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11.06.2025

Steuerboard

Veräußerungsgewinn bei teilentgeltlicher Übertragung einer Immobilie gegen Darlehensübernahme

Die lebzeitige Übertragung privat gehaltener Immobilien ist ein gerne gewählter Weg für die Übertragung von Vermögen zur vorweggenommenen Erbfolge. Dabei besteht i.d.R. der Wunsch, die Immobilie einkommen- und schenkungsteuerfrei zu übertragen. Ob dies gelingt, hängt u.a. davon ab, ob und inwieweit der Übertragungsvorgang unentgeltlich oder entgeltlich erfolgt. Besonderes Augenmerk erfordern dabei Fälle, in denen eine teilentgeltliche Übertragung vorliegt. In der Praxis sind solche teilentgeltlichen Übertragungsvorgänge oftmals in der Mitübernahme einer Darlehensverbindlichkeit durch den Erwerber begründet. Dabei gehen die Beteiligten regelmäßig von einem einkommensteuerfreien Vorgang aus, wenn der Wert der übernommenen Darlehensverbindlichkeit unter dem Wert der Immobilie liegt und der Übertragende auf den ersten Blick keinen Gewinn erzielt hat. Wie das am 30.05.2025 veröffentlichte Urteil des BFH vom 11.03.2025 (IX R 17/24) zeigt, können jedoch auch in einem solchen Fall einkommensteuerpflichtige Veräußerungsgewinne entstehen.

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RAin Caroline Ruschen
ist Senior Associate bei POELLATH in Frankfurt/M.

I. Hintergrund

Zu den einkommensteuerpflichtigen sonstigen Einkünften gehören u.a. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG). Im Fall der Übertragung einer Immobilie liegt ein solches privates Veräußerungsgeschäft grds. nur dann vor, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre liegen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Nach Ablauf dieser sogenannten Spekulationsfrist ist die Veräußerung der Immobilie einkommensteuerfrei möglich.

Wird die Immobilie noch innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist und voll entgeltlich übertragen, unterliegt der daraus entstehende Veräußerungsgewinn insofern der Einkommensteuer bei dem Übertragenden. Als Entgelt kommt dabei jede Form der Gegenleistung in Betracht. Neben einer einfachen Kaufpreiszahlung kann die Gegenleitung auch in der Übernahme einer Darlehensschuld durch den Erwerber liegen. Ein Veräußerungsgewinn ergibt sich sodann aus der Differenz zwischen dem erzielten Veräußerungspreis und den Anschaffungskosten für die übertragene Immobilie.

Erfolgt die Übertragung der Immobilie dagegen voll unentgeltlich, wird dem Erwerber die Anschaffung durch den Vorgänger zugerechnet (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). Da er insoweit auch die Anschaffungskosten übernimmt, entsteht kein Gewinn. Der unentgeltliche Vorgang unterliegt daher nicht der Einkommensteuer, sondern je nach Einzelfall und den jeweiligen Freibeträgen der Schenkungsteuer.

Komplexer wird die Beurteilung in solchen Fällen, in denen der Wert der Gegenleistung hinter dem Verkehrswert der Immobilie zurückbleibt. Es handelt sich aus einkommensteuerlicher Sicht um eine sogenannte teilentgeltliche Übertragung. Soweit dabei ein Wirtschaftsgut aus dem Privatvermögen übertragen wird, ist der Vorgang nach herrschender Meinung entsprechend der sogenannten strengen Trennungstheorie in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil aufzuteilen. Die Aufteilung erfolgt nach dem Verhältnis der Gegenleistung zu dem Verkehrswert (Entgeltlichkeitsquote). Jeder der beiden Bestandteile ist sodann getrennt für sich steuerlich zu beurteilen. Diese Aufteilung nach der strengen Trennungstheorie hat für den Steuerpflichtigen zur Folge, dass bei Ermittlung des eventuellen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns die Gegenleistung nicht den gesamten Anschaffungskosten gegenübergestellt wird. Die gesamte Gegenleistung wird stattdessen nur den anteiligen Anschaffungskosten gegenübergestellt, soweit sie der Entgeltlichkeitsquote entsprechen. So kann ein rechnerischer steuerlicher Veräußerungsgewinn entstehen, obwohl die Gegenleistung niedriger als die Anschaffungskosten der Immobilie ist.

Vereinzelt wird dieses Ergebnis abgelehnt und stattdessen eine teleologische Reduktion oder verfassungskonforme Auslegung bei Übertragung privater Wirtschaftsgüter vertreten. Nach den Vertretern dieser Ansicht könne nur dann überhaupt ein (teil-)entgeltlicher Veräußerungsvorgang i.S.d. § 23 EStG vorliegen, wenn die Gegenleistung über den historischen Anschaffungskosten liege. Im Kontext der Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen wird zudem teilweise eine sogenannte modifizierte Trennungstheorie vertreten, wonach zwar dem Grunde nach eine Aufteilung zu erfolgen habe, jedoch der Buchwert bis zu der Höhe der Gegenleistung dem entgeltlichen Teil der Übertragung zugerechnet werde und so kein rein „fiktiver“ Gewinn entstehen könne. Die Anwendung der modifizierten Trennungstheorie ist umstritten. Für die Übertragung von im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteilen lehnte der BFH die Anwendung der modifizierten Trennungstheorie für Zwecke des § 17 EStG allerdings bereits ab und gab zu erkennen, dass in Fällen von §§ 17, 20 und 23 EStG eine einheitliche Betrachtung nach der strengen Trennungstheorie zu erfolgen habe (Urteil vom 12.12.2023 – IX R 15/23).

In diesem Spannungsverhältnis erging nun das Urteil des BFH vom 11.03.2025 (IX R 17/24), in welchem der BFH zu der Anwendung der Trennungstheorie im Kontext von § 23 EStG bei teilentgeltlicher Übertragung einer privat gehaltenen Immobilie zur vorweggenommenen Erbfolge Stellung bezog.

II. Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt erwarb der Kläger bzw. Revisionsbeklagte (Kläger) teilweise fremdfinanziert ein bebautes und vermietetes Grundstück, welches er in seinem Privatvermögen hielt. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 143.950 €. Fünf Jahre nach seinem Erwerb übertrug der Kläger die Immobilie auf seine Tochter. Ein Kaufpreis wurde nicht vereinbart. Seine Tochter übernahm jedoch die in diesem Zeitpunkt noch bestehende Darlehensverbindlichkeit des Klägers i.H.v. 115.000 €, welche deutlich unter dem Verkehrswert der Immobilie i.H.v. 210.000 € lag.

Das Finanzamt teilte den Vorgang entsprechend der strengen Trennungstheorie auf, wobei es von einer Entgeltlichkeitsquote i.H.v. 54,76% ausging. Dementsprechend ordnete es die Anschaffungskosten des Klägers anteilig i.H.v. 78.828 € (54,76% x 143.950 €) dem entgeltlichen Teil der Übertragung zu. Diesen anteiligen Anschaffungskosten stellte das Finanzamt die gesamte Gegenleistung der Darlehensübernahme i.H.v. 115.000 € gegenüber, sodass sich bezogen auf den entgeltlichen Teil der Übertragung unter Berücksichtigung von Absetzung für Abnutzung (AfA) usw. ein Veräußerungsgewinn von über 40.000 € ergab. Diesen Veräußerungsgewinn behandelte das Finanzamt als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft des Klägers i.S.d. § 23 EStG.

Der gegen die Einkommensteuerfestsetzung gerichtete Einspruch des Klägers bliebt erfolglos. Vor dem FG Niedersachsen bekam der Kläger allerdings zunächst Recht. Das FG sah in der gesamten Übertragung der Immobilie keinen Veräußerungsvorgang i.S.d. § 23 EStG. Dieser sei teleologisch zu reduzieren, soweit es sich um eine Übertragung zur vorweggenommenen Erbfolge handele. Es könne nicht zu einer steuerpflichtigen Gewinnrealisation kommen, da der Wert der Gegenleistung unter dem Wert der historischen Anschaffungskosten liege. Ohne die teleologische Reduktion komme es bei dem Kläger zu der Besteuerung von Gewinnen, ohne dass ihm tatsächlich Mittel zugeflossen seien. Es handele sich insofern um lediglich fiktive Gewinne. Das FG gab der Klage daher statt. Dagegen wandte sich das Finanzamt mit seiner dem BFH-Urteil zugrunde liegenden Revision.

III. Entscheidung des BFH

Der BFH hielt die Revision des Finanzamts für begründet und hob die Entscheidung des FG Niedersachsen auf. Dabei bestätigte der BFH erneut die Anwendung der strengen Trennungstheorie für die teilentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens:

1. Strenge Trennungstheorie entspreche dem Gesetz
Zunächst stellt der BFH ähnlich wie bereits in seinem Urteil aus 2023 (s.o.) fest, dass die strenge Trennungstheorie aus dem Gesetzeswortlaut von § 23 EStG folge, welcher keine abweichende Auslegung zulasse. § 23 EStG differenziere ausdrücklich zwischen voll entgeltlicher (Abs. 1 Satz 1) und voll unentgeltlicher Übertragung (Abs. 1 Satz 3). Nur der voll entgeltliche Teil der Übertragung könne eine Veräußerung i.S.d. § 23 EStG darstellen und sei daher für sich zu betrachten. Liege ein gemischter Vorgang vor, müsse daher die Aufteilung des Vorgangs erfolgen. Diese Sichtweise entspreche sowohl der einhelligen Meinung im Schrifttum, der ständigen Rechtsprechung sowie der Handhabung der Finanzverwaltung zur teilentgeltlichen Übertragung von privaten Wirtschaftsgütern.

2. Keine teleologische Reduktion
Auch eine teleologische Reduktion lehnt der BFH ab. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine verdeckte oder planwidrige Regelungslücke vorliege. Ebenso wenig seien Anhaltspunkte erkennbar, dass von den privaten Veräußerungsgeschäften des § 23 EStG nur vollentgeltliche Übertragungen erfasst werden sollten. Das Gesetz spreche ausdrücklich sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Übertragungen innerhalb des § 23 EStG an.

3. Unbeachtlichkeit subjektiver Vorstellungen
Dass der Kläger und seine Tochter im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von einer insgesamt unentgeltlichen Übertragung ausgegangen seien, spiele keine Rolle. Für die Feststellung steuerpflichtiger Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 EStG komme es allein auf die objektiven Besteuerungsmerkmale an. Subjektive Vorstellungen der Beteiligten seien insoweit unbeachtlich.

4. Kein Vergleich mit der Rechtslage für Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen
Die Heranziehung der für Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen teilweise vertretenen modifizierten Trennungstheorie lehnt der BFH sodann ebenfalls ab und verweist dabei auf seine Argumentation aus 2023 im Kontext von § 17 EStG. Danach seien die Sachverhalte im Betriebsvermögen und im Privatvermögen nicht vergleichbar, sodass eine Übertragung der teilweise im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ergangenen Rechtsprechung zur modifizierten Trennungstheorie nicht möglich sei. Beide Normen verfolgten wesentlich unterschiedliche Zwecke.

5. Kein Risiko der Doppelbesteuerung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer
Zu dem Risiko einer konkreten Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer konnte der BFH mangels Feststellungen durch das FG keine Ausführungen machen. Unabhängig davon sah er auch abstrakt kein Risiko einer Doppelbelastung. Im Erb- und Schenkungsteuerrecht werde die Übernahme der Verbindlichkeit als entgeltliches Element behandelt und insoweit von dem steuerpflichtigen Erwerb abgezogen. In die Bemessungsgrundlage der Erb- und Schenkungsteuer gehe daher nur der ohnehin unentgeltliche Teil der Übertragung ein, welcher nicht der Einkommensteuer unterworfen werde. Das Risiko einer Doppelbelastung bestehe daher nicht.

IV. Ausblick

Mit seinem Urteil bestätigt der BFH erneut die Anwendung der strengen Trennungstheorie für teilentgeltliche Übertragungen aus dem Privatvermögen und führt damit konsequent seine Argumentation aus 2023 fort. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei teilentgeltlichen Immobilienübertragungen innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist besonderes Augenmerk auf die einkommensteuerlichen Folgen gelegt und der Ablauf der Spekulationsfrist soweit möglich und gewünscht abgewartet werden sollte. Für Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen bleibt es weiterhin umstritten, ob bei teilentgeltlicher Übertragung die modifizierte Trennungstheorie zur Anwendung kommt.

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