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12.10.2022

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Verdeckte Gewinnausschüttungen – Augen auf bei Unternehmensspenden an (nahestehende) Stiftungen

Die Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung von Spenden und verdeckten Gewinnausschüttungen führt in der Praxis zu großer Rechtsunsicherheit. Gerade Familienunternehmen bilden ihr gemeinnütziges Engagement häufig über eigene gemeinnützige Stiftungen ab. Da die Nichtanerkennung des Spendenabzugs jedoch erhebliche steuerliche Mehrbelastungen zur Folge hat, sehen Unternehmen zunehmend von Unternehmensspenden ab, sobald das Risiko einer verdeckten Gewinnausschüttung besteht. Mit seiner Entscheidung vom 13.07.2021 (I R 16/18) hatte sich der BFH mit der praxisrelevanten Frage auseinanderzusetzen, ob und inwieweit Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an eine gemeinnützige Stiftung, die von den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft errichtet wurde, einen steuermindernden Abzug zulassen.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

RAin Hannah Roggermaier
Associate bei POELLATH, München

Sachverhalt

Der Entscheidung des BFH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eheleute B und C waren am Stammkapital der spendenden GmbH beteiligt. 2009 gründeten sie als einzige Stifter die gemeinnützige A-Stiftung. Deren Zweck ist die Förderung von Kunst und Kultur. Dieser Zweck sollte dadurch verwirklicht werden, dass die von den Eheleuten eingebrachte Kunstsammlung gepflegt und als Dauerleihgabe der Galerie in X zur Verfügung gestellt wird. Vorsitzender des Stiftungsvorstands ist D. Weitere Vorstandsmitglieder sind die Eheleute.

Seit 2009 spendeten die Eheleute wertvolle Kunstwerke an die A-Stiftung und machten diese Sachspenden im Rahmen ihrer persönlichen Einkommensteuererklärung unter Ausschöpfung der Spendenhöchstbeträge nach § 10b EStG als Sonderausgaben geltend. Fortan spendete die GmbH ebenfalls Kunstwerke an die Stiftung und machte diese als Sachspenden im Rahmen ihrer Körperschaftsteuererklärung geltend.

Das Finanzamt qualifizierte die Sachspenden der GmbH als verdeckte Gewinnausschüttungen an die Eheleute B und C. Das FG Köln wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Die gegen das Urteil des FG eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.

Entscheidung: Die Sachspenden der GmbH sind verdeckte Gewinnausschüttungen zugunsten der Gesellschafter

Verdeckte Gewinnausschüttungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Vermögensminderungen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, sich auf den Unterschiedsbetrag gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirken und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle wurde die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft

  • ihrem Gesellschafter oder
  • einer diesem nahestehenden Person

einen Vermögensvorteil zugewendet hat, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.

Nach Ansicht des BFH ist das „Nahestehen“ lediglich ein Indiz für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Zu dessen Begründung reiche jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Ein mit der Zuwendung verbundener Vorteil für den Gesellschafter sei nicht notwendige Voraussetzung der indiziellen Wirkung des Nahestehens. Ein solches zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führendes Näheverhältnis könne auch zu einer gemeinnützigen Stiftung als Zuwendungsempfängerin bestehen.

Die Schlussfolgerung des FG Köln, dass die GmbH die in Rede stehende Spende aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen geleistet hat, ist nach Auffassung des BFH revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat vor allem folgende Anhaltspunkte für ein Näheverhältnis der Eheleute zur A-Stiftung gesehen:

  • Gründung der A-Stiftung durch die Eheleute als einzige Stifter
  • Bestimmung der Geschicke in der A-Stiftung durch die Eheleute als Vorstandsmitglieder (trotz fehlender Stimmenmehrheit der Eheleute im Vorstand)
  • Eigene Spendenaktivität der Eheleute zugunsten der A-Stiftung
  • Umfang der Spendenaktivität der A-Stiftung im Vergleich zu Spenden an andere gemeinnützige Organisationen (sog. Fremdspendenvergleich)

Rechtsfehlerfrei seien auch die Erwägungen zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Ein Vorgang sei bereits dann geeignet, einen sonstigen Bezug bei einem Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft auszulösen, wenn eine dem Anteilseigner nahestehende Person aus einer Vermögensverlagerung einen Nutzen zieht. Bei einer gemeinnützigen Stiftung liege ein solcher Nutzen vor, wenn sie durch eine erfolgte Vermögensverlagerung in die Lage versetzt wird, ihrem Satzungszweck nachzugehen. Es müsse also kein Vorteil beim Gesellschafter eintreten. Vielmehr sei der Vorteil bei der nahestehenden Person aufgrund des Näheverhältnisses dem Gesellschafter zuzurechnen.

Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung

Die Qualifizierung einer Unternehmensspende als verdeckte Gewinnausschüttung hat zur Folge, dass die vermeintliche Unternehmensspende dem Unternehmensgewinn wieder hinzuzurechnen ist. Sie erhöht somit den steuerlichen Gewinn und die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und den Solidaritätszuschlag, so dass eine steuerliche Belastung von rund 30% ausgelöst wird. Auf Gesellschafterebene sind verdeckte Gewinnausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern, die grundsätzlich dem Abgeltungssteuersatz von 25% unterliegen. Unter Umständen kann auch eine (versuchte) Steuerhinterziehung vorliegen.

Nach wie vor höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage, ob in diesen Fällen der Gesellschafter anstelle der Gesellschaft die vorgenommene Spende als Sonderausgaben in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen kann. Ein Spendenabzug setzt schließlich das Vorliegen einer auf den Zuwendenden ausgestellten (!) Zuwendungsbestätigung voraus. Da die Zuwendungsbestätigung in den Fällen einer verdeckten Gewinnausschüttung auf die Gesellschaft ausgestellt ist, scheidet der Spendenabzug grundsätzlich aus. Teilweise wird jedoch die Gewährung des Spendenabzugs aus Billigkeitsgründen gefordert. Hierüber hatte der BFH im Besprechungsfall jedoch nicht zu entscheiden.

Kritik

Die Entscheidung des BFH verfestigt die bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung von Spenden und verdeckten Gewinnausschüttungen. In der Praxis stellen sich aber weiterhin viele Probleme.

1.            Keine eindeutigen Kriterien für „durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste“ Spenden

Zu begrüßen ist zwar, dass für die Abgrenzung nicht allein auf den sog. Fremdspendenvergleich abgestellt wird, sondern ein besonderes Näheverhältnis vorausgesetzt wird. Die Anhaltspunkte, die nach der Rechtsprechung ein besonderes Näheverhältnis begründen, sind jedoch zu umfangreich und wenig praxistauglich. In einem früheren Verfahren wurde sogar dem Tragen des Namens der Stiftung (!) indizielle Wirkung beigemessen. Die Praxis sieht sich mit einem Katalog von Anhaltspunkten für ein besonderes Näheverhältnis konfrontiert, der mit dem Besprechungsfall noch einmal um das Kriterium der Gründung einer Stiftung durch die Gesellschafter erweitert wurde. Der umfangreiche Katalog von Anhaltspunkten hat zur Folge, dass in einer Vielzahl von Spenden eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt oder zumindest droht. Eine Abgrenzung erscheint nur schwer möglich.

2.            Gemeinnützige Stiftung als nahestehende Person

Zur Begründung des Näheverhältnisses reicht nach Auffassung der Rechtsprechung jede Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein.

Die Auffassung des BFH, wonach ein Näheverhältnis auch zwischen einem Stifter und einer gemeinnützigen Stiftung bestehen kann, lässt sich nur schwer nachvollziehen, insbesondere wenn die Stifter wie im Besprechungsfall noch nicht einmal die Stimmenmehrheit im Stiftungsvorstand haben und daher keinen Einfluss auf die Willensbildung in der Stiftung haben. Einem Stifter kommt keine mit einem Gesellschafter vergleichbare Stellung zu, da der Stiftung kein Personenverband zugrunde liegt und der Stifter ohne eigene Stellung als Destinatär auch keine Zuwendungen aus der Stiftung erhält. Nach der weiten Auslegung des BFH hängt ein Näheverhältnis jedoch gerade nicht von einer Beteiligung oder Mitgliedschaft des Anteilseigners an der Stiftung oder dessen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung ab. Vielmehr genüge jede Beziehung (!) zwischen einem Gesellschafter und einer Stiftung, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung an die Stiftung beeinflusst. Diese weite Auslegung des Näheverhältnisses führt in der Praxis zu großer Rechtsunsicherheit.

Gegen die Annahme einer gemeinnützigen Stiftung als nahestehende Person spricht außerdem das gemeinnützigkeitsrechtliche Begünstigungsverbot, wonach die Stiftung keine Person durch Ausgaben, die ihrem Zweck fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen darf. Zuwendungen im spendenrechtlichen Sinn kommen überdies nicht der Stiftung selbst zugute, sondern dem gemeinnützigen Zweck der Stiftung. Somit wird letztlich nicht der gemeinnützigen Stiftung oder einer sonstigen Person ein Vorteil verschafft, sondern vielmehr der Allgemeinheit. Gemeinnützige Stiftungen unterscheiden sich daher grundlegend von sonstigen „nahestehenden Personen“.

3.            Vorteilseignung

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss der Vorgang außerdem geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (sog. Vorteilseignung).

Der BFH sah die Erwägungen des FG Köln zur Vorteilseignung als rechtsfehlerfrei an. Danach sei die Vorteilseignung zunächst zu bejahen, weil die A-Stiftung durch die Zuwendung die von den Eheleuten angestrebte (zusätzliche) Förderung erhielt, ohne dass die Eheleute selbst dafür Mittel aufwenden mussten. Dass die Eheleute eine zusätzliche Förderung anstrebten, ist dabei jedoch eine reine Vermutung. Allein aufgrund des bisherigen Spendenverhaltens der Eheleute lässt sich nicht auf eine weitere Spendenmotivation schließen. Nach Ansicht des BFH reiche es aber ohnehin aus, wenn die dem Gesellschafter nahestehende Person (!) aus der Vermögensverlagerung einen Nutzen zieht, welche dem Gesellschafter zuzurechnen sei. Bei einer gemeinnützigen Stiftung liege ein solcher Nutzen u.a. vor, wenn sie durch die Vermögensverlagerung in die Lage versetzt wird, ihrem Satzungszweck nachzugehen, was in dem vom FG Köln zu entscheidenden Fall durch die Übertragung des Eigentums an den Kunstwerken der Fall sei. Die Vorteilszurechnung führt in der Praxis zu einer Ausuferung der Fallkonstellationen, in denen eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt bzw. zumindest droht.

Fazit

Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen Spenden zu ermöglichen. Damit soll gemeinnütziges Engagement aus der Gesellschaft in die Unternehmen getragen werden. Dies ist aber nur noch bedingt möglich, denn sobald ein gesteigertes persönliches Interesse an einer gemeinnützigen Organisation existiert, besteht die Gefahr einer verdeckten Gewinnausschüttung. Zwar betont der BFH, dass ein Näheverhältnis bzw. eine Veranlassung einer Spende durch das Gesellschaftsverhältnis nicht bereits dann angenommen werden könne, wenn sich ein Gesellschafter mit den Zielen des Begünstigten identifiziert. Die Grenzen lassen sich jedoch nur schwer ziehen. Die Rechtsprechung steht damit im Widerspruch zu der zunehmenden Forderung nach sozialer Verantwortung und ehrenamtlichen Engagements von Unternehmen.

Konsequent wäre es, wie Hüttemann fordert, den Vorbehalt der verdeckten Gewinnausschüttung ganz zu streichen (wie z.B. in Österreich), wobei gegebenenfalls auch eine Spendenhöchstgrenze eingeführt werden könnte. Bis zu einer Änderung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG wird sich die Praxis allerdings mit der mühsamen Abgrenzung von verdeckten Gewinnausschüttungen und Spenden auseinandersetzen müssen.


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