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12.05.2023

Rechtsboard

Versetzungen ohne Beteiligung des Betriebsrats sind unwirksam

Zu der Frage was eine Arbeitgeberin unternehmen muss, um die Unwirksamkeit einer – ohne Beteiligung eines eingerichteten Betriebsrates erfolgten – Versetzung eines Arbeitnehmers zu beheben, hat sich unlängst (erneut) das Bundesarbeitsgericht geäußert (Beschluss vom 11.10.2022 – 1 ABR 18/21).

Versetzungen ohne Beteiligung des Betriebsrats sind unwirksam

RA FAArbR Dr. Christoph Gerhard
ist Senior Associate bei Heuking Kühn Lüer Wojtek am Standort in Frankfurt am Main

Danach gilt: Hat eine Arbeitgeberin einen Mitarbeiter ohne Beteiligung des Betriebsrats auf eine neue Position versetzt, ist diese Versetzung unwirksam. Eine erneute Beteiligung des Betriebsrats kann erst dann rechtswirksam erfolgen, wenn die ursprüngliche Versetzung tatsächlich rückgängig gemacht wurde. Dafür genügt es nicht, wenn der Arbeitnehmer lediglich auf dem Papier rückversetzt wurde.

Grundsätzlich gilt nach den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes („BetrVG“, auszugsweise):

„In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder […] Versetzung zu unterrichten[…]; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen.“ [Hervorhebungen durch den Verfasser]

Sachverhalt der aktuellen Entscheidung

Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Arbeitnehmer ohne Beteiligung des Betriebsrates auf eine neue Position versetzt wurde. Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Arbeitgeberin über die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erklärte die Arbeitgeberin, dass sie die Versetzung des Arbeitnehmers zurücknehme.

Am selben Tag, an dem sie die Rücknahme der Versetzung erklärte, erklärte die Arbeitgeberin ferner gegenüber dem Betriebsrat, dass sie die Maßnahme nun gemäß § 100 Abs. 1 BetrVG nur noch vorläufig durchführe und zugleich um erneute Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers auf die angedachte Stelle bitte. Faktisch wurde der Arbeitnehmer daher nicht auf die ursprüngliche Stelle rückversetzt.

Problemstellung

Das Rechtsproblem, dem sich das BAG nun gegenübersah, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Muss für eine erneute Beteiligung des Betriebsrates die ursprüngliche Versetzung tatsächlich rückgängig gemacht werden oder genügt es für die Einleitung eines erneuten Zustimmungsverfahrens, wenn der Arbeitnehmer nur auf dem Papier zurückversetzt wurde?

Entscheidung des BAG

Das LAG Köln (Beschl. v. 21.05.2021 – 9 TaBV 42/20) als zuständiges Berufungsgericht hatte noch im Sinne der Arbeitgeberin entschieden und urteilte, dass es genüge, wenn der Arbeitgeber von seiner Entscheidung Abstand nehme und ein neues Zustimmungsverfahren einleite. Die vorübergehende vorläufige Versetzung stehe dem nicht entgegen.

Dem trat das BAG entgegen und urteilte, dass Voraussetzung einer erneuten Beteiligung des Betriebsrats die vorherige tatsächliche Aufhebung der Versetzung sei.

Das BAG urteilte dabei kursorisch wie folgt:

Ein Zustimmungsverfahren können erst dann wirksam eingeleitet werden, wenn die ursprüngliche Versetzung tatsächlich rückgängig gemacht wurde. Das folge aus den Regeln des Betriebsverfassungsrechts (dort § 101 BetrVG), wonach der Betriebsrat eine Maßnahme, zu der er nicht beteiligt wurde, vom Arbeitsgericht aufheben lassen könne.

Die Regelung diene dem Schutz der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und der Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung. Damit der Betriebsrat ein scharfes Schwert zur Hand hat, muss die Folge der Missachtung dieser Regeln sein, dass eine bereits erfolgte Versetzung ohne Beteiligung des Betriebsrates unwirksam und tatsächlich rückgängig zu machen ist. Anderenfalls liefen die Rechte des Betriebsrates und die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung leer.

Die tatsächliche Rückversetzung kann nach Ansicht des BAG dabei auf mehrerlei Wegen erfolgen. Zum einen könne der Arbeitnehmer auf seiner alten Position eingesetzt werden (sofern diese überhaupt noch vorhanden ist). Daneben genüge es aber auch, dass der Arbeitnehmer die Tätigkeit auf der neuen Position nicht mehr ausübe. Ausschlaggebend sei, dass der Einsatz auf der neuen Position vorübergehend – zumindest bis zur Einleitung eines neuen Beteiligungsverfahrens – unterbliebe.

Bewertung und Praxishinweise

Die Entscheidung des BAG überrascht nicht, wenn man sich ähnlich lautende Urteile aus der Vergangenheit vor Augen führt (bspw. BAG, Urteil vom 21.11.2018 – 7 ABR 16/17). Sie überzeugt auch im Hinblick auf die Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte des Betriebsrats.

Wie die tatsächliche Rückversetzung des Arbeitnehmers zu erfolgen hat, erläutert das BAG nicht im Detail. Für den Arbeitgeber wird die Rückversetzung nicht immer so einfach möglich sein. Gerade bei Umstrukturierungen oder Reorganisationen werden Stellen häufig konsolidiert, neu besetzt oder schlicht gestrichen. Auch die (vorübergehende) Versetzung des Arbeitnehmers auf eine andere Position ist nur mit der Beteiligung des Betriebsrats möglich.

Mangels anderer Alternativen müsste der Arbeitnehmer (unter Fortzahlung der Vergütung) von der Arbeit freigestellt werden. Arbeitgebern ist daher dringend zu raten, die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungstatbestände ernst zu nehmen und den Betriebsrat vor Durchführung der jeweiligen Maßnahme zu beteiligen. Dem zunächst vielversprechend klingenden „Umwidmen“ der Versetzung (statt endgültiger Versetzung nur noch vorläufige bei gleichzeitiger erneuter Beteiligung des Betriebsrates zu endgültiger Versetzung) hat das BAG (erneut) einen Riegel vorgeschoben.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass nicht in jedem Betrieb auch der Betriebsrat bei jeder Versetzung zu beteiligen ist. Zum einen findet § 99 BetrVG nur in Betrieben mit mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 7 BetrVG, alle Arbeitnehmer, die das 16. Lebensjahr vollendet haben) Anwendung.

Daneben ist zwischen dem individualrechtlichen Versetzungsbegriff, der maßgeblich bei der Beurteilung ist, ob ein Arbeitnehmer nach den vertraglichen Regeln auf einer anderen Position beschäftigt werden darf, und dem Versetzungsbegriff des BetrVG zu unterscheiden. Nach dem BetrVG liegt eine Versetzung gemäß § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG nur dann vor, wenn

  • ein anderer Arbeitsbereich für die Dauer von mindestens einem Monat zugewiesen wird oder
  • die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs mit erheblichen Änderungen der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, einhergeht.

Entsprechend ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich auch eine betriebsverfassungsrechtliche Versetzung vorliegt, denn nur diese löst das Beteiligungsrecht des Betriebsrats aus.

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