschaft voraus, dass der Gewinnabführungsvertrag nach den Maßstäben des Zivilrechts zum einen wirksam abgeschlossen wird und zum anderen die zivilrechtlichen Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt werden. Deshalb sei auch für steuerrechtliche Zwecke Gegenstand der Abführungsverpflichtung der Jahresüberschuss i.S.d. § 301 Satz 1 AktG und nicht der steuerrechtliche ermittelte Gewinn. 

Aus dieser Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung folge, dass der Gewinnanteil des (atypisch) still Beteiligten als Aufwand in Form einer Abführungsverpflichtung aus einem Teilgewinnabführungsvertrag i.S.d. § 292 Abs. 1 Nr. 2 zu erfassen sei, der den abzuführenden Jahresüberschuss mindert. Dieses entsprechend geminderte Jahresergebnis stelle sodann den „ganzen Gewinn“ i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG dar, der handels- und demzufolge auch steuerrechtlich abzuführen sei.

Dieser zivilrechtlichen Betrachtungsweise der von § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG geforderten Abführung des „ganzen Gewinns“ stehe auch nicht die zivilrechtliche Qualifikation einer (atypisch) stillen Beteiligung als Teilgewinnabführungsvertrag i.S.d. § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG entgegen. Dafür spreche zum einen der Wortlaut des in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG enthaltenen Verweises („Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG“), aus dem sich nichts Gegenteiliges ergebe und zum anderen die Historie des Gesetzes.

Zudem begründeten Teilgewinnabführungsverträge mit einer abführungsverpflichteten GmbH nach der Rechtsprechung des BGH in erster Linie schuldrechtliche Ansprüche des Berechtigten auf gewinn- und ergebnisabhängige Zahlungen. Bei diesen Zahlungen handele es sich um „Geschäftsunkosten, die – wie andere Verbindlichkeiten auch – den verteilungsfähigen (Rein-)Gewinn der Gesellschaft mindern“. Zahlungen aufgrund des Teilgewinnabführungsvertrags als eines im Kern schuldrechtlichen Austauschvertrags beträfen somit die vorgelagerte Ebene der Gewinnermittlung. Aus diesem Grund könne der nach Abzug dieser „Geschäftsunkosten“ verbleibende Gewinn als „ganzer Gewinn“ angesehen werden, der zum Gegenstand eines Gewinnabführungsvertrages i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG gemacht wird. Auf dieser Grundlage überzeuge die Auffassung in der Literatur, wonach aus der zivilrechtlichen Qualifizierung der (atypisch) stillen Beteiligung als Teilgewinnabführungsvertrag i.S.d. § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG gefolgert wird, dass mit dem parallelen Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht mehr der „ganze Gewinn“ abgeführt wird/werden, nicht.

Zudem stehe eine gegenteilige Auffassung im Wertungswiderspruch zu der im Ertragsteuerrecht nahezu einhellig vertretenen Auffassung, wonach eine stille Beteiligung an der abführungspflichtigen Kapitalgesellschaft steuerrechtlich nicht als „organschaftsschädlich“ betrachtet wird, da Zahlungen der abführungspflichtigen Kapitalgesellschaft an den an ihr typisch still beteiligten Gesellschafter als Betriebsausgabe zu behandeln sind, als solche den Gewinn mindern und der hiernach verbleibende Gewinn als der „ganze Gewinn“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zu betrachten ist.

Abschließend führt der BFH aus, dass die Entscheidung auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Senatsrechtsprechung stehe. Zwar wurde in den Urteilen vom 04.03.2009 (I R 1/08) und vom 10.05.2017 (I R 93/15) entschieden, dass die für die Anerkennung einer Organschaft unabdingbare Anforderung einer vereinbarungsgemäßen und tatsächlich durchgeführten Abführung des „ganzen Gewinns“ eigenständig anhand der steuerrechtlichen Regelungszwecke und Sachgesetzlichkeiten zu bestimmen sei. Diese Ausführungen bezogen sich, so der BFH, jedoch lediglich auf die konkret zu entscheidende Fragestellung der Anerkennung von variablen Ausgleichszahlungen i.S.d. § 16 KStG an außenstehende Gesellschafter und dabei auf die Frage, ob eine „freie“ und vom Steuerrecht grundsätzlich zu akzeptierende Festlegung von Ausgleichszahlungen zulässig oder dies mit der Verpflichtung zur Abführung des „ganzen Gewinns“ unvereinbar ist. Damit lägen sowohl bzgl. des Sachverhalts als auch bzgl. der rechtlichen Problematik verglichen mit dem vorliegenden Fall unterschiedliche Konstellationen vor, da es bei den Ausgleichszahlungen um die Verteilung des gesamten Gewinns auf mehrere Gesellschafter gehe, während sich der Streitfall durch ein Stufenverhältnis mit der Gewinnbeteiligung des (atypisch) still Beteiligen auf der ersten und der Abführung des gesamten verbleibenden Gewinns mittels eines Gewinnabführungsvertrags auf einer zweiten Stufe auszeichne.

III. Zusammenfassung & Ausblick

Der BFH hat mit seiner Entscheidung die sehr umstrittene und bisher höchstrichterlich nicht geklärte Frage, ob eine atypisch stille Beteiligung an der (vermeintlichen) Organgesellschaft für das Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft schädlich ist, geklärt und im Sinne der überwiegenden Literaturauffassung entschieden.

Bisher nicht vollumfänglich geklärt ist die Frage, ob eine atypisch stille Beteiligung an dem Organträger für das Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft schädlich ist. Zwar hat der BFH hierzu in seiner Parallelentscheidung vom 11.12.2024 (I R 17/21) Stellung bezogen. Jedoch ging es in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Streitfall um den Sonderfall, in dem atypische Beteiligungen nur an einzelnen Geschäftsbereichen bzw. Niederlassungen des Organträgers bestehen. Wie der BFH die Frage beurteilt, ob eine atypisch stille Beteiligung am gesamten Unternehmen des Organträgers schädlich für das Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft ist, bleibt daher abzuwarten.

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