Europarechtliche Treiber einer Circular Economy bei Verpackungen
European Green Deal, Null-Schadstoff-Aktionsplan der Europäischen Union (EU) mit u.a. dem Ziel, das Abfallaufkommen in Europa bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren, oder die Novelle der Verpackungsrichtlinie sind nur einige Treiber in Richtung einer Circular Economy auch im Umgang mit Verpackungen. Diese Treiber bringen steuerlich und rechtlich erhebliche neue Herausforderungen mit sich.
Steuerliche Neuerungen auf europäischer Ebene
Seit dem 01.01.2021 muss jeder Mitgliedstaat der EU als jährlichen Beitrag zum EU-Haushalt 80 Cent Plastikabgabe pro Kilogramm nicht recycelter Kunststoffabfälle abführen. Grundsätzlich ist jeder EU-Mitgliedstaat frei in der Entscheidung, auf welchem Wege der EU-Haushaltsbeitrag finanziert und durch welche Maßnahmen auf nationaler Ebene die daran anknüpfenden Umweltziele erreicht werden. Einige EU-Mitgliedstaaten planen die finanzielle Belastung auf nationaler Ebene in Form einer nationalen Plastiksteuer z.B. auf die Verpackungshersteller bis hin zum Endkunden (Verbraucher) abzuwälzen. Andere Mitgliedstaaten intendieren höhere Abgaben im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung. Konkret planen derzeit Italien (nun verschoben auf den 01.01.2022), Spanien (vermutlich Q4/21, ggfs. Anfang 2022) und Belgien die Einführung von Plastiksteuern bzw. erhöhte Abgaben auf – nach jeweils nationaler Definition des konkreten Steuergegenstands – Plastikverpackungsmaterial, welches aus nicht-recycelter Plastik besteht bzw. solche Anteile enthält. Auch Großbritannien sieht eine Plastiksteuer vor (ab dem 01.04.2022). In Deutschland ist die Umsetzung noch unklar, nach der Bundestagswahl im Herbst wird die neue Bundesregierung sich vermutlich zeitnah positionieren. Einige EU-Mitgliedstaaten führen auf nationaler Ebene auch weitere „Green Taxes“ ein, so existiert in Ungarn beispielsweise eine „product fee“ auf diverse Arten von Verpackungsmitteln sowie „schädlichen Produkten“ wie bestimmte Batterien, Autoreifen und Mineralöle. Schweden besitzt eine „Chemical Tax“ auf Elektrogeräte und plant nun die Einführung einer weiteren „Chemical Tax“ auf bestimmte Chemikalien in Textilien und Schuhen (ab dem 01.01.2022). Diverse EU-Mitgliedstaaten führen weitere Steuern auf Plastiktüten ein.
Schärfere rechtliche Anforderungen in Deutschland
In Deutschland ist der Umgang mit Verpackungen zentral über das sogenannte Verpackungsgesetz (VerpackG) geregelt. Der Bundesrat hat am 28.05.2021 die Novelle des Verpackungsgesetzes („Gesetz zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen“) gebilligt. Damit ist auch in Deutschland der Weg frei für weitere zentrale Weichenstellungen hin zu einer Circular Economy bei Verpackungen. Die Neuerungen können nun gestaffelt zum 03.07.2021, 01.01. und 01.07.2022 in Kraft treten.
Mit den Neuerungen verbunden sind folgende Verschärfungen:
- Erhebliche Ausweitung der Registrierungspflicht: Bislang war im Verpackungsgesetz vorgesehen, dass „Inverkehrbringer“ von mit Ware befüllten Verpackungen, die beim privaten Endverbraucher (Vorsicht! nicht nur der private Haushalt) als Abfall anfallen, sich u.a. bei der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) registrieren lassen müssen. Künftig gilt dies für sämtliche Verpackungen. Und der Begriff Verpackungen ist weitreichend. Z.B. fallen hierunter Kartonagen, Versandverpackungen, Füllmaterial, Etiketten, Paletten etc.
- Elektronische Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister explizit mit aufgenommen: Durch die Novelle wurden nun auch ausdrücklich elektronische Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister einbezogen. Auf diese werden bestimmte Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung ausgedehnt. Beispielweise müssen Fulfillment-Dienstleister und Betreiber von elektronischen Marktplätzen nun sicherstellen, dass Händler, die Waren in systembeteiligungspflichtigen Verpackungen anbieten und ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen, an einem dualen System beteiligt sind. Sofern keine Beteiligung an einem dualen System besteht, darf der Verkauf der Ware nicht ermöglicht werden.
- Verpflichtender Mindestrezyklatanteil und Regelungen zu Mehrweg: Die Novelle schreibt vor, dass zur Verbrauchsminderung von Einwegverpackungen im Bereich von Lebensmitteln und Getränken zum Sofortverzehr Kunden neben der Einwegverpackung immer auch eine Mehrwegalternative anzubieten ist. Soweit auf Einwegverpackungen nicht verzichtet werden kann oder soll, zielt die Novelle des VerpackG auf den Einsatz von Recyclingstoffen ab. Vorgesehen ist erstmals ein verpflichtender Mindestrezyklatanteil für eine bestimmte Verpackungsart. Konkret dürfen nach kurzer Übergangszeit Einwegkunststoffgetränkeflaschen, die hauptsächlich aus Polyethylenterephthalat bestehen, nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn sie einen Mindestrezyklatanteil von 25% aufweisen.
- Bedeutende Ausweitung des „Einwegpfands“: Ferner werden die Regelungen zur Pfandpflicht präzisiert und erweitert und Vorgaben etwa zu den Verpackungen schadstoffhaltiger Füllgüter aktualisiert. Auch hier hat die Novelle erhebliche Auswirkungen bezogen auf Einwegkunststoffgetränkeflaschen. Denn viele der bisher bestehenden Ausnahmen von der Einwegpfandpflicht, die jeweils an den abgefüllten Inhalt anknüpfen, wurden gestrichen. „Einwegpfand“ fällt daher zukünftig beispielsweise auch für in Einwegkunststoffgetränkeflaschen abgefüllten Saft an.
Steuerliche Folgen und Lenkungswirkung
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Plastiksteuern sowie Pflichten nach dem Regelwerk der erweiterten Herstellerverpflichtung in Ergänzung zueinanderstehen. Unternehmen müssen sich mit beiden Abgaben auseinandersetzen, ggfs. fallen Abgaben zu beiden Regimen an. Durch die Novelle des Verpackungsgesetzes können sich auch neue umsatzsteuerliche Fragen ergeben. Je nachdem, wie die Weitergabe von Verpackungsabfällen durch Unternehmen ausgestaltet wird, kann diese als entgeltliche Leistung, tauschähnlicher Umsatz oder unentgeltliche Wertabgabe anzusehen sein. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr kommen neben den einschlägigen umsatzsteuerlichen Themen zollrechtliche Auswirkungen hinzu. So sind bei der Einreihung in die Zollnomenklatur wiederaufbereitete Materialien und Produkte aus dem Recycling-Prozess ggfs. in andere Warennummern einzuordnen. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr können dann auch abweichende Zollsätze anwendbar sein.
Fazit
Im Ergebnis sind alle Beteiligten im Anwendungsbereich der Verpackungsregelungen gut beraten, sich frühzeitig mit den Neuerungen auseinanderzusetzen und z.B. das eigene Vertriebssystem und das der Kunden auf den Prüfstand zu stellen, zumal mit der aktuellen Novelle des Verpackungsgesetzes neue Regelungen in den Fokus der Vollzugsbehörden und der ZSVR rücken. Auch die neuen Plastiksteuern und „Green Taxes“ müssen im Blick behalten werden.