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24.10.2023

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Wachstumschancengesetz: Die Zinsschranke als steuerlicher Sargnagel für Immobilienentwicklungen?

Die Lage auf dem Immobilienmarkt ist dramatisch. Die wirtschaftliche Krise, verbunden mit staatlicher Regulierung und hohem Zinsniveau führen zu massiven Störfaktoren für die Entwicklung und den Erwerb von Immobilien. Laut Statistischem Bundesamt gingen beispielsweise die Baugenehmigungen im August 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat für Wohnungen um 31,6 % zurück.

Die Bundesregierung behilft sich öffentlichkeitswirksam mit einem 14-Punkte-Plan, dessen steuerliche Inhalte wenig Überraschendes bieten. Daneben wird ein von der Bundesregierung vorgelegter Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (sog. Wachstumschancengesetz, BT-Drucks. 20/8628) im parlamentarischen Verfahren diskutiert, das seinen seinem Namen allerdings wenig Ehre macht. Für ohnehin schon kränkelnde Immobilien-Projektentwicklungen könnte es gar den steuerlichen Todesstoß bedeuten. Nach der Pressemitteilung der Bundesregierung soll das Wachstumschancengesetz Impulse setzen für mehr Wachstum und das Fundament für Investitionen schaffen. Es sei ein wichtiger Baustein, um die Wachstumskräfte der deutschen Wirtschaft zu stärken. Zugleich beinhaltet es Maßnahmen zur mutmaßlichen Verbesserung der Steuerfairness, beispielsweise durch die Anpassung der Zinsschranke. Darum soll es nachfolgend gehen, denn mindestens zwei der geplanten Änderungen werden – wenn das Wachstumschancengesetz so umgesetzt wird – verheerend sein für Immobilienunternehmen und Projektentwickler.

Wachstumschancengesetz: Die Zinsschranke als steuerlicher Sargnagel für Immobilienentwicklungen?

RA/StB Dr. Hardy Fischer
Partner bei POELLATH, Berlin

Grundkonzeption der Zinsschranke

Die Zinsschranke beschränkt den steuerlichen Abzug von Darlehenszinsen jeglicher Art (also auch von Zinsen auf Bankdarlehen) auf 30% des steuerlichen EBITDAs. Deutschland war 2008 Vorreiter dieser Regelung, in Europa wurde sie in abgewandelter Form in der ATAD-Richtlinie (EU) 2016/1164 übernommen und damit europaweit vorgeschrieben. Nun ist Deutschland wiederum am Zug und muss seine Zinsschranke an die Regelungen der Richtlinie anpassen. Ein Teil der Vorschläge des Wachstumschancengesetzes erklärt sich durch diesen Anpassungsbedarf.

Anpassung des Zinsbegriffs

Die Definition der „Zinsaufwendungen“ soll gemäß der ATAD-Vorgabe erweitert werden. Neben Vergütungen für Fremdkapital sollen künftig auch „wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital“ i.S.d. Art. 2 Abs. 1 der ATAD-Richtlinie von der Zinsschranke erfasst werden. Nach den Vorgaben der ATAD-Richtlinie bedeutet dies u.a., dass die im Bilanzwert eines Vermögenswerts enthaltenen kapitalisierten Zinsen bzw. die Amortisation kapitalisierter Zinsen von der Zinsschranke zu erfassen sind. Das wird in Deutschland vor allem die Aktivierung von Bauzeitzinsen betreffen. Die Abschreibung solcher Beträge kann daher künftig – durch die Hintertür der Zinsschranke – steuerlich nur noch beschränkt wirken. Das Ganze wird möglicherweise – mit erheblichen praktischen Umsetzungsschwierigkeiten – auch für in der Vergangenheit aktivierte Bauzeitzinsen gelten, soweit ab 2024 deren steuerliche Abschreibung über den Immobilienbuchwert erfolgt.

Anti-Fragmentierung

Während die Anpassung des Zinsbegriffs europarechtlich durch die Vorgaben der ATAD-Richtlinie noch erklärbar ist, beschreitet der Gesetzesentwurf der Bundesregierung mit einer weiteren geplanten Änderung einen deutschen Sonderweg. Europarechtlich wird dieser nicht vorgegeben.

Mit dem Wachstumschancengesetz soll eine sogenannte Anti-Fragmentierungsregelung eingeführt werden. Bisher ist die Zinsschranke nicht anwendbar, wenn die betroffene Gesellschaft die Grenze von jährlich 3 Mio. € Zinsaufwendungen nicht erreicht. Diese Grenze soll künftig aufzuteilen sein und insgesamt nur einmal gelten für mehrere Tochtergesellschaften, wenn es sich bei diesen um gleichartige Betriebe handelt, die unter einheitlicher Leitung stehen oder auf deren Leitung dieselbe Person/Personengruppe einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

Nach der Gesetzesbegründung wird damit „Gestaltungen entgegengewirkt, bei denen ein Unternehmer für bestimmte gleichartige Tätigkeiten (z.B. Bauvorhaben) jeweils gesonderte Tochterkapitalgesellschaften gründet und diesen Darlehen gewährt, deren jährlicher Zins knapp unterhalb der Freigrenze von 3 Mio. Euro liegt.“

Dieser Vorschlag verwundert, denn er ignoriert die aktuelle Lebenswirklichkeit sowie die steuersystematische Ausgangslage:

  • Die Formulierung in der Gesetzesbegründung ist erstaunlich. Sie stellt tendenziös Gesellschafterdarlehen in der Baubranche an den Pranger. Die Zinsschranke und die vorgeschlagene „Anti-Fragmentierung“ erfassen aber vor allem normale Bankzinsen, auch in einfachen Inlandsfällen. Gerade für die kriselnde Bau-Immobilienbranche bietet die Aufteilung auf mehrere Gesellschaften oftmals die einzige Chance, den steuerlichen Zinsabzug für Bankdarlehen zu erhalten.
  • (Wohnungs-) Projektentwickler und Immobilienunternehmen gründen verschiedene Tochtergesellschaften für verschiedene Immobilienentwicklungen. Eine solche Separierung wird regelmäßig von den finanzierenden Banken verlangt. Sie ist daher weder missbräuchlich noch aus Gründen der Steuerfairness zu beanstanden.
  • Der Vorschlag im Wachstumschancengesetz zur Anti-Fragmentierung wirkt als Katalysator in Zeiten steigender Bankzinsen und in der derzeitigen wirtschaftlichen Krise. Immobilienunternehmen werden Steuern auf höhere fiktive Gewinne zahlen müssen, die betriebswirtschaftlich und liquiditätsmäßig nicht vorhanden sind. Die Zinsschranke wirkt prozyklisch, d.h. in konjunkturellen Schwächephasen mit einem entsprechenden Fremdkapitalbedarf steht die Zinsschranke einem steuerwirksamen Abzug von Zinsaufwendungen entgegen und trägt dazu bei, wirtschaftliche Probleme noch zu verschärfen.
  • Der Vorschlag ignoriert die steuerliche Selbstständigkeit von Tochtergesellschaften. Die betroffenen Unternehmen können regelmäßig auch keine andere Ausnahme zur Zinsschranke anwenden. Beispielsweise ist der Eigenkapitalquotenvergleich nicht weiterführend, weil verschiedene Projekte mit unterschiedlich hohen Bankdarlehen finanziert werden.
  • Inhaltlich bleibt bei der Anti-Fragmentierungsregelung unklar und damit höchst streitanfällig, was „gleichartige“ Betriebe sein sollen. Der Verweis in der Gesetzesbegründung auf die Regelungen zu den Betrieben gewerblicher Art ist nicht hilfreich. Das gilt auch für das weitere Merkmal der „einheitliche Leitung/beherrschender Einfluss“. Letzteres kann sogar dazu führen, dass die Gesellschaften verschiedener Fonds zusammen betrachtet werden müssten.

Fazit

Der deutsche Sonderweg mit der sog. Anti-Fragmentierungsregelung sollte daher dringend aufgegeben werden. Er widerspricht den Bemühungen der Bundesregierung, Immobilienentwicklungen am Laufen zu halten oder zu initiieren und man muss sich fragen, wie dieser Vorschlag in den aktuellen Zeiten ernsthaft Teil eines Gesetzgebungsverfahrens werden konnte. Noch ist es nicht zu spät für Änderungen und der weitere Verlauf bis Ende des Jahres sollte genau beobachtet werden.

Bleibt es bei den vorgeschlagenen Änderungen, verbleibt den betroffenen Unternehmen nur ein hoffnungsvoller Blick nach Karlsruhe, wo die Zinsschranke seit geraumer Zeit beim Bundesverfassungsgericht auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand steht (2 BvL 1/16). Für einige Immobilienentwickler dürfte dessen Entscheidung aber in jedem Fall zu spät kommen, wenn die Anti-Fragmentierungsregelung tatsächlich umgesetzt wird.


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