Das Tarifrecht darf arbeitgebertreue Mitarbeiter bevorzugen. Dies stellt keinen Verstoß gegen europäisches Recht dar, erklärt der Deutsche Anwaltverein.
Im Tarifrecht gibt es anerkennenswerte Gründe für eine Differenzierung bei der Eingruppierung. Dazu gehört auch, arbeitgebertreue Arbeitnehmer zu begünstigen. Diese Differenzierung verstößt auch nicht gegen europäisches Recht, bestätigt das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in einer aktuellen Entscheidung vom 18.01.2016 (Az. 1 Sa 17/15).
Anrechnung von Tätigkeiten streitig
In dem Streitfall war ein Diplom-Psychologe nach seiner wissenschaftlichen Ausbildung mehr als elf Jahre bei verschiedenen privaten Trägern von Behinderteneinrichtungen tätig. Seit Oktober 2011 war er beim Land als Schulpsychologe beschäftigt. Seine vorherigen Tätigkeiten wurden ihm bei der Eingruppierung in die Entgeltgruppe nur teilweise angerechnet. Bei voller Anrechnung wäre er in eine höhere Entgeltgruppe eingestuft worden. Die Differenz betrug fast 700 Euro brutto.
Verstoß gegen Arbeitnehmerfreizügigkeit?
Der Mann verlangte die Anerkennung seiner gesamten Berufserfahrung und die Einstufung in die entsprechende Stufe. Dabei berief er sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem Rechtsstreit nach österreichischem Recht. Es verstoße gegen die Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, wenn der öffentliche Arbeitgeber die bei ihm absolvierten Dienstzeiten in vollem Umfang, alle anderen Dienstzeiten dagegen nur teilweise bei der Berechnung des Dienstalters berücksichtige (EuGH-Urteil vom 05.12.2013; Az. C-514/12).
Differenzierung gerechtfertigt
Das Landesarbeitsgericht in Stuttgart wies die Klage ab. Die entsprechende Tarifnorm sei mit der Regelung des österreichischen Rechts nicht vergleichbar. Anders als jene Regelung bevorzuge die deutsche Tarifnorm ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, die – von einer Unterbrechungszeit von maximal sechs Monaten abgesehen – durchgehend bei demselben Arbeitgeber ihre Berufserfahrung erworben haben. Die Tarifnorm solle damit die Arbeitnehmer begünstigen, die sich arbeitgebertreu verhalten. Dieser Zweck stelle einen anerkennenswerten Grund für die vorgenommene Differenzierung dar.
(DAV, PM vom 08.03.2016/ Viola C. Didier)