I. Hintergrund der Entscheidung
Wird ein Unternehmen zu Lebzeiten oder von Todes wegen unentgeltlich unter Nutzung der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln übertragen, fällt diese Begünstigung mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber innerhalb einer Frist von fünf (Regelverschonung) bzw. sieben (Optionsverschonung) Jahren gegen die sog. Behaltenspflichten (§ 13a Abs. 6 ErbStG) verstößt. Hintergrund dieser Regelung ist es sicherzustellen, dass die mit den erbschaftsteuerlichen Betriebsvermögensprivilegien verfolgten Gemeinwohlziele, etwa die Erhaltung von Arbeitsplätzen, auch tatsächlich erreicht werden. Gleichzeitig besteht jedoch auch für Unternehmensnachfolger die Notwendigkeit, kurzfristig auf sich ändernde wirtschaftliche Umstände reagieren zu können, ggf. auch im Wege von Umstrukturierungsmaßnahmen.
In diesem Spannungsverhältnis bestimmt § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 ErbStG (ähnlich für Kapitalgesellschaftsanteile § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ErbStG), dass bestimmte Veräußerungshandlungen nach dem begünstigten Erwerb von Betriebsvermögen schädlich und daher nachsteuerauslösend sind. Erfasst werden (i) die direkte Veräußerung einer Beteiligung am Betriebsvermögen, zu der auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs gehört, (ii) die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen sowie die Zuführung derselben ins Privatvermögen oder zu anderen betriebsfremden Zwecken und (iii) die Veräußerung von im Rahmen einer (nach der Unternehmensnachfolge erfolgten) Einbringung des Betriebsvermögens erhaltenen Beteiligungen an einer Kapital- (§ 20 UmwStG) oder Personengesellschaft (§ 24 UmwStG). Die zuletzt unter (iii) genannte Variante belegt dabei inzident, dass bestimmte, während der Behaltensfrist erfolgende Einbringungsvorgänge nach der Vorstellung des Gesetzgebers unschädlich sein sollen. Umgekehrt wird man nach der gesetzgeberischen Intention jedenfalls dann von einem Behaltenspflichtverstoß ausgehen können, wenn sich der Erwerber durch die Umstrukturierungsmaßnahme von dem Vermögen der wirtschaftlichen Einheit trennt und eine „Versilberung“ des von ihm begünstigt erworbenen Vermögens stattfindet.
Umstritten sind in diesem Zusammenhang Fälle, in denen der Einbringende einer Sacheinlage nach § 20 UmwStG ein „mehr“ in Form sonstiger Gegenleistungen, daher neben den Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft, erhält. Während solche Gegenleistungen im Ertragsteuerrecht teilweise unschädlich sind (z.B. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG), qualifiziert die Finanzverwaltung sonstige Gegenleistungen stets als nachsteuerschädliche (anteilige) Veräußerung i.S.d. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 ErbStG (koordinierter Ländererlass, vgl. OFD Frankfurt vom 22.06.2020 – S 3812a A 020 St 711). In einem Altfall zum ErbStG 2009 hat das FG Münster die bisherige Linie der Finanzverwaltung nun bestätigt.
II. Die Entscheidung
1. Der Sachverhalt
Der Kläger erbte im Jahr 2012 ein Einzelunternehmen und übertrug dieses im Wege einer Ausgliederung auf die neu gegründete A GmbH. Im Gegenzug erhielt er sämtliche Geschäftsanteile sowie eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft i.H.v. 450.820,82 €. Rund ein Jahr nach der Ausgliederung stellte der Kläger die Darlehensforderung i.H.v. 150.000 € in die Kapitalrücklage der GmbH ein.
Nachdem das Finanzamt zunächst die vom Kläger beantragte Optionsvorschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG a.F. bzw. § 13a Abs. 10 ErbStG n.F.) im Jahr 2014 gewährte, stellte das Betriebsstättenfinanzamt im Jahr 2019 den Wert des Betriebsvermögens gesondert und einheitlich fest. Im Zuge einer Anfrage des Festsetzungsfinanzamtes zur Überprüfung der Voraussetzungen nach § 13a ErbStG erklärte der Kläger den Sachverhalt zur Ausgliederung. Daraufhin erhöhte das Finanzamt 2020 die festgesetzte Erbschaftsteuer. Würden neben Gesellschaftsanteilen weitere Gegenleistungen für die Sacheinlage gewährt, liege nur, soweit Gesellschaftsanteile gewährt würden, eine nachsteuerunschädliche Einbringung nach § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. (§13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG n.F.) vor. Deshalb sei i.H. des gewährten Gesellschafterdarlehens von 450.820,82 € ein Behaltensfristverstoß gegeben.
2. Die Erwägungen des FG Münster
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab und schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an. Dadurch, dass der Kläger das Einzelunternehmen nur teilweise gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen in die neu gegründete GmbH ausgegliedert habe, liege, soweit dem Kläger als Gegenleistung eine Darlehensforderung gegenüber der Gesellschaft eingeräumt wurde, ein Behaltensfristverstoß vor.
Das Gericht verwies zur Begründung zunächst auf die bisherige Rechtsprechung des BFH, nach der sich mittelbar aus § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. ergebe, dass Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 UmwStG als solche keine zum rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG führenden Veräußerungen darstellten (BFH vom 16.02.2011 – II R 60/09, BStBl II 2011 S. 454). Dies beruhe darauf, dass solche Maßnahmen die Bindung des begünstigt erworbenen Vermögens in einem Unternehmen unberührt ließen und daher der Zweck der Steuervergünstigungen, der verminderten Verfügbarkeit von Betriebsvermögen Rechnung zu tragen und dessen Fortführung auch im Gemeinwohlinteresse, insbesondere zum Erhalt von Arbeitsplätzen, zu ermöglichen, unverändert verwirklicht werde.
Ein unschädliches „Behalten“ sei aber nur insoweit anzunehmen, als die Gegenleistung für die Sacheinlage in Anteilen an der Gesellschaft bestehe. Gesetzgeberisches Leitbild sei es gewesen, dass kein Unternehmenssubstrat auf die private Ebene des Gesellschafters gelange. Entsprechend unterliege entnommenes Betriebsvermögen nicht mehr dieser Zwecksetzung und rechtfertige keine Begünstigung. Indem der Kläger für die Einbringung des Einzelunternehmens neben den Gesellschaftsanteilen zusätzlich eine Darlehnsforderung gegenüber der Gesellschaft erhielt, habe er die Bindung dieses Vermögensteils zum Betrieb gelöst und das Vermögen insoweit auf die private Ebene verlagert. Hieran ändere auch die spätere Überführung eines Teildarlehensbetrags in die Kapitalrücklage der GmbH nichts.
Die Zwecke der Ertragsbesteuerung und der Erbschaftsbesteuerung verliefen nicht zwingend deckungsgleich. Das ertragsteuerliche Buchwertprivileg solle die steuerneutrale Durchführung wirtschaftlich notwendiger oder sinnvoller Unternehmensumstrukturierungen ermöglichen. Ziel der erbschaftsteuerlichen Nachversteuerung sei hingegen, dass kein privilegiert erworbenes Betriebsvermögen innerhalb der Sperrfrist in das Privatvermögen übergeht und damit nicht mehr der Gemeinwohlbindung und -verpflichtung unterliegt. Auf Letzteres komme es im Fall an.
III. Anmerkung und Ausblick
Auch wenn die vorgenannte Entscheidung zum „alten“ ErbStG getroffen wurde, können die darin enthaltenen Erwägungen auf die heutige Gesetzeslage übertragen werden. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. ist i.R.d. Erbschaftsteuerreform 2016 beinahe unverändert in § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 ErbStG n.F. aufgegangen. Erstmalig liegt damit eine finanzgerichtliche Entscheidung zu sog. sonstigen Gegenleistungen bei Einbringungsvorgängen als Behaltensfristverstoß nach dem Erwerb von begünstigtem Vermögen vor. Da dem Behaltenspflichtenkatalog in § 13a Abs. 6 ErbStG ein einheitlicher Veräußerungsbegriff zugrunde liegt, lassen sich die Erwägungen auch auf den begünstigten Erwerb von Kapitalgesellschaftsanteilen (vgl. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ErbStG) übertragen.
Aus Beratersicht sollten bei Umwandlungsvorgängen gem. §§ 20, 21 und 24 UmwStG im Kontext einer Unternehmensnachfolge die vom FG Münster betonten Unterschiede des Ertrag- und des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts beachtet werden. Das Gericht betonte im Besprechungsfall ausführlich, wie schon zuvor der BFH etwa zum Begriff der wesentlichen Betriebsgrundalge in § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 (BFH vom 16.03.2021 – II R 10/18), dass die Zwecke des ErbStG an manchen Stellen Abweichungen vom Ertragsteuerrecht erfordern. Hier ist besondere Vorsicht geboten.
Leistungen einer Gesellschaft, in die erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen eingebracht wurde, an den einbringenden Gesellschafter sollten innerhalb der Behaltensfrist möglichst vermieden werden, sofern sie nicht klar einem anderen Rechtsgrund als der Einbringung (z.B. Ausschüttungsbeschluss über Neugewinne) zugerechnet werden können. Das gilt auch für Leistungen von nahestehenden Dritten im Zusammenhang mit der Umstrukturierung, insbesondere Mitgesellschaftern. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Finanzverwaltung diese Leistungen als nachsteuerschädliche sonstige Gegenleistungen qualifiziert.
Da im Fall des FG Münster die Revision zugelassen wurde, ist eine Befassung des BFH mit dieser Sache aus Gründen der Rechtsklarheit wünschenswert. Die Literatur ist sich jedenfalls uneins, ob sonstige Gegenleistungen als nachsteuerschädlich zu bewerten sind, wobei die wohl herrschende Meinung dies so sieht. Die Finanzverwaltung dürfte sich durch die nachvollziehbaren Erwägungen des FG in ihrer Auffassung bestätigt sehen.