Eine Rücklage für die Ersatzbeschaffung für den Gewinn aus der Veräußerung eines GmbH-Anteils, die aufgrund eines drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens erfolgt, darf nicht gebildet werden, entschied das Finanzgericht Münster.
Im Streitfall hielt eine GmbH & Co. KG in privater Trägerschaft 49% der Anteile an einer GmbH, auf die nach einem Konsortialvertrag die Durchführung der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung eines Kreises übertragen wurde. Diese Aufgabe hatte bisher eine Tochtergesellschaft des Kreises erfüllt, die die übrigen 51% der Anteile an der GmbH hielt. Die EU-Kommission vertrat die Auffassung, dass die Vergabe der Müllentsorgungsleistungen ohne europaweite Ausschreibung gegen europäisches Recht verstößt. Zur Vermeidung einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland entschied man sich anstelle einer neuen Ausschreibung für eine Veräußerung der Anteile der GmbH & Co. KG an der GmbH an ihre Mitgesellschafterin.
Finanzamt unterwarf Veräußerungsgewinn der Besteuerung
Den hieraus erzielten Veräußerungsgewinn neutralisierte die GmbH & Co. KG, indem sie eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gemäß R 6.6 EStR 2005 bildete. Diese übertrug sie auf die Anschaffungskosten für zwei andere GmbH-Beteiligungen. Das Finanzamt lehnte demgegenüber die Bildung der Rücklage ab und unterwarf den Veräußerungsgewinn in vollem Umfang der Besteuerung.
Kein Erfolg vor dem FG
Das Finanzgericht Münster wies die Klage GmbH & Co. KG mit Urteil vom 23.06.2016 (Az. 2 K 3762/12 G,F) ab. Durch Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung könne eine Gewinnrealisierung ausnahmsweise dann vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut angeschafft wird.
Für privatrechtliche Zwangslagen sind Rücklagen nicht vorgesehen
Die Veräußerung der GmbH-Anteile durch die GmbH & Co. KG sei bereits nicht zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs erfolgt, denn das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission habe sich nicht gegen die GmbH & Co. KG, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Der Kreis habe keine rechtliche Möglichkeit gehabt, der GmbH & Co. KG die Anteile durch Hoheitsakt zu entziehen. Für rein privatrechtliche Zwangslagen sei eine Rücklage für Ersatzbeschaffung dagegen nicht vorgesehen. Zudem handele es sich bei den neu erworbenen GmbH-Beteiligungen nicht um funktionsgleiche Ersatzwirtschaftsgüter, weil die GmbH & Co. KG hiermit nicht mehr die Möglichkeit habe, wirtschaftlich an der Abfallentsorgung im Kreis zu partizipieren.
(FG Münster, NL vom 15.08.2016/ Viola C. Didier)