In Deutschland erhält etwas weniger als die Hälfte (44 %) aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft Urlaubsgeld. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Online-Befragung des Internet-Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird.
Ob ein Beschäftigter Urlaubsgeld erhält oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Der mit Abstand wichtigste Faktor ist die Frage der Tarifbindung. So erhalten 71 % der Beschäftigten in tarifgebunden Unternehmen der Privatwirtschaft ein Urlaubsgeld gegenüber nur 34 % der Beschäftigten in Unternehmen ohne Tarifvertrag, zeigt die Studie. Für die Analyse wurden die Angaben von mehr als 53.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang August 2019 bis Ende Mai 2020 ausgewertet.
Ost-West-Gefälle sichtbar
In Ostdeutschland wird nach wie vor deutlich seltener Urlaubsgeld gezahlt als in Westdeutschland. Während im Osten 32 % der Beschäftigten es erhalten, sind es im Westen 47 %. Diese Unterschiede liegen in erster Linie an der deutlich geringeren Tarifbindung im Osten Deutschlands. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Größe des Unternehmens, da die Wahrscheinlichkeit, Urlaubsgeld zu erhalten, mit zunehmender Beschäftigtenzahl ansteigt. Auch hier besteht eine enge Korrelation mit der Tarifbindung, da große Unternehmen eher einen Tarifvertrag anwenden.
Schließlich erhalten Männer mit 47 % häufiger Urlaubsgeld als Frauen, von denen nur 39 % eine entsprechende Sonderzahlung bekommen.
Urlaubsgeld in Corona-Zeiten
Unter den Bedingungen der Corona-Krise sei das Urlaubsgeld in diesem Jahr für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders wichtig, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Millionen von Beschäftigten in Kurzarbeit müssen derzeit teilweise empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen. Vor diesem Hintergrund ist das Urlaubsgeld als Beitrag zur Stabilisierung der Einkommenssituation von großer Bedeutung. Umso problematischer ist es“, so Schulten, „dass nun einzelne Unternehmen hergehen und es streichen wollen.
In der Regel ist dies jedoch nicht so einfach möglich. Das gilt vor allem dann, wenn Beschäftigte ein tarifvertraglich gesichertes Recht auf Urlaubsgeld haben. In einigen Tarifbranchen wie z. B. der Metall- und Elektroindustrie gab es in diesem Jahr die Möglichkeit, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld anteilsmäßig auf die monatlichen Einkommen zu übertragen, um im Fall von Kurzarbeit ein höheres Kurzarbeitergeld zu erhalten.
Unterschiede in der Höhe des tarifvertraglichen Urlaubsgeldes
Die Höhe des tarifvertraglich vereinbarten Urlaubsgeldes fällt je nach Branche sehr unterschiedlich aus: Zwischen 155 und 2.513 Euro bekommen Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe dieses Jahr als tarifliches Urlaubsgeld (ohne Berücksichtigung von Zulagen/Zuschlägen, bezogen auf die Endstufe der Urlaubsdauer).
Am wenigsten bekommen Beschäftigte in der Landwirtschaft und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die höchsten Zahlungen erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter anderem in der Holz- und Kunststoffverarbeitung, der Metallindustrie, der Papier verarbeitenden Industrie, dem Kfz-Gewerbe, der Druckindustrie, im Versicherungsgewerbe, dem Einzelhandel, der Bauindustrie und in der Chemischen Industrie.
Gegenüber dem Vorjahr hat sich das tarifliche Urlaubsgeld in elf von 22 untersuchten Branchen erhöht. Besonders kräftig fiel die Erhöhung im Steinkohlebergbau aus, wo das Urlaubsgeld mehr als verdreifacht wurde. In den übrigen Branchen variiert die Erhöhung des Urlaubsgeldes zwischen 1,0 bis 3,5 %. In Branchen wie z. B. dem Versicherungsgewerbe, in denen das Urlaubsgeld als ein bestimmter Prozentsatz der Tarifentgelte festgelegt wird, folgte das Urlaubsgeld den allgemeinen Tariferhöhungen.
(Hans-Böckler-Stiftung, PM vom 16.06.2020/ Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)