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20.12.2022

Steuerboard

Tax Compliance Praxis: Die ertragsteuerliche Behandlung von Genussrechtskapital (Entwurf BMF-Schreiben vom 01.11.2022)

Private Equity Fonds zielen bei der Ausgestaltung der Anlageformen häufig darauf ab, ein optimales Risiko-Rendite-Profil zu erreichen, das einerseits einen soliden Schutz vor einem denkbaren Ausfall der Investition gewährleistet und andererseits ermöglicht, von einem Aufwärtspotenzial des Targets bedeutsam zu profitieren. Hilfsmittel hierfür sind vielfach maßgeschneiderte hybride Finanzinstrumente, die eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital darstellen. Die konkrete Ausgestaltung kann entweder gesellschaftsrechtlich (i.d.R. in der Satzung) oder schuldrechtlich (z.B. in einem Darlehensvertrag) erfolgen. Erst im ersten Halbjahr haben wir über Preferred Stocks berichtet und wie diese grundsätzlich nach BFH-Rechtsprechung zu qualifizieren sind. Nunmehr legt das BMF mit einem Entwurf eines BMF-Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechtskapital nach Entwurf eines BMF-Schreibens vom 01.11.2022.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

StB/Tax Advisor André Fest
, Associated Partner bei POELLATH

StB Dmytro Shyshkin
, Associate bei POELLATH, beide München

Bedeutung der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital

Sofern ein Private Equity Fonds gewerbliche Einkünfte vermittelt, sind für dessen Anleger Beteiligungserträge (ausgenommen Streubesitzdividenden) und Veräußerungsergebnisse aus Eigenkapital- / eigenkapitalähnlichen Finanzinstrumenten regelmäßig privilegiert. Ein großer Teil der KStG-Anleger kann von den Steuerbefreiungen nach § 8b KStG profitieren. Für EStG-Anleger sind solche Einnahmen aufgrund des Teileinkünfteverfahrens zu 40% steuerfrei. Dagegen sind laufende Erträge und Veräußerungsergebnisse aus Fremdkapital- / fremdkapitalähnlichen Finanzinstrumenten voll steuerpflichtig. Angesichts dessen spielt die Qualifikation von hybriden Finanzinstrumenten eine erhebliche Rolle und Bedarf einer entsprechenden Aufmerksamkeit im Rahmen der Tax Compliance.

Definition von Genussrechtskapital und Abgrenzung zu anderen Kapitalüberlassungen

Genussrechtskapital im Sinne des Entwurfs definiert sich als Kapitalüberlassung auf Basis einer schuldrechtlichen Ausgestaltung, durch die dem Rechteinhaber grundsätzlich mitgliedschaftstypische Vermögensrechte, wie das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, eingeräumt werden. In Abgrenzung hierzu dürfen Genussrechtsvereinbarungen keine gesellschaftsrechtlich geprägten mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte vermitteln, wie das Einflussnahmerecht auf die Geschäftsführung, regelmäßig das Stimmrecht oder das Anwesenheitsrecht in der Gesellschafterversammlung.

In der Konsequenz muss in einem ersten Schritt das Genussrechtskapital (als schuldrechtliche Kapitalüberlassung) von dem „echten“ Eigenkapital (als gesellschaftsrechtliche Kapitalüberlassung) abgegrenzt werden. Dies stimmt mit der jüngsten Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2021 – I R 12/18) überein. Nach Auffassung des BFH ist die strenge Bindung an die „Eigenkapitalcharakteristika“ der Genussrechte (d.h. kumulativ erfüllte Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös) rechtsfehlerhaft, falls es sich um ein „echtes“ Eigenkapital-Finanzinstrument handelt. Ein solches Instrument liegt vor, wenn es nach einer rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtwürdingung mit einer (inländischen) Aktie vergleichbar ist. Zu prüfen sind die typischen und zentralen Vermögens- und Verwaltungsrechte eines Aktionärs.

Zudem hat eine Abgrenzung des Genussrechtskapitals zu anderen Kapitalüberlassungen zu erfolgen, z.B. zur stillen Gesellschaft und zum partiarischen Darlehen.

Genussrechtskapital in der Steuerbilanz

Genussrechtskapital ist in der Steuerbilanz grundsätzlich als Fremdkapital zu qualifizieren bzw. auszuweisen. Damit folgt die Finanzverwaltung im Entwurf ihren Beschlüssen aus 2018 (FinMin NRW vom 18.07.2018), mithin der Erkenntnis, dass Genussrechte einen schuldrechtlichen Charakter haben.

Der Entwurf stellt klar, dass § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG eine reine Einkommensermittlungsvorschrift ist, welche die bilanzsteuerliche Einordnung nicht betrifft. Sie setzt vielmehr deren Einordnung als Fremdkapital in der steuerrechtlichen Gewinnermittlung voraus. Die Einordnung als eigenkapitalähnliches oder fremdkapitalähnliches Genussrechtskapital ist an dieser Stelle ohne Bedeutung.

Zudem stellt der Entwurf klar, dass die handelsbilanzielle Einordnung als Eigenkapital den steuerbilanziellen Ausweis als Fremdkapital nicht ausschließt. Grundgedanke ist, wie oben erwähnt, der schuldrechtliche Charakter von Genussrechtskapital.

Trotz der bilanzsteuerlichen Grundeinordnung von Genussrechtskapital als Fremdkapital, sieht der Entwurf Ausnahmefälle vor. Beispielweise kann ein in der Krise gewährtes Genussrechtskapital unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapital qualifizieren. Gleiches gilt, wenn Wandlungs- oder Optionsrechte derart ausgestaltet sind, dass ein wirtschaftlicher Zwang zum Erwerb von Gesellschaftsrechten bereits im Zeitpunkt der Gewährung besteht.

Ein weiterer Abschnitt des Entwurfs betrifft explizit den Ansatz einer Verbindlichkeit in der Bilanz des Schuldners. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang ein Verweis auf das BFH-Urteil vom 10.07.2019 (XI R 53/17, BStBl. II 2019 S. 803), wonach die darlehensbezogene Bilanzierungsfrage beim Verpflichteten von der rechtlichen Qualifizierung beim Berechtigten (dem Gläubiger) unabhängig ist, da eine sog. Korrespondenzsituation nicht vorliegt. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Korrespondenzprinzip bei der Besteuerung der Ausschüttungen im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens bzw. des § 8b KStG zu berücksichtigen ist.

Genussrechtskapital bei der Einkommensermittlung

Für deutsche Anleger eines Private Equity Fonds ist vor allem von Relevanz, wie die Erträge auf das vom Fonds überlassene Genussrechtskapital zu versteuern sind. Zentrale Norm als Einkommensermittlungsvorschrift ist § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG. Demnach hat das Genussrechtskapital nur dann einen beteiligungs-/eigenkapitalähnlichen Charakter, mithin eine potenzielle privilegierte Besteuerung zur Folge, wenn der Kapitalgeber kumulativ sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös des Kapitalnehmers beteiligt ist.

Eine „Beteiligung am Gewinn“ soll laut dem Entwurf vorliegen, wenn der Genussrechtsinhaber am wirtschaftlichen (Gesamt-)Erfolg der emittierenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist; Kennzahlen sind beispielsweise der Jahresüberschuss, der Bilanzgewinn, der ausschüttungsfähige Gewinn, das EBIT, das EBITDA oder auch die Höhe der Dividendenausschüttungen an die Gesellschafter. Dagegen liegt eine Beteiligung am Gewinn ausdrücklich nicht vor, wenn sich die Vergütung vom Ergebnis einer bestimmten Unternehmenssparte (tracking-stock), von einzelnen Wirtschaftsgütern oder anderen Konzerngesellschaften ableiten lässt; maßgebend ist der Gesamterfolg, nicht der individuelle Einzelerfolg.

Eine „Beteiligung am Liquidationserlös“ ist laut dem Entwurf anzunehmen, wenn dem Kapitalgeber über die Rückzahlung seines Kapitals hinaus auch eine Beteiligung an den stillen Reserven eingeräumt wird; eine nominale Rückzahlung des Kapitals ist nicht ausreichend. Im Falle einer zeitlichen Befristung oder eines kündbaren Genussrechts liegt hingegen keine Beteiligung am Liquidationserlös vor, wenn es an einer Teilhabe anlässlich der tatsächlichen Liquidation fehlt. Eine bestimmte Dauer der Kapitalüberlassung kann allein nicht zur Beteiligung am Liquidationserlös führen. Zudem vertritt das BMF weiterhin die Auffassung, dass eine Beteiligung am Liquidationserlös beim Genussrechtskapital mit Verlustbeteiligung auch vorliegt, wenn das Kapital im Falle der Liquidation des Kapitalnehmers mindestens zum Nennwert zurückzuzahlen ist. Diese Ansicht ist bereits im BMF-Schreiben vom 17.02.1986  verankert.

Einordnung in der Tax Compliance Praxis

Der Entwurf des BMF-Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechtskapital ist zu begrüßen. Er fasst die aktuelle Praxis der Finanzverwaltung im Umgang mit Genussrechtskapital ausführlich zusammen. An einzelnen Stellen ist es jedoch hilfreich, die historische Entwicklung, insbesondere die Änderungen im Umgang mit dem bilanziellen Ausweis, zu kennen. Für die Tax-Compliance-Praxis bedeutet der Entwurf eine zu beachtende aktuelle Leitlinie bei der individuellen Beurteilung von schuldrechtlich aufgesetzten Finanzinstrumenten.


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