Nationale Ausgangslage
Das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) bilden die Rechtsgrundlage für die Kontrolle ausländischer Investitionen in Deutschland. Das Ergebnis einer solchen Prüfung ist die Untersagung oder Gestattung einer Transaktion, ggf. unter Erfüllung weiterer Auflagen. Die 12. Verordnung zur Änderung des AWV vom 19.12.2018 hat die Prüfeintrittsschwelle in sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bereichen von 25 Prozent auf zehn Prozent gesenkt.
EU-Screening-Verordnung
In der EU ist die Kontrolle ausländischer Investitionen bisher eine nationale Angelegenheit. Nicht alle EU-Länder prüfen derzeit ausländische Investitionen und die Prüfkriterien sind unterschiedlich. Mit der sogenannten EU-Screening-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/452 vom 19.03.2019) wurde ein Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU geschaffen. Ziel ist die Wahrung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der strategischen Interessen Europas. Die Mitgliedstaaten sind nun verpflichtet, Rahmenbedingungen für die Überprüfung und Kontrolle von Direktinvestitionen in wichtigen Schlüsselsektoren und in Bezug auf kritische Infrastrukturen zu schaffen und bei der Kontrolle mit den anderen EU-Ländern und der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten.
Geplante Änderungen im AWG
Der Referentenentwurf soll die EU-Screening-Verordnung in deutsches Recht umsetzen und dem deutschen Investitionsprüfungsregime bei kritischen Unternehmenserwerben durch Nicht-EU-Mitgliedstaaten ein Werkzeug zum wirksamen Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland an die Hand geben. Gleichzeitig gilt es jedoch, die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort nicht zu gefährden. Diesem Balanceakt versucht der Entwurf durch unterschiedliche Änderungen gerecht zu werden.
Herabsetzung der Anforderungen an den Gefährdungsgrad
Bisher erlaubt allein eine „tatsächliche Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch den Erwerb die Anordnung von Beschränkungen oder Handlungspflichten. Zukünftig soll eine „voraussichtliche Beeinträchtigung“ der öffentlichen Ordnung und Sicherheit genügen und nicht mehr nur der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch eines anderen Mitgliedstaates oder bei Projekten von Unionsinteresse.
Ausweitung der Sperre des Erwerbsvollzugs
Bei der bisherigen Prüfpraxis konnte es dazu kommen, dass der Erwerber den Erwerb vor Ende des Prüfverfahrens vollzogen hatte. Damit wurde die zuständige Behörde vor vollendete Tatsachen gestellt und Sinn und Zweck der Investitionsprüfung unterlaufen. Um dies zu verhindern, sieht der Entwurf vor, die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts bis zum Abschluss der Investitionsprüfung auf alle meldepflichtigen Erwerbe auszuweiten.
Errichtung einer nationalen Kontaktstelle
Ferner ist die Einrichtung einer Kontaktstelle im BMWi für die EU-weite Kooperation vorgesehen. Das BMWi soll als Bindeglied zwischen nationalen und europäischen Organen fungieren, um den unionsweiten Informationsaustausch sicherzustellen.
Geplante Änderungen in der AWV
In einem zweiten Schritt ist die Novellierung der AWV geplant. Ziel ist es, kritische Technologien zu bestimmen, für die eine Meldepflicht und Prüfmöglichkeit bereits ab einem Anteilserwerb von zehn Prozent bestehen soll. Voraussichtlich betroffene Technologien sind z.B. die künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie.
Fazit
Die erklärten Ziele der geplanten Novelle sind, die deutsche Investitionsprüfung effektiver und konkreter auszugestalten und gleichzeitig die Vorgaben der EU-Screening-Verordnung umzusetzen. Die Diskussion, ob der Entwurf diesen Vorgaben gerecht wird, hat bereits begonnen. Erste kritische Stimmen äußern, die Regeln seien zu offen und unklar; andere meinen, die Regeln seien nicht weitreichend genug. Es bleibt abzuwarten, ob und welche Änderungen letztlich durch den Bundestag verabschiedet werden und zu welchen tatsächlichen Veränderungen dies in der Investitionsprüfungspraxis führen wird.