Der BFH hat in zwei Verfahren den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Klärung gebeten, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung zu stellen sind, damit der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
In der Sache geht es um die Frage, ob die von einem Unternehmer geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus Rechnungen auch dann abziehbar sind, wenn es sich unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift des Lieferers lediglich um einen „Briefkastensitz“ gehandelt hat, oder ob nur die Angabe derjenigen Anschrift des leistenden Unternehmers zum Vorsteuerabzug berechtigt, unter der der leistende Unternehmer seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet.
Genügt der Briefkastensitz in der Rechnung?
In einem der Fälle erwarb der Kläger, ein KFZ-Händler, von Z, der seinerseits Fahrzeuge im Onlinehandel vertrieb, PKW. In den Rechnungen des Z war eine Anschrift angegeben, an der Z zwar Räumlichkeiten angemietet hatte, die aber nicht geeignet waren, um dort geschäftliche Aktivitäten zu entfalten. Im anderen Fall ging es ebenfalls um einen KFZ-Händler, der von D Fahrzeuge erwarb. Unter der von D in ihren Rechnungen angegebenen Anschrift befand sich zwar ihr statuarischer Sitz; es handelte sich hierbei jedoch um einen „Briefkastensitz“, unter der D lediglich postalisch erreichbar war und wo keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben (Beschlüsse vom 6.4.2016, Az. V R 25/15 und XI R 20/14).
Was gehört zur vollständigen Anschrift?
Der BFH sieht als klärungsbedürftig an, ob eine zum Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung die „vollständige Anschrift“ bereits dann enthält, wenn der leistende Unternehmer in der von ihm über die Leistung ausgestellten Rechnung eine Anschrift angibt, unter der er zwar postalisch zu erreichen ist, oder ob der Vorsteuerabzug die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet.
EuGH muss Klärung bringen
Die Vorlagen sind erforderlich geworden, weil das Urteil des EuGH vom 22.10.2015, Az. C-277/14 möglicherweise den Schluss zulässt, dass es für den Vorsteuerabzug nicht auf das Vorliegen aller formellen Rechnungsvoraussetzungen ankommt oder zumindest die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen keine Anschrift voraussetzt, unter der wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet wurden. Der BFH hat Zweifel, ob seine bisherige ständige Rechtsprechung, nach der die formellen Rechnungsvoraussetzungen die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet, mit dieser Rechtsprechung des EuGH in Einklang steht.
(BFH, PM vom 06.07.2016/ Viola C. Didier)