09.01.2025

Arbeitsrecht, Meldung

Ursachen für Rekordkrankenstand

Eine neue Analyse der DAK-Gesundheit zeigt die Ursachen für den anhaltenden Rekordkrankenstand in Deutschland. Bei den Fehltagen gab es erstmals einen sprunghaften Anstieg um fast 40 %.

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Ein Grund für die Steigerung der Krankenstände ist ein neues elektronisches Meldeverfahren, wodurch Arzt-Atteste zur Arbeitsunfähigkeit automatisch bei den Krankenkassen eingehen. Laut DAK-Studie beträgt der Meldeeffekt – je nach Diagnose – rund 60 % und mehr. Ein Drittel der zusätzlichen Fehltage ergibt sich seit 2022 zudem durch verstärkte Erkältungswellen und Corona-Infektionen. Das sind zentrale Ergebnisse der Sonderanalyse zum Rekordkrankenstand. Laut Studie führt die neue Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung nicht zu vermehrten Fehltagen. Auch das sogenannte Blaumachen betreiben nach eigenen Angaben nur wenige Beschäftigte. DAK-Vorstandschef Andreas Storm fordert mit Blick auf die Ergebnisse eine offene Debatte über die tatsächlichen Ursachen des Krankenstandes und warnt vor einer Misstrauenskultur in der Arbeitswelt.

Im Auftrag der Krankenkasse hat das IGES Institut die Daten von 2,4 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten aus den Jahren 2019 bis einschließlich 2023 ausgewertet und bundesweit mehr als 7.000 Erwerbstätige repräsentativ durch FORSA befragt.

Tatsächliche Ursachen der Rekordkrankenstände

Insgesamt stieg von 2021 auf 2022 die Anzahl der Fehltage der DAK-versicherten Beschäftigten um 37,6 % deutlich an. Bezogen auf 100 Versicherte waren es von einem auf das andere Jahr 546 Ausfalltage mehr. Die Anzahl durchschnittlicher Fehltage pro Kopf und Jahr stieg von etwa 15 Tagen in früheren Jahren auf rund 20 Tage an und verharrt seitdem auf diesem hohen Niveau. „Wir brauchen eine offene Debatte über die tatsächlichen Ursachen der Rekordkrankenstände und müssen die wachsende Misstrauenskultur in der Arbeitswelt eindämmen“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Unsere Studie zeigt, dass weder die telefonische Krankschreibung noch das Blaumachen die wirklichen Gründe für den sprunghaften Anstieg sind. Entscheidend ist vor allem ein statistischer Effekt, verursacht durch die neue elektronische Erfassung der Krankschreibungen. Und auch die Erkältungswellen haben nachweislich eine große Rolle gespielt.“ 

Deutliche Effekte des neuen elektronischen Meldeverfahrens

Spätestens seit Anfang 2022 gehen Krankschreibungen von den Arztpraxen direkt an die Krankenkassen und müssen nicht mehr von den Versicherten selbst eingereicht werden. In der neuen DAK-Analyse zeigt das IGES Institut, dass die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz eAU) ein wichtiger Treiber für den Rekordkrankenstand ist. Das zeigt sich nicht nur bei den mengenmäßig besonders relevanten Erkältungen, sondern auch bei anderen leichten Erkrankungen wie zum Beispiel Bauchschmerz. Für die Studie wurden die ambulanten Daten der Kasse von 2019 bis 2023 untersucht. Mit Bauchschmerzen waren in jedem Jahr ungefähr gleich viele Beschäftigte in einer Arztpraxis in Behandlung. Nach Einführung der eAU tauchten jedoch deutlich mehr in den Kassen-Daten auf, die wegen der Bauchschmerzen nicht nur behandelt, sondern auch krankgeschrieben wurden. Während vorher nur für 10 % der Betroffenen eine entsprechende Krankschreibung bei der DAK-Gesundheit vorlag, sind es nach der Etablierung des Verfahrens 18 %. Bei den Erkältungskrankheiten gab es ebenfalls ein deutliches Plus: Nach Berechnungen von IGES lässt sich hier der Anstieg zu 60 % durch das neue Meldeverfahren erklären.

Sprunghafter Anstieg der Fehltage

Ein zweiter wesentlicher Treiber für den sprunghaften Anstieg von 2021 auf 2022 sind Atemwegserkrankungen: Mehr als ein Drittel (35 %) der 564 zusätzlichen Fehltage je 100 Versicherte wurden von Schnupfen, Husten und anderen Atemwegsinfekten verursacht, für ein Fünftel des Anstiegs waren Corona-Infektionen verantwortlich: „Am auffälligsten ist der Anstieg bei den Atemwegserkrankungen und bei den kurzen Erkrankungen, das kann auch eine Spätfolge von Corona sein“, sagt Professor Volker Nürnberg, der als Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement die DAK-Studie fachlich begleitet hat. „Hier müssen wir dringend zum Beispiel mit Grippeschutzimpfungen und Hygienemaßnahmen entgegenwirken.“

Telefonische Krankschreibung: kein systematischer Missbrauch

Während der Corona-Pandemie bekamen die Beschäftigten die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Sonderregelung per Telefon krankschreiben zu lassen. Dieses neue Verfahren wurde immer wieder als Grund für den Rekordkrankenstand diskutiert. Tatsächlich gibt es keinerlei Anzeichen für einen systematischen Missbrauch. Wie die Daten von 2,4 Millionen Beschäftigten der DAK-Gesundheit zeigen, gab es im Mai 2020 nach der Einführung des telefonischen Verfahrens bei leichten Atemwegsproblemen keine Veränderung der Anzahl entsprechender Krankschreibungen. Das Niveau lag 2020 durchgängig unter dem Niveau von 2019, wo es diese Möglichkeit noch nicht gab. Auch für die Monate, in denen 2023 die telefonische Krankschreibung ausgesetzt wurde, zeigen die DAK-Daten keine Auffälligkeiten: Das Aufkommen an Krankschreibungen aufgrund leichter Atemwegserkrankungen nahm zwar einen rückläufigen, aber für die Jahreszeit typischen Verlauf. Insgesamt nehmen Krankmeldungen wegen leichter Erkältungskrankheiten – unabhängig von der Telefon-AU – einen saisonalen Verlauf. So zeichnet etwa das Robert Koch-Institut zum Verlauf der Erkältungswellen ein vergleichbares Bild im Zeitraum.

Der Trend geht zum ärztlichen Attest

Die Studie zeigt auch: Es gibt einen Trend zum ärztlichen Attest. In der aktuellen Befragung haben 63 % angegeben, sich für eine Krankmeldung immer ein ärztliches Attest zu holen, 2015 waren es nur 53 %. Gleichzeitig benötigt nur ein Viertel der Beschäftigten nach eigener Aussage schon ab dem ersten Tag eine ärztliche Bescheinigung. Storm sieht daher eine wachsende Misstrauenskultur als Ursache für diesen Trend: „Die Beschäftigten holen sich ein ärztliches Attest, um nicht dem Verdacht ausgesetzt zu sein, sie würden ohne triftigen Grund der Arbeit fernbleiben.“ Der DAK-Vorstandschef warnt: „Ein wachsendes Misstrauen in den Unternehmen ist kontraproduktiv. Es fördert nicht den Einsatzwillen der Beschäftigten, sondern hemmt ihre Leistungsfähigkeit. Misstrauen ist ein Zeichen negativer Wertschätzung und als solches ein Gesundheitsrisiko.“


DAK vom 07.01.2025 / RES JURA Redaktionsbüro (vcd)

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