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09.10.2020

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Zum Erfordernis des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs für die Betriebsvermögensverschonung von „Wohnungsunternehmen“

Mit Urteil vom 25.06.2020 (3 K 13/20 F) hat das FG Münster zu der Frage Stellung genommen, wann der für die Betriebsvermögensverschonung eines sog. „Wohnungsunternehmens“ i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG erforderliche wirtschaftliche Geschäftsbetrieb vorliegt und einer Gesamtbetrachtung eine Absage erteilt.

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RA Patrick Grzella
ist Associate bei Taylor Wessing, Düsseldorf

Hintergrund

Vermietete Grundstücke und Grundstücksteile des Betriebsvermögens gehören im Grundsatz zum Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG), das erbschaftsteuerlich nicht verschonungsfähig ist und damit bei Übertragung durch Schenkung oder Erbschaft nahezu vollständig der Erbschaftsteuer unterliegt. Eine Ausnahme sieht das Gesetz für sog. „Wohnungsunternehmen“ vor. Verwaltungsvermögen scheidet danach aus, wenn die überlassenen Objekte zum Betriebsvermögen einer Gesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO erfordert, (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG).

Die Finanzverwaltung nimmt nach derzeitiger Auffassung einen entsprechenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bei Vorliegen bestimmter Indizien an. Maßgeblich sind etwa der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros, die Buchführung zur Gewinnermittlung, eine umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung der Geschäfte, die Bewerbung der Tätigkeit sowie das Anbieten der Dienstleistung/der Produkte einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber (R E 13b.17 Abs. 3 ErbStR 2019). Allerdings geht die Finanzverwaltung aufgrund typisierender Betrachtungsweise regelmäßig von einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb aus, wenn das Unternehmen mehr als 300 Wohnungen hält (R E 13b.17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019). Dies steht jedoch im Gegensatz zur Rechtsprechung des BFH (BFH vom 24.10.2017 – II R 44/15, BStBl. II 2018 S. 358 = DB 2018 S. 487), nach der die Vermietungstätigkeit nach ertragsteuerlichen Grundsätzen die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten und originär als gewerblich zu qualifizieren sein muss. Maßgeblich ist nach Ansicht des BFH hierfür, dass neben der bloßen Vermietung auch zusätzliche Leistungen erbracht werden, die originären Charakter haben. Die Anzahl der vermieteten Wohnungen sei insoweit unerheblich. Die Finanzverwaltung hat die vorgenannte Entscheidung hingegen mit einem Nichtanwendungserlass versehen und wendet die typisierende Betrachtungsweise weiterhin an (BStBl. I 2018 S. 692).

Sachverhalt

Dem Streitfall lag die Übertragung von Anteilen an einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG („KG“) zugrunde. Zum Stichtag vermietete die KG auf vier Grundstücken etwa 40 Mietwohnungen nebst Garagen; Arbeitnehmer beschäftigte die KG jedoch nicht. Die von der KG vermieteten Wohnungen wurden von einer zum Firmenverbund der KG gehörenden GbR verwaltet, die im streitgegenständlichen Jahr 50 Arbeitnehmer mit einem Lohnaufwand von 540.000 € beschäftigte. Zur Verwaltung der Mietwohnungen erbrachte die GbR die hierzu überwiegend notwendigen Tätigkeiten (insb. Erstellung der Mietverträge, Übergabe der Wohnungen, Betriebskostenabrechnungen, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten), die wiederum der KG in Rechnung gestellt wurden.

Nach Auffassung des Finanzamts war die KG nicht als „Wohnungsunternehmen“ zu qualifizieren, da der Hauptzweck des Betriebs keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert habe. Die Kläger hielten dem entgegen, dass die KG über die GbR neben der Vermietung der Wohnungen Mietverträge durch eigenes Personal entwerfe, Mietinserate einstellte, Wohnungen übergebe, Zahlungseingänge kontrollierte sowie Betriebskostenabrechnungen erstellte und Nebentätigkeiten wie z.B. Hausreinigung, Hausmeistertätigkeiten und Winterdienste koordiniere.

Entscheidung des FG Münster

Das FG Münster kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass bei der streitgegenständlichen KG kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG vorgelegen habe, da die KG nur die bei einer Vermietung üblichen Zusatzleistungen erbracht habe.

Das Gericht bestätigt die Linie des BFH und fordert zur Annahme eines entsprechenden wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs eine Tätigkeit mit originär gewerblichem Charakter i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG. Die gewerbliche Prägung einer Personengesellschaft allein genüge hierzu nicht. Vielmehr sei zur Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und einer gewerblichen Tätigkeit auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. Eine gewerbliche Vermietungstätigkeit sei dann gegeben, wenn der Vermieter bestimmte ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen – wie z.B. die Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder die Bewachung des Gebäudes – erbringe. Dabei komme es auf die Zahl der vermieteten Wohnungen nicht an.

Abzulehnen sei zudem eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung der Tätigkeit der GbR aus dem Firmenverbund. Eine solche Gesamtbetrachtung sei erstens im Wortlaut des § 13b Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG nicht vorgesehen und finde auch in der Gesetzessystematik keine Stütze. Der Wortlaut der Norm stelle ausdrücklich auf den „Hauptzweck des Betriebes“ ab, „dessen“ Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordern müsse. Der Begriff des „Betriebes“ bzw. des „Betriebsvermögens“ in § 13b ErbStG folge den einkommensteuerlichen Wertungen; dies bedeute, dass bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft der ihr zuzuordnende Betrieb nicht weiter zu fassen sein könne als die von ihr selbst unternommene Tätigkeit. Jedenfalls seien im Ergebnis die von der GbR erbrachten Tätigkeiten ohnehin nicht als gewerblich zu qualifizieren.

Einordnung und Ausblick

Das FG Münster bestätigt die vom BFH für die Vermietung von Wohnungen aufgestellten Kriterien zur Abgrenzung von Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit – die Anzahl der vermieteten Wohnungen ist nicht entscheidend. Dies steht weiterhin im Gegensatz zur Ansicht der Finanzverwaltung (R E 13b.17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019), wonach vom Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auszugehen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält. Da gegen das Urteil des FG Münster bereits Revision eingelegt wurde (Az. des BFH: II R 20/20), dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich der BFH zu dieser Frage erneut äußern und seine bisherige Rechtsprechung möglicherweise bestätigen wird. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die Finanzverwaltung hiermit im Falle einer weiteren Entscheidung des BFH umgehen wird. Vor diesem Hintergrund sollten in der Praxis begünstigte Schenkungen von Wohnungsunternehmen noch unter Geltung der derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung zügig (unter Einholung einer verbindlichen Auskunft) vollzogen werden, da sich die Finanzverwaltung durch ein weiteres Urteil des BFH zu einer Abkehr von der typisierenden Betrachtungsweise gezwungen fühlen könnte.

Im Hinblick auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs überzeugt das Urteil indes mit der Ablehnung einer betriebsübergreifenden Betrachtungsweise. Hierfür spricht neben dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen insbesondere der Einfluss der einkommensteuerlichen Wertungen auf den Begriff des „Betriebes“ bzw. des „Betriebsvermögens“. Im Ergebnis dürfte eine betriebsbezogene Sichtweise auch der Auffassung der Finanzverwaltung entsprechen (R E 13b.17 Abs. 2 Satz 6 ErbStR).

Es bleibt abzuwarten, welche Position der BFH vertreten wird. Bis zur Klärung durch den BFH dürfte es sich anbieten, die für eine originär gewerbliche Tätigkeit erforderlichen Zusatzleistungen nicht durch eine andere Gesellschaft des eigenen Firmenverbundes, sondern durch die betroffene Gesellschaft selbst zu erbringen. Unklar ist auch, inwieweit eine hinreichende eigene gewerbliche Tätigkeit auch durch Einsatz externer Dienstleister begründet werden kann. Soweit deren Tätigkeit der Gesellschaft als eigene zugerechnet werden kann und der Mieter keine Wahlmöglichkeit hat, sollte dies jedoch der Fall sein (in diesem Sinne FG Baden-Württemberg vom 17.02.2016 – 4 K 1349/15).


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