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20.03.2024

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Wird eine Schenkung zu einer Veräußerung bei Anrechnung auf den Zugewinnausgleich?

Die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Folgen der Anrechnung einer Schenkung auf den Zugewinnausgleich ergeben sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG und sind weitgehend unstreitig. Demgegenüber scheint es im Schrifttum weiterhin Autoren zu geben, welche die ertragsteuerlichen Folgen als ungewiss thematisieren. So wird vertreten, dass ertragsteuerlich eine freigebige Zuwendung bei tatsächlicher Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung rückwirkend in einen entgeltlichen Vorgang (Tausch) umzuqualifizieren sei. Selbst in der neusten Auflage des BGB-Kommentars Grüneberg wird in einem Absatz zu den steuerlichen Folgen des § 1380 BGB pauschal auf dieses „nicht geklärte Problem“ hingewiesen (Siede, in: Grüneberg, BGB, 83. Auflage 2024, § 1380 Rn. 2 mit Verweis auf Kaplan/Kaplan, FuR 2022 S. 116). Die Auffassung ist abzulehnen. Es fehlt an einer ertragsteuerlichen Rechtsgrundlage.

Wird eine Schenkung zu einer Veräußerung bei Anrechnung auf den Zugewinnausgleich?

RAin Luisa Abele
ist Associate bei POELLATH in München

Zivilrechtlicher Ausgangspunkt

Im Güterstand der (modifizierten) Zugewinngemeinschaft hat der Ehegatte, der während der Ehe einen höheren Zugewinn erzielt hat als der andere, den Vermögensunterschied bei Beendigung des Güterstands zur Hälfte auszugleichen. Um die wirtschaftliche Last des (voraussichtlich) ausgleichspflichtigen Ehegatten frühzeitig abzufangen, können unentgeltliche Zuwendungen während der Ehe nach § 1380 BGB auf die spätere Zugewinnausgleichsforderung angerechnet werden. Mit der Anrechnung erhält der ausgleichsberechtigte Ehegatte bei Beendigung des Güterstands eine um die Zuwendung gekürzte Zugewinnausgleichsforderung.

Erbschaft- und schenkungsteuerliche Folgen

Während freigebige Zuwendungen unter Ehegatten zivilrechtlich nicht als Schenkung eingeordnet werden, verhält sich dies steuerrechtlich anders. Der während der Ehe geleistete unentgeltliche Vorausempfang wird zunächst als steuerbare Zuwendung eingeordnet, mit der Folge, dass Schenkungsteuer anfällt. Wird bei Beendigung des Güterstands der Vorausempfang dann tatsächlich auf die Zugewinnausgleichsforderung angerechnet, erlischt die (ggf. bereits festgesetzte) Steuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG rückwirkend. Das Erlöschen der Schenkungsteuer stellt ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Das Finanzamt hat den Steuerbescheid, sofern bereits erlassen, von Amts wegen zu ändern oder aufzuheben. Mit Änderung und Aufhebung des Steuerbescheids entsteht ein Erstattungsanspruch des damaligen Steuerschuldners oder seiner Rechtsnachfolger. Hintergrund für diese rückwirkende Steuerbefreiung ist, dass die Zugewinnausgleichsforderung gem. § 5 ErbStG von der Schenkung- und Erbschaftsteuer befreit ist. Konsequenterweise müssen auch Vorausempfänge, sofern sie tatsächlich auf die Zugewinnausgleichsforderung angerechnet werden, von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit sein.

Ertragsteuerliche Folgen

Wie bereits in der Einführung erwähnt, wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass die freigebige Zuwendung bei tatsächlich durchgeführtem Zugewinnausgleich rückwirkend in eine entgeltliche Zuwendung mit den daraus resultierenden ertragsteuerlichen Folgen umzuqualifizieren sei. Folgt man dieser Ansicht, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf eheliche Zuwendungen von ertragsteuerverstrickten Vermögensgegenständen. Demnach unterläge der zuwendende Ehegatte bei Anrechnung der steuerverstrickten Zuwendung einer Differenzbesteuerung zwischen historischen oder fortgeführten Anschaffungskosten und erzieltem Veräußerungserlös (in Höhe der angerechneten Zuwendung). Unter den Befürwortern der ertragsteuerlichen Umqualifizierung herrscht allerdings Uneinigkeit, welcher Zeitpunkt für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns maßgeblich ist. Neben dem Zeitpunkt der Zuwendung (entsprechend § 1380 Abs. 2 Satz 2 BGB) wird auch der Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands in Betracht gezogen (vgl. Stein, DStR 2012 S. 1734  [1735]). Die Unterscheidung kann mit Rücksicht auf die Wertentwicklung des Zuwendungsgegenstandes erhebliche Bedeutung haben. Einigkeit besteht, dass der Empfängerehegatte (nachträglich) Anschaffungskosten in Höhe des Veräußerungserlöses erhält.

Die Befürworter der ertragsteuerlichen Umqualifizierung sehen sich durch die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG bestärkt. Aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht ändert sich bei tatsächlicher Anrechnung der Charakter der unentgeltlichen Zuwendung. Die freigebige Zuwendung ist dann als eine entgeltliche Vorauszahlung auf den Zugewinnausgleich zu werten (Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Auflage 2021, § 29 Rn. 12). Diese erbschaft- und schenkungsteuerliche Wertung müsse auch ertragsteuerlich gelten. Demnach tragen (den Befürwortern der ertragsteuerlichen Umqualifizierung zufolge) freigebige Zuwendungen, die während der Ehe und mit einer Anrechnungsbestimmung erfolgt sind, auch erbschaftsteuerlich einen aufschiebend bedingten latenten Rechtsgrund, nämlich die Erfüllung einer Zugewinnausgleichsverbindlichkeit, in sich (Kaplan/Kaplan, FuR 2022 S. 116  [117]; teilweise wird auch eine auflösend bedingte Unentgeltlichkeit in Erwägung gezogen, vgl. Wachter, FR 2020 S. 841 [846]). Mit tatsächlicher Anrechnung der Zuwendung auf die Zugewinnausgleichsforderung tritt die Bedingung ein und der latente Rechtsgrund zutage. Die freigebige Zuwendung verliert ihre Unentgeltlichkeit. Die freigebige Zuwendung sei mithin eine antizipierte Leistung an Erfüllung statt. Hier schließt sich der Kreis. Denn Leistungen auf die (grundsätzlich in Geld geschuldete) Zugewinnausgleichsforderung an Erfüllung statt (§ 364 BGB) stellen bekanntermaßen und höchstrichterlich geklärt einen ertragsteuerlich relevanten Veräußerungsvorgang dar. Durch die ertragsteuerliche Umqualifizierung bei tatsächlicher Anrechnung wird also (wirtschaftlich gesehen und unter der Voraussetzung, dass der Wert der Zuwendung im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands maßgeblich ist) ein ertragsteuerlicher Gleichlauf mit Leistungen an Erfüllung statt geschaffen.

Die Argumentation überzeugt nicht. Ertragsteuerliche Wirkungen setzen eine entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts (Veräußerungstatbestand) voraus. Erforderlich sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Im Zeitpunkt der freigebigen Zuwendung (Schenkung) liegt eine Übertragung mit zwei Willenserklärungen vor (auch wenn die Schenkung nur einseitig verpflichtend ist). Die Übertragung erfolgt zu diesem Zeitpunkt aber gerade unentgeltlich. Im Zeitpunkt der späteren Anrechnung fehlt es an einer Übertragung (vgl. Wachter, FR 2020 S. 841  [846]). Die rechnerische Korrekturnorm des § 1380 BGB ändert hieran nichts. Zweck des § 1380 BGB ist es, den Empfängerehegatten wirtschaftlich so zu stellen, wie er stünde, wenn er die Zuwendung nicht während der Ehe, sondern nach Beendigung des Güterstands erhalten hätte. Nach § 1380 Abs. 2 BGB wird die Zuwendung daher bei Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung wertmäßig (trotz der erfolgten Übertragung auf den anderen Ehegatten) im Endvermögen des zuwendenden Ehegattens berücksichtigt. Darüber hinaus setzt die Anrechnungsregelung des § 1380 BGB keine zwei übereinstimmenden Willenserklärungen voraus und kann damit die Voraussetzungen an einen Veräußerungstatbestand nicht erfüllen. Eine Anrechnungsbestimmung i.S.d. § 1380 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine lediglich einseitige Willenserklärung des zuwendenden Ehegatten. Die Anwendung der Zweifelsregelung gem. § 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB (im Zweifel werden Zuwendungen angerechnet, wenn ihr Wert den Wert von üblichen Gelegenheitsgeschenken übersteigt) setzt überhaupt keine Willenserklärung voraus. Über das Erfordernis eines Veräußerungstatbestands kann auch nicht deshalb hinweggesehen werden, weil im Steuerrecht grundsätzlich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt. Auch § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG dient nicht als Argumentationsgrundlage für eine ertragsteuerliche Umqualifizierung. Bei § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG handelt es sich um eine erbschaft- und schenkungsteuerliche Ausnahmevorschrift. Es wäre systemwidrig, diese Wertung der Vorschrift ertragsteuerlich entsprechend heranzuziehen. Ebenso systemwidrig wäre es, die Zuwendung zu den Werten im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands anzusetzen. Diese Sichtweise unterstützend stellte das FG Münster (Urteil vom 13.11.2009 – 14 K 2210/06 E[AP3] ) fest, dass die Unentgeltlichkeit eines Erwerbs nicht rückwirkend durch nachträgliche ehevertragliche Vereinbarungen (im entschiedenen Fall: Eintritt in die Gütertrennung unter Anrechnung des bereits erfolgten Vorausempfangs) entfalle. Umgekehrt können ehevertragliche Vereinbarungen dann aber auch nicht rückwirkend eine Entgeltlichkeit des Erwerbs begründen. Denn durch vertragliche Gestaltungen ist es nicht möglich, steuerlich rückwirkend auf einen bereits verwirklichten Übertragungstatbestand und damit nach § 38 AO entstandenen (oder eben nicht entstandenen) Steueranspruch einzuwirken. Offengelassen hat das FG Münster, welche ertragsteuerlichen Folgen aus Vereinbarungen zu ziehen sind, die vor oder zeitgleich zum Übertragungstatbestand getroffen werden. Der BFH (Urteil vom 24.01.2012 – IX R 8/10) beschäftigte sich mit der Frage der ertragsteuerlichen Umqualifizierung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr.

Fazit

Die im Schrifttum teilweise vertretene ertragsteuerliche Umqualifizierung von Schenkungen in entgeltliche Tauschvorgänge überzeugt nicht. Es spricht vieles dafür, dass sich die höchstrichterliche Rechtsprechung der herrschenden Meinung anschließen wird. Obwohl nicht auszuschließen ist, dass die Finanzverwaltung für eine ertragsteuerliche Umqualifizierung Sympathien entwickeln könnte, ist derzeit nicht davon auszugehen. Denn die Mindermeinung wird schon lange vertreten, wurde aber bisher in der Beratungspraxis, soweit ersichtlich, in keinem Fall durch die Finanzverwaltung aufgegriffen. Anders sieht es selbstverständlich aus, wenn in Erwartung einer Zugewinnausgleichsforderung, die nur durch steuerverstricktes Vermögen getilgt werden kann, eine anrechnungspflichtige Schenkung vollzogen wird. In diesen Fällen besteht ein signifikantes Risiko, dass die Finanzverwaltung dies als Gestaltungsmissbrauch wertet.

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