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05.05.2020

Interview

Welche Sparmodelle gibt es in der Krise, wenn Kurzarbeit keine Option ist?

Beitrag mit Bild

Der Betrieb

Kurzarbeitergeld ermöglicht es Unternehmen, qualifizierte Mitarbeiter auch in Krisenzeiten zu halten, statt sie aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten entlassen zu müssen. Dieses Konzept, das sich schon in der Finanzkrise von 2008 bewährt hat, wurde angesichts der Covid-19-Pandemie nochmals deutlich erweitert. Dennoch ist Kurzarbeitergeld kein Allheilmittel für alle Probleme. Insbesondere für Gutverdiener und leitende Angestellte braucht es andere Modelle, weiß der Münchner Arbeitsrechtler Dr. Christian Ley.

DB: Geschäftsführer und leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates und werden daher von einer etwaigen Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit nicht erfasst. Welche Möglichkeiten gibt es, auch diese Klientel ins Boot zu holen, wenn es darum geht, die Kosten zu senken?

Ley: Geschäftsführer und Vorstände können mit gutem Beispiel vorangehen und auf einen Teil ihrer Vergütung verzichten, unabhängig davon, ob dies Fixgehalt oder variable Vergütung betrifft. Damit zeigen sie ihre Beteiligung an den Einsparmaßnahmen und ihr Engagement für das Unternehmen. In der Corona-Krise haben das bereits diverse Unternehmenslenker getan. In Konzernen regt die Führungsspitze einen solchen Verzicht häufig auch für das obere Management an, das dieser erfahrungsgemäß folgt. Bei leitenden Angestellten, deren Gehalt nicht Konzernniveau erreichen muss, kann sich dies anders darstellen. Für sie müssen individuelle Vereinbarungen zur Kurzarbeit getroffen werden, auch wenn für die übrigen Arbeitnehmer eine entsprechende Betriebsvereinbarung gilt. Solche Abreden können den Inhalt der Betriebsvereinbarung nachzeichnen oder auch z.B. eine höhere Aufstockung der Arbeitgeberleistungen vorsehen, da üblicherweise das Gehalt der leitenden Angestellten relativ weit oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, so dass ohne die Aufstockung die Einschnitte besonders erheblich wären.

DB: Dennoch wird nicht jeder Arbeitnehmer erpicht darauf sein, eine Vereinbarung zur Entgeltreduzierung zu schließen. Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, um die Bereitschaft zum Verzicht (mehr oder minder sanft) zu erhöhen?

Ley: Die Frage ist sehr berechtigt und wird immer wieder an uns herangetragen. Im Ergebnis gibt es wenig rechtliche Möglichkeiten, eine Kurzarbeitsvereinbarung zu erzwingen. Meist bleibt nur der Appell an die Solidarität mit den übrigen Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen, ggf. verbunden mit dem Hinweis, dass auch ein Arbeitsverhältnis eine Beziehung ist und bei mangelnder gegenseitiger Unterstützung eine Fortsetzung der Beziehung unter Umständen längerfristig keinen Sinn ergibt.

DB: Das heißt, die Weigerung zum Verzicht lässt sich auch arbeitsrechtlich sanktionieren?

Ley: Rein rechtlich kommen die Instrumente der Abmahnung, der Änderungskündigung oder der Beendigungskündigung zwar in Betracht. Eine Abmahnung wegen Verstoßes gegen die Rücksichtnahme-/Treuepflicht wäre indes schwer zu begründen, da auch der Arbeitnehmer zu berücksichtigende Interessen hat. Die Änderungskündigung hat den unmittelbaren Nachteil, dass die individuelle Kündigungsfrist zu berücksichtigt ist, bevor die Änderungen eintreten – aber was nützt es dem Arbeitgeber, wenn die Kurzarbeit erst in drei oder vier Monaten beginnt? Für eine außerordentliche fristlose Änderungskündigung sind die Hürden so hoch, dass diese grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn unmittelbar die Insolvenz droht – dann jedoch werden üblicherweise Beendigungskündigungen erforderlich und entsprechend ausgesprochen. Die Beendigungskündigung schließlich scheitert schon daran, dass es – wenn auch in geringerem Umfang – Arbeit gibt, so dass der Arbeitskräftebedarf eben nicht vollständig entfallen ist und/oder nicht dauerhaft. Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass eine überzeugende Kommunikation am ehesten zum Ziel führt. Meine Erfahrung ist, dass das aktuell hervorragend funktioniert. Die Menschen blicken in die USA und sind dankbar für ihr vertrautes System der Sozialpartnerschaft und des Kündigungsschutzes und sind bereit, ihren Beitrag zur Arbeitsplatzerhaltung zu leisten.

DB: Stichwort Gleichbehandlungsgrundsatz: Muss der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern, die eine Individualvereinbarung benötigen, dasselbe Angebot unterbreiten oder darf er differenzieren? Wenn ja, was sind die Kriterien?

Ley: Es gilt der Grundsatz: Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. In den meisten Fällen stellt sich die Frage, wem eine Vereinbarung zur Kurzarbeit angetragen wird, schlicht aus der Notwendigkeit, dass es im jeweiligen Arbeitsbereich weniger Arbeit gibt. Für viele Unternehmen und Arbeitnehmer ist es gelebter Alltag, dass einzelne Abteilungen voll ausgelastet oder überlastet sind, während andere zurzeit weniger oder gar keine Arbeit haben. Entsprechend können auch nur einzelne Abteilungen von Kurzarbeit betroffen sein. Ähnliches gilt bei der Frage nach Kurzarbeit innerhalb der Abteilungen. Auch dort kann es Arbeitnehmer geben, denen die Arbeit nicht ausgeht, während andere kaum etwas zu tun haben. Danach kann der Arbeitgeber bzgl. des Ob und auch des Umfangs der zu vereinbarenden Kurzarbeit differenzieren. Soweit Kurzarbeit vereinbart wird und die Arbeitnehmer entsprechend in einer gleichen Situation sind, müssen auch die Kurzarbeitsvereinbarungen in finanzieller Hinsicht gleich gestaltet sein (also ggf. nicht in Bezug auf die Dauer der Kurzarbeit). Im Hinblick auf die Frage, ob bzw. mit wem Kurzarbeit vereinbart wird, haben sich die meisten Gleichbehandlungsfragen nach unserer Erfahrung bereits faktisch aufgelöst, da die Arbeitnehmer vielfältige, unterschiedliche Interessen haben, so dass manche Arbeitnehmer freiwillig in Kurzarbeit oder in höherem Umfang in Kurzarbeit gegangen sind, während andere dafür in Vollarbeit geblieben sind. Auch an dieser Stelle haben wir mit der innerbetrieblichen Abstimmung sehr gute Erfahrungen gemacht.

DB: Muss die Entgeltreduktion befristet werden?

Ley: Streng genommen nein, jedoch wird das Kurzarbeitergeld gegenwärtig für längstens zwölf Monate gewährt (Ausnahme, wenn die Kurzarbeit bereits länger läuft, dann jedenfalls Ende 2020), so dass uns gegenwärtig keine Vereinbarung bekannt ist, die eine längere Kurzarbeit vorsieht. Da nahezu alle Unternehmen keine Planungssicherheit haben, liegen die momentanen Befristungen zwischen einem und fünf Monaten. Je näher das Ende des Zwölf-Monatszeitraums rückt, desto eher werden Überlegungen zu Kündigungen angestellt werden.

DB: Welche Auswirkung hat die Reduktion des Fixgehalts auf variable vergütungsbestandteile?

Ley: Nur für den (seltenen) Fall, dass es eine „unechte“ variable Vergütung ist, diese also als variabel bezeichnet wird, tatsächlich jedoch monatlich fest ausgezahlt wird, reduziert sich diese entsprechend anteilig der Vereinbarung über das Kurzarbeitergeld. Die echte variable Vergütung ist ziel-/ergebnisorientiert, so dass es am Ende auf die jeweilige Zielerreichung ankommt. Hier werden wir an den Enden der jeweiligen Geschäftsjahre ggf. noch Diskussionen erleben, inwieweit Zielanpassungen aufgrund der Krisensituation und Kurzarbeit erforderlich waren/gewesen wären. Dies wird im Einzelfall und mit Augenmaß zu beurteilen sein.

DB: Was ist bei einer solchen Vereinbarung in Sachen betriebliche Altersversorgung zu beachten?

Ley: Die meisten Betriebsvereinbarungen sehen für die Fälle der Kurzarbeit vor, dass das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung so behandelt wird, als bestünde es unverändert fort. Im Übrigen kommt es auf die jeweilige Vereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung an, also etwa, ob ein monatlich fester Betrag eingezahlt wird oder ob ein gewisser Prozentsatz des Monatseinkommens eingezahlt wird. Entsprechend müsste eine individuelle Vereinbarung je nach System der betrieblichen Altersversorgung diesen Aspekt regeln, um, keine Reduktion der Beitragsleistungen zu riskieren.

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Ley!

Das Interview führte Catrin Gesellensetter.


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