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12.06.2025

Rechtsboard

BAG bestätigt Unverzichtbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs

Oldie but Goldie: Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Arbeitnehmer nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub verzichten – selbst durch einen gerichtlichen Vergleich nicht. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte mit Urteil vom 03.06.2025 (9 AZR 104/24), dass auch sogenannte Tatsachenvergleiche den gesetzlichen Mindesturlaub häufig nicht erledigen.

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RA/FAArbR Dr. Tim Gühring
ist tätig bei Menold Bezler in Stuttgart

Der Sachverhalt

Der Kläger war vom 01.01.2019 bis 30.04.2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Im letzten Jahr vor seiner Kündigung war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und konnte daher seinen Urlaub nicht nehmen.

Am 31.03.2023 einigten sich die Parteien im Wege eines gerichtlichen Vergleichs, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 10.000 € durch eine arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.04.2023 endet. In Ziffer 7 des Vergleichs hieß es: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt“. Die Anwältin des Klägers wies vor Abschluss des Vergleichs ausdrücklich darauf hin, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne, erklärte sich aber dann dennoch mit dem Vergleich einverstanden.

Im Nachgang verwies der Betriebsleiter darauf, dass der im Vergleich geregelte Verzicht auf den Mindesturlaub unwirksam sei, und klagte auf Abgeltung der noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaubs aus 2023, in Summe 1.615,11 € nebst Zinsen.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Der Neunte Senat des BAG wies die Revision des Arbeitgebers zurück.

 

Die Entscheidung

Das BAG bestätigte den Anspruch des Klägers auf Abgeltung seines 2023 nicht erfüllten gesetzlichen Mindesturlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Dieser Anspruch sei durch die entsprechende Klausel im Prozessvergleich nicht erloschen. Denn die Vereinbarung, Urlaubsansprüche seien in natura gewährt, sei nach § 134 BGB unwirksam, soweit sie einen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regelt.

Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein künftiger Abgeltungsanspruch dürfte im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden, auch dann nicht, wenn bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den Mindesturlaub krankheitsbedingt nicht mehr nehmen kann. Das BAG verwies insoweit auf Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, wonach der Mindesturlaub – außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Der Arbeitnehmer dürfe im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht gegen und erst recht nicht ohne finanziellen Ausgleich auf den gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“.

Das BAG stellte zudem fest, dass der gerichtliche Vergleich auch keinen wirksamen Tatsachenvergleich enthält. Ein solcher setze voraus, dass eine bestehende Unsicherheit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs vorliegen, ausgeräumt wird.

Der Einwand des Beklagten, der Kläger verstoße gegen Treu und Glauben, indem er sich auf die Unwirksamkeit des Ausschlusses berufe, blieb erfolglos. Der Beklagte habe nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen dürfen.

 

Bewertung

Mit seiner Entscheidung betont das BAG, was in der Praxis oftmals missachtet wird: Auf den gesetzlich zugesicherten Anspruch auf Mindesturlaub können Arbeitnehmer nicht verzichten. Vereinbarungen, die zulasten des Arbeitnehmers vom gesetzlichen Mindesturlaub abweichen, sind unwirksam gem. § 134 BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. Solange das Arbeitsverhältnis besteht, kann der gesetzliche Mindesturlaub auch nicht ausgezahlt werden, sondern ist als Freizeit zu nehmen.

Für die Praxis relevant an der Entscheidung ist aber vor allem, dass das BAG klarstellt, dass der sogenannte Tatsachenvergleich nur in seltenen Ausnahmefällen wirksam ist. Er setzt voraus, dass Unsicherheit über das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen besteht und die Parteien dies durch gegenseitiges Nachgeben ausräumen. (Dies mag beispielsweise der Fall sein, wenn und soweit zwischen den Parteien in Streit steht, seit wann der Arbeitgeber Kenntnis von einer Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers und damit von seiner Pflicht, Zusatzurlaub zu gewähren, hatte.) Wenn jedoch – wie hier – die Sachlage klar ist und der Tatsachenvergleich nicht der Wirklichkeit entspricht, ist er unwirksam (vgl. § 779 BGB).

Arbeitgeber sollten bei der Gestaltung von Vereinbarungen darauf achten, dass der gesetzliche Mindesturlaub verbraucht wird (Gewährung oder Anrechnung auf unwiderrufliche Freistellung), oder – sofern Verbrauch und Tatsachenvergleich nicht möglich sind – die Urlaubsabgeltung von vornherein einpreisen.

Anders ist die Rechtslage, wenn der Vergleich erst nach dem Beendigungsdatum geschlossen wird. Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Urlaubsabgeltungsanspruch dann als reiner Geldanspruch nicht mehr geschützt, sondern verzichtbar (dazu u.a. BAG vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11, DB 2013 S. 2154).

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