Sachverhalt
Die Arbeitgeberin beschäftigt Arbeitnehmer in insgesamt 5 Betrieben, in denen jeweils ein Betriebsrat gebildet ist. Basis für diese Betriebsstruktur ist eine Gesamtbetriebsvereinbarung gem. § 3 BetrVG. Bei einem der 5 Betriebe handelt es sich um den Betrieb Region Süd. Die Erledigung der Arbeitsaufgaben im Unternehmen der Arbeitgeberin gliedert sich in verschiedene Bereiche, in denen Arbeitnehmer aus verschieden Organisationseinheiten zusammenarbeiten und von sog. Matrix-Führungskräften, die keine leitenden Angestellten gem. § 5 Abs. 3 BetrVG sind und die keine disziplinarischen Befugnisse haben, geführt werden.
Bei der Wahl des Betriebsrats im Betrieb Region Süd im Jahr 2022 hat der Wahlvorstand auch diejenigen 128 Matrix-Führungskräfte als wahlberechtigt angesehen, die Vorgesetzte der dem Betrieb Region Süd angehörenden Arbeitnehmer waren, aber ansonsten einem anderen Betrieb der Arbeitgeberin angehörten.
Die Arbeitgeberin hat die Wahl mit der Begründung angefochten, die Matrix-Führungskräfte seien im Betrieb Region Süd mangels Eingliederung in diesen Betrieb nicht wahlberechtigt.
Entscheidung
Das ArbG Stuttgart und das LAG Baden-Württemberg haben der Wahlanfechtung entsprechend dem Antrag und der von der Arbeitgeberin gegebenen Begründung in 1. und 2. Instanz stattgegeben. Die hiergegen vom Betriebsrat eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
Anhand der bisher ausschließlich vorliegenden Pressemitteilung lässt sich ablesen, dass der 7. Senat des BAG ein aktives Wahlrecht in mehreren Betrieben eines Unternehmens bei Betriebsratswahlen bejaht, sofern ein Arbeitnehmer in mehrere Betriebe eingegliedert ist. Grds. können auch Matrix-Führungskräfte, die bereits einem anderen Betrieb angehören, zusätzlich in denjenigen Betrieb eingegliedert und damit zur dortigen Betriebsratswahl wahlberechtigt sein, in dem sie Arbeitnehmer führen. Es ist anzunehmen, dass der 7. Senat für die Feststellung der Wahlberechtigung gem. § 7 Satz 1 BetrVG ein- und denselben Maßstab für die „Eingliederung“ einer Führungskraft in den Betrieb der von ihr geführten Arbeitnehmer anlegt, wie es der 1. Senat für eine Einstellung gem. § 99 BetrVG tut (vgl. dazu BAG vom 14.06.2022 – 1 ABR 13/21, DB 2022 S. 2741): Der 1. Senat hielt in seiner Entscheidung zu § 99 BetrVG eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls für maßgebend. Typischerweise sei in solchen Fällen von einer Eingliederung auszugehen, wenn die Führungskraft zur Durchführung der ihr obliegenden Aufgaben mit den im Betrieb tätigen Arbeitnehmern regelmäßig zusammenarbeiten müsse und damit ihre fachlichen Weisungsbefugnisse auch tatsächlich wahrnehme.
Demgegenüber hatte das LAG Baden-Württemberg in 2. Instanz für die Eingliederung gem. § 7 Satz 1 BetrVG einen „engen“ Eingliederungsbegriff vertreten, der sich nicht mit demjenigen des § 99 BetrVG decke. Dies ergebe eine Auslegung anhand des (unterschiedlichen) Sinn und Zwecks der beiden Vorschriften (aA: LAG Hessen vom 22.01.2024 – 16 TaBV 98/23 in einer Parallelentscheidung).
Der 7. Senat des BAG hat die zweitinstanzliche Entscheidung aufgehoben und an das LAG zurückverwiesen, das den Sachverhalt weiter aufklären muss.
Konsequenzen für die Praxis
Auch wenn derartige Mehrfachwahlberechtigungen sicherlich an der einen oder anderen Stelle zu praktischen Problemen führen können (z.B. bei der Frage der Anwendbarkeit von Betriebsvereinbarungen des einen oder des anderen Betriebs), so werden Unternehmen in der Praxis hiermit umgehen müssen.
Mit Blick auf die im Frühjahr 2026 bevorstehenden regulären Betriebsratswahlen ist es von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen nach Vorliegen der Entscheidungsgründe und anhand der vom BAG für eine Eingliederung gem. § 7 Satz 1 BetrVG vorgegebenen Kriterien rechtzeitig prüfen, ob es bei ihnen Arbeitnehmer gibt, die mehreren Betrieben angehören. Da Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 WO BetrVG dazu verpflichtet sind, dem Wahlvorstand alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen, ist es essenziell, dass Arbeitgeber die Wahlvorstände mit den erforderlichen Informationen hinsichtlich etwaiger Mehrfachwahlberechtigungen versorgen. Sofern nämlich Arbeitnehmer, die eigentlich gem. § 7 Satz 1 BetrVG wahlberechtigt wären, fälschlicherweise von der Wahl ausgeschlossen werden (oder umgekehrt), kann dies bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 BetrVG eine Wahlanfechtung begründen. Dies wiederum ist für Unternehmen regelmäßig mit viel Aufwand, Kosten und Rechtsunsicherheit verbunden.