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24.09.2025

Steuerboard

Update Grundsteuer Herbst 2025 – Teil 1: Bundesmodell

In unserem letzten Beitrag in dieser Reihe (Pöhlmann/Nier, DB-Steuerboard vom 13.11.2024) hatten wir die ersten finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Grundsteuerreform und insbesondere die kontrovers diskutierte Verfassungskonformität des Bundesmodells beleuchtet. Seitdem hat sich die Rechtsprechung weiterentwickelt und es liegen eine Reihe von Urteilen verschiedener Finanzgerichte vor, die sich mit den zentralen Fragen der neuen Bewertungsgrundlagen auseinandersetzen und dabei unterschiedliche Schwerpunkte setzen – etwa hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Bodenrichtwerten, der Zulässigkeit von Typisierung und Pauschalierung sowie der Anforderungen an den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts. Nachfolgend werden die aktuellen Entwicklungen das Bundesmodell betreffend anhand zweier Beispiele zusammengefasst und aufgezeigt, welche praktischen Implikationen sich hieraus ergeben.

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StBin Doris Pöhlmann
ist Senior Associate bei POELLATH in München

RA Florian Nier
ist Senior Associate bei POELLATH in München

FG Berlin-Brandenburg bestätigt Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells zur Grundsteuer

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte sich in zwei Urteilen vom 04.12.2024 (Az. 3 K 3170/22 und 3 K 3142/23) mit der Verfassungsmäßigkeit des neuen grundsteuerlichen Bewertungsrechts nach dem Bundesmodell auseinandergesetzt. Beide Verfahren betrafen die Feststellung des Grundsteuerwerts für Wohnungseigentum in Berlin zum Stichtag 01.01.2022. Die Kläger sahen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und rügten jeweils, dass die neuen Bewertungsregeln zu einer erheblichen Überbewertung führten; insbesondere seien die starke Typisierung sowie die Einbeziehung der pauschalen Bodenrichtwerte und realitätsferner pauschalierter Mieten im Rahmen der Ertragswertermittlung verfassungswidrig. Ferner beanstandeten die Kläger, dass objektspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigt würden und dass das Bewertungsrecht (bislang) keine Möglichkeit eröffne, niedrigere Einzelparameter – wie etwa eine tatsächlich niedrigere Miete oder einen geringeren Bodenwert – oder einen niedrigeren Gesamtverkehrswert nachzuweisen.

Keine ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel an Ausgestaltung des Bundesmodells

Das FG sah hingegen keine ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel an der Ausgestaltung des Bundesmodells und hat beide Klagen abgewiesen. In den Urteilsbegründungen betont der Senat jeweils, dass er nicht von der Verfassungswidrigkeit des neuen Bewertungsrechts überzeugt ist. Die Regelungen der §§ 218 ff. BewG seien mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Die im Bundesmodell angelegten Ungleichbehandlungen seien durch die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers und den verfolgten Vereinfachungszweck gedeckt. Der Gesetzgeber habe im Bereich der Grundsteuerbewertung einen besonders weiten Gestaltungsspielraum, da es sich um ein steuerliches Massenverfahren handelt, bei dem Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung im Vordergrund stehen. Die Bewertungsregeln müssten nicht in jedem Einzelfall zu einer exakten Abbildung des Verkehrswerts führen, sondern im Durchschnitt aller Fälle eine realitäts- und gleichheitsgerechte Bemessung des steuerlichen Belastungsgrundes sicherstellen. Die bewusst hingenommenen Ungleichbehandlungen im Einzelfall sind durch das angestrebte Ziel eines „automatisierten, zukunftsfähigen, einfachen, transparenten und nachvollziehbar ausgestalteten Verwaltungsverfahrens“ gerechtfertigt.

Bewertungsziel des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

Das Gericht stellt weiter klar, dass das Bewertungsziel des Gesetzgebers – eine Annäherung an den objektivierten, realen Grundstückswert (gemeiner Wert) – erkennbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Belastungsgrund der Grundsteuer liegt nach Auffassung des Senats in der durch Grundbesitz vermittelten Möglichkeit einer ertragsbringenden Nutzung (Sollertragsteuer) sowie in Äquivalenzgesichtspunkten, also dem Vorteil, den Eigentümer von Grundbesitz aus der kommunalen Infrastruktur ziehen. Der Verzicht auf eine Berücksichtigung objektspezifischer Besonderheiten wie Grundstückstiefe, Altlasten, Denkmalschutz oder Immissionen sei für die automatisierte Administrierbarkeit des neuen Bewertungsrechts zentral und von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. Auch die pauschale Einordnung Berlins in eine Mietniveaustufe und die Verwendung von Durchschnittsmieten seien zulässig. Die fehlende Binnendifferenzierung innerhalb der Gemeinde werde durch die Berücksichtigung der Bodenrichtwerte ausreichend kompensiert.

Ermittelte Bodenrichtwerte keiner gerichtlichen Überprüfung zugänglich

Besonders ausführlich setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, inwieweit die von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind diese Werte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich nicht zugänglich. Eine gerichtliche Kontrolle ist nur insoweit möglich, als es um die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften, die Vollständigkeit und Richtigkeit der Sachverhaltsermittlung, das Fehlen sachfremder Erwägungen oder offensichtlich unvertretbare Ergebnisse geht. Die bloße Behauptung, der Bodenrichtwert sei zu hoch oder zu niedrig, genügt nicht. Das Gericht prüft im Einzelfall, ob der Gutachterausschuss die gesetzlichen Vorgaben eingehalten hat, insbesondere ob die Abgrenzung der Bodenrichtwertzonen sachgerecht erfolgte und die maßgeblichen wertbeeinflussenden Merkmale zutreffend erfasst wurden. Im Ergebnis sieht das Gericht in beiden Verfahren keine Anhaltspunkte für Fehler bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte.

Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts

Ein weiterer zentraler Punkt der Urteile ist die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts. Das Gericht bestätigt, dass nach der aktuellen Gesetzeslage – insbesondere nach der Ergänzung des § 220 Abs. 2 BewG durch das Jahressteuergesetz 2024 anlässlich der Beschlüsse des BFH vom 27.05.2024 – II B 78/23 und II B 79/23 – der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zulässig ist, wenn der typisierte Grundsteuerwert den (nachgewiesenen) gemeinen Wert um mindestens 40% übersteigt. Ein solcher Nachweis ist durch ein Gutachten des Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu führen. Alternativ kann nach § 220 Abs. 2 Satz 4 BewG n. F. auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt erzielter Kaufpreis als Nachweis dienen, sofern die maßgeblichen Verhältnisse unverändert geblieben sind. Das Gericht betonte jedoch, dass ein Nachweis niedrigerer Einzelparameter – etwa einer niedrigeren ortsüblichen Miete oder eines geringeren Bodenwerts – nicht vorgesehen und auch nicht geboten ist. Dies würde das System der Typisierung unterlaufen und die Verwaltungsvereinfachung konterkarieren.

Die Kläger hatten im Verfahren 3 K 3170/22 unter anderem geltend gemacht, dass die nach dem Bewertungsgesetz anzusetzenden Nettokaltmieten deutlich über den tatsächlich erzielbaren Mieten und auch über den Werten des Berliner Mietspiegels lägen; die zu berücksichtigenden Mieten wären jedoch tatsächlich nicht erzielbar. Das Gericht weist darauf hin, dass die typisierten Mieten auf einer Auswertung des Mikrozensus des Statistischen Bundesamts beruhen und im Durchschnitt aller Fälle eine realitätsgerechte Bemessung gewährleisten sollen. Die Tatsache, dass im Einzelfall die tatsächliche Miete deutlich niedriger ist als die typisierte Miete, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Die fehlende Lagedifferenzierung innerhalb der Gemeinde wird durch die Berücksichtigung der Bodenrichtwerte kompensiert. Auch die Einteilung der Baujahresgruppen und die Festlegung der Restnutzungsdauer sieht das Gericht als zulässige Typisierungsentscheidungen an.

Im Verfahren 3 K 3142/23 wurde zusätzlich auf einfachgesetzlicher Ebene gerügt, dass die Bodenrichtwertzone, in der das Bewertungsobjekt lag, durch eine Bahntrasse zerschnitten werde und daher kein zusammenhängendes Gebiet im Sinne der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) darstelle. Das Gericht folgt dieser Argumentation nicht. Nach § 15 Abs. 2 ImmoWertV können auch größere Verkehrsflächen Bestandteil einer Bodenrichtwertzone sein. Entscheidend ist, dass die wertbeeinflussenden Merkmale im Gebiet im Wesentlichen übereinstimmen. Die Abgrenzung der Zone und die Ermittlung des Bodenrichtwerts seien im konkreten Fall nicht zu beanstanden.

Kein Verstoß gegen Bestimmtheitsgebot

Das Gericht sieht auch keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG. Die genaue Höhe der zu zahlenden Grundsteuer steht regelmäßig erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen die Wertfeststellung fest, da die Gemeinden die Hebesätze erst nach Abschluss der flächendeckenden Neubewertung festlegen bzw. zwischenzeitlich festgelegt haben. Dies sei systemimmanent und verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen bei der Abgabe der Grundsteuererklärung seien zumutbar und durch die lange Zeitspanne seit der letzten Hauptfeststellung gerechtfertigt.

Fazit

In beiden Urteilen des FG Berlin-Brandenburg wird betont, dass die Typisierung und Pauschalierung im Grundsteuerrecht verfassungsrechtlich zulässig sind, solange das Bewertungsziel im Durchschnitt erreicht wird. Die Möglichkeit, bei erheblichen Abweichungen einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, ist das zentrale Korrektiv gegen Überbewertungen im Einzelfall und zwischenzeitlich auch im Gesetz verankert. Gleichwohl erscheint die Schwelle der Wertabweichung von 40% vergleichsweise hoch, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Nachweis ein qualifiziertes Gutachten erfordert und das Erreichen der Abweichungsschwelle erst nach Anfertigung des Gutachtens belastbar feststehen dürfte. Angriffe auf die Höhe der Bodenrichtwerte oder auf die Berücksichtigung von pauschalen Mieten sind regelmäßig erfolglos, sofern keine gravierenden Fehler nachweisbar sind. Für die Praxis lässt sich aus den genannten Entscheidungen daher ableiten, dass pauschale Kritik an einzelnen Regelungen des Bundesmodells im Hinblick auf deren Verfassungsmäßigkeit erfolglos bleiben dürfte – nur der substanzielle Nachweis etwaiger Verstöße bietet Aussicht auf Erfolg.

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