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06.04.2022

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Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen gem. § 17 EStG – Voraussetzungen für steuerlichen „Step-Up“ im Zuzugsfall

Halten Steuerpflichtige in ihrem Privatvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften von mindestens einem Prozent, so unterliegen sie im Veräußerungsfall den Regelungen des § 17 EStG und dem Teileinkünfteverfahren. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns erfolgt dabei vereinfachend durch Abzug der historischen Anschaffungskosten vom Veräußerungspreis (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der BFH hat nun erstmals einen Fall zu den Voraussetzungen einer Erhöhung der Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG entschieden (Urteil vom 26.10.2021 ­ - IX R 13/20, DB 2022 S. 305).

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

StB Mareike Krämer, LL.M.
Senior Associate bei POELLATH, Frankfurt/M.

Ausgangslage

Eine Ermittlung des Veräußerungsgewinns durch Gegenüberstellung des Veräußerungspreises mit den historischen Anschaffungskosten würde ohne weitere Regelungen bedeuten, dass Anteilseigner, die nach Deutschland ziehen und hier unbeschränkt steuerpflichtig werden, mit den bereits im Ausland entstandenen stillen Reserven sowohl im Zuzugsstaat Deutschland als auch im Wegzugsstaat einem Besteuerungsrecht ausgesetzt sein können. Damit besteht das Risiko einer Doppelbesteuerung der im Ausland entstandenen stillen Reserven.

Um dies zu vermeiden, ist § 17 EStG mit dem SEStEG vom 07.12.2006 so ergänzt worden, dass im Veräußerungsfall eine Erhöhung der Anschaffungskosten (steuerlicher „Step-Up“) erfolgt, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass ihm die Anteile

  • bereits bei Zuzug zuzurechnen waren und
  • ein vor dem Zuzug entstandener Vermögenszuwachs im Wegzugsstaat einer Steuer „unterlegen hat“, die mit der deutschen Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG vergleichbar ist (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG).

An die Stelle der ursprünglichen Anschaffungskosten tritt dann der Wert, den der Wegzugsstaat „bei der Berechnung“ der dortigen Steuer angesetzt hat (sog. Wertverknüpfung), höchstens der gemeine Wert. Zu den Voraussetzungen einer Erhöhung der Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG hat sich nun erstmals der BFH geäußert (Urteil vom 26.10.2021 ­ – IX R 13/20, DB 2022 S. 305).

Sachverhalt

Im Jahr 1998 hatte der spätere Kläger in den Niederlanden eine B.V. (Kapitalgesellschaft) gegründet, deren Alleingesellschafter er war. Im Jahr 2006 verzog er aus den Niederlanden nach Deutschland. Im Jahr 2016 veräußerte er die stets im Privatvermögen gehaltene Beteiligung.

Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns saldierte er den Veräußerungserlös von rd. 1,4 Mio. €. nicht mit dem Stammkapital in Höhe von 18.000 € (historische Anschaffungskosten), sondern mit dem Wert der Anteile im Zuzugszeitpunkt von rd. 1,1 Mio. € (erhöhte Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG). Zudem wurden unstreitige nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt.

Von Bedeutung für den Fall ist, dass die niederländischen Finanzbehörden versehentlich keinen Feststellungsbescheid über den Wert des Anteils im Wegzugszeitpunkt (sog. Konservierungsbescheid) erteilt hatten. Die darauf entfallende Steuer hätte ermittelt und festgesetzt werden müssen, auch wenn keine sofortige Besteuerung erfolgt wäre, sondern eine zehnjährige Stundung mit anschließender Erlassmöglichkeit hätte gewährt werden können. Als dieses Versehen im Streitjahr bemerkt wurde, bescheinigte die niederländische Finanzbehörde, dass bei Wegzug „der Wert der Anteile an der B.V. ermittelt“ und dabei ein Wert von 1,1 Mio. € „festgelegt“ worden sei (vgl. BFH vom 26.10.2021 – IX R 13/20, Rn. 3).

Das Finanzamt setzte im Einkommensteuerbescheid 2016 bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nur das Stammkapital als (historische) Anschaffungskosten an und gewährte keinen „Step-Up“ der Anschaffungskosten auf den Wert zum Zuzugszeitpunkt. Begründet wurde dies damit, dass eine tatsächliche Steuerzahlung Voraussetzung für die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG sei.

Einspruch und Klage wurden jeweils als unbegründet zurückgewiesen

Den Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid lehnte das Finanzamt ab. Da kein Steuerbescheid über die Durchführung der Besteuerung im Wegzugsstaat vorgelegt worden und keine Besteuerung in den Niederlanden erfolgt sei, sei auch eine Doppelbesteuerung bei Ansatz der historischen Anschaffungskosten ausgeschlossen.

Die anschließende Klage beim Finanzgericht wurde ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen (vgl. FG Düsseldorf vom 01.07.2020 – 7 K 2991/19 E, DStR 2020 S. 1480). Mangels Festsetzung und insbesondere mangels Zahlung einer Steuer im Wegzugsstaat könne die Voraussetzung, dass der Vermögenszuwachs einer Steuer „unterlegen“ habe, nicht als erfüllt angesehen werden. Dies entspräche auch der herrschenden Literaturmeinung.

BFH zu den Voraussetzungen der Erhöhung der Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG

Letztendlich wies auch der BFH die Revision als unbegründet zurück.

Der BFH konzentrierte seine Begründung zunächst auf den Gesetzeswortlaut. Das Finanzgericht habe zu Recht den Abzug erhöhter Anschaffungskosten verwehrt, auch wenn grundsätzlich ein Fall des § 17 EStG nach Zuzug aus dem Ausland vorliege. Der Vermögenszuwachs habe im Wegzugstaat aber keiner § 6 AStG vergleichbaren Steuer „unterlegen“.

Tatsächliche Steuerzahlung sei keine Voraussetzung für „Step-Up“

Anders als das Finanzamt und das Finanzgericht forderte der BFH nicht, dass eine Steuer im Ausland festgesetzt und gezahlt worden sein müsse. Die gesetzliche Formulierung sei nicht eindeutig, der Gesetzgeber verwende sie aber in Bezug auf „steuerbare“ und nicht nur „tatsächlich besteuerte“ Vorgänge. Umgekehrt seien die Begriffe „festgesetzte“, „gezahlte“ und „erhobene“ ausländische Steuer gebräuchlich, wenn es auf die tatsächliche erfolgte Besteuerung ankäme.

Anknüpfung an Entstrickungswert erfordert Steuerbescheid mit „Berechnung“ und „Festsetzung“

Der Gesetzeswortlaut sieht in der Rechtsfolge des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG eine Anknüpfung an den Entstrickungswert vor, der im Wegzugsstaat bei der „Berechnung“ der mit § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt wurde. Erforderlich sei daher immerhin, dass im Wegzugsstaat ein Steuerbescheid ergangen sei, der eine Berechnung und Festsetzung der Steuer enthalte. Dies sei nicht erfüllt.

Der BFH lehnte es ab, das von den niederländischen Finanzbehörden angefertigte Bestätigungsschreiben über den Steuerwert bei Wegzug einem Steuerbescheid gleichzustellen. Nur so hätte der Fehler der niederländischen Behörden ggf. als „Festsetzung“ umgedeutet und damit eine Erhöhung der Anschaffungskosten ermöglicht werden können.

Unterschied zur Zugangsbewertung von Betriebsvermögen

Anders als im Falle einer erstmaligen Steuerverstrickung von Betriebsvermögen, für den § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG den Ansatz des gemeinen Wertes anordne, regele § 17 EStG gerade keine Zugangsbewertung für im Privatvermögen gehaltene Anteile. Bei Betriebsvermögen werden im Ausland entstandene stille Reserven von einer inländischen Besteuerung verschont (vgl. Ehlermann/Müller, ISR 2013 S. 47). Im Privatvermögen sei die Regelung anders konzeptioniert, so dass auf die tatsächliche Schlussbesteuerung im Ausland abgestellt werden könne.

Auslegung im Einklang mit Doppelbesteuerungsabkommen

Diese Auslegung stehe auch im Einklang mit Art. 13 Abs. 6 DBA Niederlande 2012. Die Vorschrift gewähre dem Wegzugsstaat zwar die Möglichkeit die Besteuerung durchzuführen, führe aber nicht zu einer Verpflichtung. Im Fall der Besteuerung in den Niederlanden sei Deutschland als Zuzugsstaat daran gebunden den im Ausland erzielten Wertzuwachs nicht erneut zu besteuern. Im Urteilsfall sei es aber gerade nicht zu einer Besteuerung gekommen, weshalb Deutschland ein vollumfängliches Besteuerungsrecht habe.

Keine Hinweise auf Anforderungen an ausländische Wegzugssteuer

Nicht thematisiert wurden die Voraussetzungen, die eine Steuer im Ausland erfüllen muss, um mit den Regelungen des § 6 AStG vergleichbar zu sein. Die Vergleichbarkeit der niederländischen Wegzugssteuer mit den Regelungen des § 6 AStG war vom Finanzgericht ohne Zweifel angenommen worden (vgl. FG Düsseldorf vom 01.07.2020 – / K 2991-19 E, Rn. 17, Hinweis auf Engers/Stevens, in: Wassermeyer, DBA, DBA-NL 2012, Art. 13 Rn. 66f.). Der BFH war im Revisionsverfahren an diese Feststellung gebunden.

Fazit

Auch wenn der Verfahrensfehler den Urteilsfall als einen Einzelfall erscheinen lässt, können Zuzügler aus den gesetzlichen Regelungen und dem Urteil Erkenntnisse für die Zuzugsplanung mitnehmen:

  • Auch Wertsteigerungen, die vor dem Zuzug entstanden sind, können grundsätzlich nach dem Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland besteuert werden.
  • Erst mit Erhalt eines Steuerbescheides unter Festsetzung und Berechnung einer vergleichbaren Wegzugsteuer im Wegzugsstaat können die Voraussetzung für die Gewährung eines steuerlichen „Step-Ups“ im Inland erfüllt werden.
  • Die tatsächliche Zahlung einer Steuer im Ausland ist für den „Step-Up“ nicht erforderlich. Auf eine Doppelbesteuerung im Sinne einer drohenden doppelten Steuerzahlung kommt es nicht an. Auch die Stundung oder ein Erlass der Steuer im Wegzugsstaat ermöglichen die Erhöhung der Anschaffungskosten im Veräußerungsfall.
  • Die Nachweispflicht für die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG trifft den Steuerpflichtigen. Ohne Nachweis sind die historischen Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns anzusetzen. Der BFH stellt im Urteil klar, dass das Finanzamt zu einer selbstständigen Überprüfung berechtigt und nicht an die ausländischen Feststellungen gebunden ist (mit Verweis auf Gosch, in: Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 17 Rn. 81).
  • Neben dem Nachweis der Besteuerung im Wegzugsstaat ist auch die bereits im Zuzugszeitpunkt bestehende Zurechnung des Anteils zu belegen.

Das Urteil macht deutlich, dass auf eine frühzeitige Sicherstellung hinreichender Dokumentation zu achten ist – unabhängig davon, ob im Zuzugszeitpunkt eine Veräußerung oder ein Weiterzug geplant sind. Vor dem Zuzug sollten die stillen Reserven in vorhandenen Kapitalgesellschaftsanteilen, die prognostizierte Wertentwicklung und Veräußerungsabsichten sowie die Wegzugsbesteuerung im Ausland beurteilt werden, um Gestaltungspotential (z.B. eine Überführung in Betriebsvermögen, Ausnutzung von Steuersatzvorteilen) noch vor der Begründung des deutschen Besteuerungsrechts erkennen und nutzen zu können.


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