Die Zahl der tariflichen Vergütungsgruppen, in denen Stundenlöhne unter 8,50 Euro gezahlt werden, ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Das ergibt die aktuelle Auswertung des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Das WSI-Tarifarchiv hat rund 4.560 Vergütungsgruppen aus 40 Branchen und Wirtschaftszweigen untersucht. Im Januar 2015 sahen nur 6 Prozent davon Stundenlöhne von weniger als 8,50 Euro vor. Ende 2013 lag der Anteil noch bei 10 Prozent, Anfang 2010 noch bei 16 Prozent. Bei den aktuell noch in Tarifverträgen ausgewiesenen Vergütungsgruppen unter 8,50 Euro unterscheiden die Forscher zwei Typen: Rund zwei Drittel sind in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen zu Branchenmindestlöhnen geregelt. Diese Branchenmindestlöhne nutzen die im Mindestlohngesetz vorgesehene zweijährige Übergangsfrist, die bis Ende 2016 eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro durch allgemeinverbindliche Tarifverträge repräsentativer Tarifparteien zulässt. Die zweite, kleinere Gruppe stammt vor allem aus älteren Tarifverträgen, die zum Teil schon seit Jahren nicht mehr neu verhandelt wurden. Sie sind seit Januar 2015 nicht mehr gültig, weil der allgemeine Mindestlohn sie verdrängt.
83 Prozent beginnen mit einem Stundensatz von mindestens 10 Euro
Die große Mehrheit, 94 Prozent der Vergütungsgruppen aus Tarifverträgen, die DGB-Gewerkschaften abgeschlossen haben, sieht Stundenlöhne von 8,50 Euro und mehr vor. Insgesamt 83 Prozent der Vergütungsgruppen beginnen mit einem Stundensatz von mindestens 10 Euro. Letzteres gilt für alle Tarifgruppen in wichtigen Branchen wie der Metall- und der Chemieindustrie, dem Bankgewerbe, dem Bauhauptgewerbe, der Süßwarenindustrie und der privaten Abfallwirtschaft. 13 Prozent der Tarifgruppen liegen sogar bei 20 Euro und mehr. Das Tarifsystem setzt so Untergrenzen oberhalb der Niedriglohnschwelle.
Regionale Unterschiede bei Niedriglohngruppen
Niedrige Tarifgruppen unter 8,50 Euro bestehen in 19 Branchen, zumeist begrenzt auf einzelne regionale Tarifgebiete. Besonders betroffen sind fünf Branchen: Floristik, Friseurhandwerk, Gebäudereinigerhandwerk, Landwirtschaft und Erwerbsgartenbau. In diesen Branchen liegen zwischen 21 und 83 Prozent der Vergütungsgruppen unterhalb von 8,50 Euro. Die niedrigen Vergütungsgruppen verteilen sich unterschiedlich auf Ost- und Westdeutschland: Mehrheitlich gelten Vergütungsgruppen unterhalb von 8,50 Euro in ostdeutschen Tarifbereichen. Dort beträgt ihr Anteil 18 Prozent an allen Vergütungsgruppen, in Westdeutschland sind es dagegen nur 3 Prozent.
(Hans-Böckler-Stiftung / Viola C. Didier)