Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 30.04.2025 (XI R 5/24) entschieden, dass bestimmte Leistungen eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers an Schulen von der Umsatzsteuer befreit sein können. Maßgeblich ist, dass diese Angebote der Erziehung von Kindern und Jugendlichen dienen.
Hintergrund des Falls
Ein selbstständiger Trainer bot im Jahr 2010 an Schulen sogenannte Präventions- und Persönlichkeitstrainings an. Diese Kurse zielten darauf ab, soziale Kompetenzen und Selbstwertgefühl bei Kindern zu fördern. Die Kurse wurden teils im regulären Unterricht durchgeführt, teils als freiwillige Zusatzangebote. Der Trainer stellte Rechnungen an die Eltern oder Schulen und entrichtete zunächst Umsatzsteuer. Später beantragte er die steuerfreie Behandlung seiner Leistungen mit Verweis auf europäisches Umsatzsteuerrecht.
Streitpunkt: Steuerfreiheit nach deutschem oder europäischem Recht?
Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Umsatzsteuerbefreiung ab. Der Trainer sei weder eine anerkannte Bildungseinrichtung noch erteile er Unterricht im klassischen Sinne. Auch fehle es an einer formellen staatlichen Anerkennung. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab dem Trainer jedoch recht. Die Leistungen seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie steuerfrei – als „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“.
Entscheidung des Bundesfinanzhofs
Der BFH bestätigte das Urteil des Finanzgerichts und stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung vorlagen. Zunächst liege eine Erziehungsleistung vor, da die Kurse darauf abzielten, soziale Kompetenzen, Resilienz und die charakterliche Entwicklung der Kinder zu fördern. Dies gehe über eine bloße Wissensvermittlung hinaus und erfülle den unionsrechtlichen Begriff der „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“.
Weiterhin könne der Trainer auch ohne formelle staatliche Anerkennung als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie eine öffentliche Einrichtung angesehen werden. Entscheidend sei, dass seine Tätigkeit insgesamt auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sei. Zudem sei es dem Kläger grundsätzlich erlaubt gewesen, sich unmittelbar auf das europäische Umsatzsteuerrecht zu berufen. Denn Deutschland hatte die entsprechende EU-Vorgabe im Streitjahr 2010 noch nicht vollständig umgesetzt.
Bedeutung der Entscheidung
Das Urteil stärkt die Stellung von freien Anbietern pädagogischer Leistungen, die außerhalb klassischer Bildungseinrichtungen tätig sind. Es zeigt, dass auch Angebote zur Persönlichkeitsbildung und Gewaltprävention unter bestimmten Umständen von der Umsatzsteuer befreit sein können, vorausgesetzt, sie verfolgen ein klares Erziehungsziel und sind entsprechend strukturiert. Die Entscheidung schafft zudem Klarheit zur unmittelbaren Anwendbarkeit des EU-Rechts im Bereich der Umsatzsteuerbefreiungen, insbesondere bei Lücken im nationalen Recht.