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23.06.2021

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Vollständige Optionsverschonung – Eine Optionsfalle im ErbStG?

Unternehmerisches Vermögen kann unter bestimmten Prämissen erbschaftsteuer- und schenkungsteuerlich begünstigt übertragen werden. Die sogenannte Optionsverschonung ermöglicht eine 100%ige Steuerbefreiung. Der Antrag dazu ist unwiderruflich, was Weitblick und eine gute Planung der Übertragung erfordert. Trotzdem kann er zur Falle – der Optionsfalle – werden.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

StBin Mareike Krämer, LL.M
, Senior Associate bei POELLATH, Frankfurt/M.

Voraussetzungen der Optionsverschonung in der Nachfolgeplanung

Die Möglichkeit zur Optionsverschonung besteht bereits seit 2009 und ist in der derzeitigen Gesetzesfassung auf Übertragungen seit dem 30.06.2016 anzuwenden (§ 13a Abs. 10 ErbStG, vormals Abs. 8). Voraussetzung für die Gewährung dieser Vollverschonung ist eine niedrige Verwaltungsvermögensquote. Diese darf 20% (vormals 10%) nicht überschreiten. Bei höherer Quote findet die bis zu 85%ige sogenannte Regelverschonung Anwendung.

Die Prüfungen, ob die Voraussetzungen erfüllt werden und in welcher Höhe eine Begünstigung erwartet werden kann, nehmen bei der Nachfolgeplanung einen gewichtigen Teil ein. Die Bewertungsverfahren dazu sind komplex. Und auch bei sorgsamer Vorbereitung können Unsicherheiten bestehenbleiben, die sich erst nach Durchführung der Übertragung aufklären, nicht zuletzt aufgrund von Betriebsprüfungen.

Verwaltungsauffassung zur Übertragung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten

Erschwerend kommt in den Fällen der Übertragung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten mit einheitlichem Schenkungswillen oder im Erbfall hinzu, dass die Finanzverwaltung die Voraussetzungen der Antragserfüllung in Teilen schärfer auslegt als es der Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich fordert.

Im Einzelnen: Die Finanzverwaltung verlangt einen einzelnen, gemeinsamen Optionsantrag für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten. Oder andersrum, die Finanzverwaltung lässt es nicht zu, für jede übertragene wirtschaftliche Einheit zu entscheiden, ob ein Antrag auf Optionsverschonung gestellt wird oder nicht. Die Erbschaftsteuer-Richtlinien sehen vor, dass die Ausübung des Antragsrechts durch den Erwerber „insgesamt nur einheitlich“ für alle Arten des erworbenen begünstigungsfähigen (bzw. vormals begünstigten) Vermögens erfolgen kann (R E 13a.21 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2019 bzw. R E 13a.13 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011).

Für den Fall, dass der einheitliche Antrag gestellt wird, könne die Optionsverschonung dann nur für die wirtschaftlichen Einheiten gewährt werden, deren eigene Verwaltungsvermögensquote die kritische Grenze nicht überschreiten. Für die übrigen Einheiten sei keinerlei Begünstigung möglich (vgl. R E 13a.21 Abs. 4 Sätze 1 und 2 ErbStR 2019 bzw. R E 13a.13 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ErbStR 2011). Dies schließe auch die 85%ige Regelverschonung aus.

Genau dieser Umstand wird in der Literatur als Optionsfalle bezeichnet. Wurde ein Optionsantrag gestellt, kann das Verfehlen der Verwaltungsvermögensquote in einer äußerst werthaltigen Einheit dazu führen, dass für diese eine Vollversteuerung erfolgt, während weniger werthaltige Einheiten vollständig steuerbefreit übertragen werden. In dieser Konstellation ist der Optionsantrag wirtschaftlich nachteilig. Aber er kann nicht widerrufen werden (§ 13a Abs. 10 Satz 1 ErbStG). Darin besteht das Risiko der Antragstellung.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung komme ein Rückfall auf die Regelverschonung nur dann in Betracht, wenn alle wirtschaftlichen Einheiten die Verwaltungsvermögensquote von nicht mehr als 20% (vormals 10%) verfehlen. Der Antrag gehe dann ins Leere (vgl. R E 13a.21 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2019 bzw. R E 13a.13 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011).

Die Herangehensweise der Finanzverwaltung impliziert auch, dass die Verwaltungsvermögensquote für alle übertragenen Einheiten individuell zu ermitteln ist (vgl. R E 13a.1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStR 2019 bzw. R E 13a.1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStR 2011), da keine gemeinsame Ermittlung für alle wirtschaftlichen Einheiten erfolgt.

Keine Erleichterung durch Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster

Bisher liegt zur Optionsfalle keine Entscheidung des BFH vor. Bereits zum zweiten Mal hatte aber das FG Münster darüber zu urteilen, zuletzt am 10.09.2020 (3 K 2317/19 Erb). Streitig war, ob bei der einheitlichen Übertragung von mehreren wirtschaftlichen Einheiten die Verwaltungsvermögensquote und die Optionsverschonung jeweils isoliert zu ermitteln bzw. anzuwenden sei oder dies einheitlich erfolge.

Mit Hinweis auf den Einzelbewertungsgrundsatz des Bewertungsgesetzes bestätigt das Finanzgericht in seinem Urteil zunächst die isolierte Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote für jede wirtschaftliche Einheit.

In Bezug auf die nur einheitlich mögliche Ausübung des Antragsrechts bei Übertragung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten hatte sich das Finanzgericht bereits im Jahr 2013 dieser Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen (Urteil vom 09.12.2013 – 3 K 3969/11 Erb). Im aktuellen Urteil bleibt das Finanzgericht seiner Auffassung treu, trotz diesbezüglicher Kritik am ersten Urteil in der Literatur (Althoff, ZEV 2014 S. 325; Reich, DStR 2014 S. 1424; Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, Stand 83. Lfg. März 2020, § 13a Rn. 216).

Zuletzt wendet das Finanzgericht auch die Optionsfalle an und bestätigt, dass keinerlei Begünstigung für die wirtschaftlichen Einheiten erfolge, die die Verwaltungsvermögensquote nicht erfüllen. Es schließt ausdrücklich auch die Regelverschonung aus.

Anhängiges Revisionsverfahren beobachten

Die Revision zum Urteil ist zugelassen worden (II R 25/20). Beide Urteile ergingen zur alten Rechtslage vor der Gesetzesänderung vom 04.11.2016. Obwohl die Rechtssache auslaufendes Recht betreffe, seien aufgrund langwieriger Bewertungs- und Einspruchsverfahren noch viele parallele Fälle möglich. Zudem halte die Finanzverwaltung weiterhin an der Optionsfalle fest (vgl. R E 13a.21 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2019), auch wenn die herrschende Meinung in der Literatur nach den Änderungen der §§ 13a, 13b ErbStG dahingehend kein Risiko mehr sehe, so die Ausführungen zur Zulassung der Revision.

Hintergrund der Literaturmeinung ist, dass bei Übertragungen vor dem 30.06.2016 das Erfüllen der Verwaltungsvermögensquote als Voraussetzung der Begünstigung an sich galt, in der aktuellen Gesetzesfassung hingegen nur als Grund für die Erhöhung des Verschonungsabschlags von 85% auf 100% gesehen wird (vgl. Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, 61. EL Januar 2021, ErbStG § 13a Rn. 512; Meincke/Hannes/Holtz, 17. Aufl. 2018, ErbStG § 13a Rn. 121).

Es bleibt also nach dieser erneuten Bestätigung der Finanzverwaltungsauffassung, zumindest zum alten Recht, vorerst dabei, dass die Optionsfalle zuschnappen kann.

Welche Maßnahmen sind bei drohender Optionsfalle möglich?

Das Risiko der Optionsfalle lässt sich dadurch umgehen, dass die Annahme eines einheitlichen Schenkungswillens bei der Übertragung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten vermieden wird, z.B. durch zeitliche Entzerrung und Auftrennung in einzelne Übertragungen. Im ungeplanten Erbfall kann diese Überlegung jedoch nicht mehr helfen.

Bei bereits erfolgten Übertragungen mehrerer wirtschaftlicher Einheiten sollte ein Erwerber den Antrag auf Optionsverschonung so lange wie möglich herauszögern. Der Antrag ist nach Auffassung der Finanzverwaltung bis zur materiellen Bestandskraft des Bescheids möglich (R E 13a.21 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2019). Die Erbschaftsteuerrichtlinien definieren nicht, wann von materieller Bestandskraft auszugehen ist und in der Literatur herrschen dazu unterschiedliche Auffassungen. Bei Vorliegen eines Vorbehalts der Nachprüfung sollte jedenfalls noch keine materielle Bestandskraft eingetreten und der Antrag weiterhin möglich sein.

Aus diesem Vorgehen kann sich ein Liquiditätsnachteil ergeben, der gegen das Risiko der Optionsfalle abzuwägen ist. Wird zunächst unter Anwendung der Regelverschonung veranlagt, kann daraus eine Steuerzahlung resultieren. Diese würde bei einer späteren erfolgreichen Antragstellung zwar erstattet werden, jedoch erfolgt keine Verzinsung.

In entsprechenden Fällen ist außerdem Einspruch einzulegen, um die Bescheide im Hinblick auf die Ermittlung und Anwendung der Optionsverschonung offenzuhalten bis das beim BFH anhängige Revisionsverfahren entschieden ist. Zu begrüßen wäre, wenn der BFH die Chance ergreift, darin zumindest für die aktuelle Rechtslage der Verwaltungsauffassung zu widersprechen und so für die Zukunft Klarheit schaffen würde.


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