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22.04.2025

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Vergütungen an den Aktionär-Vorstand einer Aktiengesellschaft – Der BFH zieht eine Trennlinie zur GmbH-Rechtsprechung

Vergütungsvereinbarungen mit Gesellschafter-Geschäftsführern zählen zu den klassischen Prüfungsfeldern der Betriebsprüfung – insbesondere in Familiengesellschaften, in denen eine enge personelle Verflechtung zwischen Anteilseignern und Geschäftsleitung besteht. Solche Vereinbarungen werden regelmäßig daraufhin überprüft, ob sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, damit gegen den steuerlichen Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen und infolgedessen eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) darstellen.

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RA/FAStR Dr. Sebastian Löcherbach
ist Associated Partner bei POELLATH in München

Jil Marie Hinrichs
ist wissenschatfliche Mitarbeiterin bei POELLATH in München

1. Vergütung und verdeckte Gewinnausschüttung – ein Risiko in Familienunternehmen

In diesem Zusammenhang hatte sich der BFH jüngst mit Gewinn- und Umsatztantiemen zu befassen, die einem Vorstand einer AG gewährt wurden, der zugleich Minderheitsaktionär dieser AG war (Urteil vom 24.10.2024 – I R 36/22). Der BFH entschied, dass diese Tantiemen nicht ohne Weiteres als vGA qualifiziert werden können. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH entwickelten Maßstäbe nicht unbesehen auf Vorstandsvergütungen in der AG übertragbar sind. Vielmehr seien die strukturellen Unterschiede zwischen GmbH und AG – sowohl abstrakt als auch im konkreten Einzelfall – angemessen zu berücksichtigen.

Das Urteil hat praktische Bedeutung – insbesondere für Familienunternehmen in der Rechtsform der AG, in denen Mitglieder der Unternehmerfamilie in die operative Leitung eingebunden sind.

2. Die Grundsätze zur vGA bei GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern

Die vGA ist ein richterrechtlich geprägtes Instrument zur Missbrauchsvermeidung, das gesetzlich lediglich punktuell normiert ist (vgl. § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d) Satz 4 EStG; § 8b Abs. 1 Satz 2 und 5, Abs. 2 Satz 6 KStG). Entsprechend kommt den Finanzgerichten und der Finanzverwaltung bei der Ausgestaltung der Tatbestandsmerkmale erhebliche Rechtsfortbildungsbefugnis zu. Eine vGA liegt vor, wenn eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung eintritt, die sich auf den steuerlichen Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und nicht im Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.

An diesem Maßstab misst der BFH in gefestigter Rechtsprechung auch die Angemessenheit von Vergütungen an Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Insbesondere bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern gilt eine strenge Kontrollintensität:

  • Die Vergütungsvereinbarung muss im Voraus, schriftlich und eindeutig abgeschlossen worden sein.
  • Die Gesamtvergütung – einschließlich etwaiger Tantiemen – muss dem Maßstab der Fremdüblichkeit entsprechen.
  • Umsatzbezogene Tantiemen ohne Begrenzung gelten regelmäßig als renditeblind und damit unangemessen.

Entscheidend ist stets, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen eine derartige Vereinbarung ebenfalls abgeschlossen hätte.

3. Das Urteil des BFH im Detail: Maßstab, Prüfungsreihenfolge und Einzelfallwürdigung

Im Streitfall war der Alleinvorstand einer AG zugleich Minderheitsaktionär; die beiden übrigen Aktionäre gehörten dem Aufsichtsrat der betreffenden AG an. Dem Vorstand waren eine Gewinntantieme (40% bis 250.000 €, darüber hinaus 10%) sowie eine Umsatztantieme i.H.v. 1% auf Immobilienverkäufe zugesagt. Die Finanzverwaltung qualifizierte die Tantiemen insgesamt als vGA. Das FG Nürnberg (Urteil vom 19.07.2022 – 1 K 1489/20) schloss sich dieser Auffassung unter Verweis auf die BFH-Rechtsprechung zur GmbH an.

Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Zwar sei auch bei Vorstandsvergütungen, die an Aktionäre gezahlt werden, der Fremdvergleich anzustellen. Jedoch, so der BFH mit erfreulicher Deutlichkeit, seien die für GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer entwickelten Grundsätze nicht pauschal auf AG-Vorstände übertragbar. Ausschlaggebend seien die strukturellen Unterschiede zwischen diesen beiden Gesellschaftsformen:

  • Die AG wird gegenüber dem Vorstand nicht durch die Hauptversammlung, sondern den Aufsichtsrat vertreten (§ 112 AktG). Dessen gesetzlich normierte Unabhängigkeit begründet ein eigenständiges Kontrollregime.
  • Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Angemessenheit der Vorstandsvergütung unter Berücksichtigung der Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie der Lage der Gesellschaft sicherzustellen.
  • Demgegenüber kann in der GmbH die Gesellschafterversammlung grundsätzlich frei über die Geschäftsführervergütung entscheiden – ohne institutionalisierte Kontrolle.

Daraus zieht der BFH den Schluss, dass insbesondere bei einem nicht beherrschenden Minderheitsaktionär regelmäßig keine einseitige Interessendurchsetzung zu erwarten ist – es sei denn, konkrete Anhaltspunkte sprechen dagegen. Ist der Aufsichtsrat unabhängig besetzt, so fungiert er als „fremder Dritter“ im Sinne des Fremdvergleichs. Eine Unangemessenheit liegt nur dann vor, wenn sich im Einzelfall eindeutig ergibt, dass sich der Aufsichtsrat einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds orientiert hat – was jedoch nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Denn wirtschaftlich nicht nahestehende Personen verfolgen typischerweise gegenläufige Interessen.

Neben diesen Feststellungen sind zwei weitere Aspekte der Entscheidung bemerkenswert:

  • Auch bei einem Mehrheitsaktionär erkennt der BFH die strukturelle Unabhängigkeit des Aufsichtsrats an. Dies begründet regelmäßig starke Indizien für die Fremdüblichkeit. Eine vGA kann aber dann vorliegen, wenn die vertragliche Gestaltung eindeutig die Interessenlage des Mehrheitsaktionärs widerspiegelt.
  • Ferner stellt der BFH klar, dass umsatzbezogene Tantiemen ohne Deckelung in der AG – anders als bei der GmbH – nicht per se als unangemessen gelten. Maßgeblich sei die unternehmensbezogene Sachentscheidungskompetenz des Aufsichtsrats. Im Streitfall hatte dieser die Tantiemevereinbarung unter Berücksichtigung der Projektrentabilität genehmigt. Eine pauschale Unangemessenheit war somit nicht gegeben.

4. Bedeutung für die Beratungspraxis in Familienunternehmen und Ausblick

Mit seinem Urteil führt der BFH die gesellschaftsrechtlichen Eigenheiten der AG konsequent in die steuerrechtliche Bewertung ein. Für die Gestaltung von Vorstandsvergütungen in Familien-AGs eröffnet dies neue Spielräume: Die Rechtsprechung zur GmbH kann nicht schematisch auf die AG übertragen werden. Wird das Kontrollsystem der AG – insbesondere durch einen funktionierenden und unabhängigen Aufsichtsrat – effektiv umgesetzt, so entfaltet dies entlastende Wirkung im steuerlichen Fremdvergleich.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung künftig voraussichtlich verstärkt die tatsächliche Unabhängigkeit des Aufsichtsrats prüfen wird. Etwaigen Aufgriffsbemühungen ist dabei durch rechtssichere Vertragsgestaltung, qualifizierte Gremienarbeit und eine möglichst lückenlose Dokumentation wirkungsvoll zu begegnen.

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