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21.01.2021

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Steuerliche Berücksichtigung von nachrangigen und sukzessiven Nießbrauchsvorbehalten

Ein Nießbrauchsvorbehalt wird schenkungsteuerlich nur dann berücksichtigt, wenn seine Entstehung nicht von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt. Dies spielt in der Praxis insbesondere dann eine Rolle, wenn mehrere Nießbräuche an einer Sache vorbehalten werden sollen. Infolge einer jüngeren BFH-Entscheidung vom 06.05.2020 (II R 11/19, BStBl. II 2020 S. 746) kann in Zukunft rechtssicher zwischen nachrangigen und sukzessiven Nießbräuchen differenziert werden, wenn sich der Schenker nicht nur zu seinen Gunsten, sondern auch zu Gunsten eines Dritten (z.B. Ehegatte oder weiteres Familienmitglied) den Nießbrauch am Schenkungsgegenstand vorbehalten will. Die Entscheidung erging zwar noch zur Rechtslage vor dem 01.01.2009, in welcher die Belastung einer Sache mit einem Nießbrauch nicht zur Minderung des Erwerbs führte, sondern nur zu einer zinslosen Stundung der Steuer, die auf den Kapitalwert der Belastung entfiel (vgl. § 25 ErbStG a.F.). Sie beansprucht inhaltlich aber gleichermaßen Geltung im geltenden Recht.

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RA Laurenz Lipp
Associate bei POELLATH, Frankfurt/M.

I. Bewertung bei einfachem Nießbrauch

Seit dem 01.01.2009 wird bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt der Kapitalwert des Nießbrauchs von der Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer abgezogen. Üblicherweise wird dem Nießbraucher ein lebenslanges Recht eingeräumt, da der Nießbrauch dazu dient, dessen Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern. Seine Bewertung richtet sich dann nach den Vorschriften für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen (§ 14 BewG). Hierbei ist ein Kapitalwert zu bilden, welcher sich aus einem Vielfachen des Wertes der jährlichen Nutzungen ableitet. Das BMF ermittelt die dabei anzuwendenden Vervielfältiger jährlich neu anhand der aktuellen Sterbetafel des Statistischen Bundesamts. Daraus kann abstrakt gefolgert werden, dass der Kapitalwert umso höher ausfällt, je jünger der Nießbraucher im Zeitpunkt der Schenkung ist. Hinzu kommt, dass der Kapitalwert weiblicher Nießbraucher im Vergleich zu denen von gleichaltrigen männlichen Nießbrauchern höher ausfällt, da Frauen statistisch gesehen eine höhere Lebenserwartung haben.

II. Entscheidung des BFH vom 06.05.2020

Im Streitfall wurden Gesellschaftsanteile, die bereits mit einem Nießbrauch zugunsten der Mutter der Schenkerin belastet waren, unter erneutem Nießbrauchsvorbehalt weiter an die Tochter der Schenkerin übertragen. Dabei wurde vereinbart, dass die Schenkerin sich einen Nießbrauch „im Nachrang zum Nießbrauch von [ihrer Mutter], demgemäß mit Auswirkung erst mit dem Ende dieses Nießbrauchs“ gegenüber der Beschenkten vorbehielt. Streitig war, ob der zweite Nießbrauch trotz des noch laufenden ersten Nießbrauchs steuermindernd berücksichtigt werden konnte.

Bei der Beurteilung des zweiten Nießbrauchs war nach Auffassung des BFH zwischen einem nachrangigen und einem sukzessiven Nießbrauch zu differenzieren: Ein nachrangiger Nießbrauchsvorbehalt läge demnach vor, wenn an dem zugewendeten Vermögensgegenstand bereits ein Nießbrauch besteht und er mit einem weiteren Nießbrauch belastet wird. In dieser Konstellation könne keine aufschiebende Bedingung i.S.d. § 6 Abs. 1 BewG bestehen, da der Bedingungsbegriff dieser Vorschrift an das Zivilrecht anknüpfe. Demnach liegt eine aufschiebende Bedingung nur vor, wenn die von ihr abhängig gemachte zivilrechtliche Wirkung erst mit dem Eintritt der Bedingung eintritt (§ 158 Abs. 1 BGB). Der herrschenden Literaturmeinung folgend führt ein vorrangiger Nießbrauch jedoch gerade nicht zu einer Hinderung der zivilrechtlichen Entstehung des nachrangigen Nießbrauchs. Beide können damit parallel vereinbart werden. Die Nachrangigkeit habe lediglich zur Folge, dass der Nießbrauch des Schenkers zunächst nicht geltend gemacht oder zwangsweise durchgesetzt werden kann. Eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 1 BewG auf einen nachrangigen Nießbrauch wurde ausdrücklich abgelehnt.

Von dem nachrangigen Nießbrauchsvorbehalt muss demgegenüber ein sogenannter Sukzessivnießbrauch abgegrenzt werden. Bei diesem handelt es sich um einen neben einem anderen Nießbrauch vereinbarten Nießbrauch, der jedoch erst mit dem Ableben des früheren Nießbrauchsberechtigten entstehen soll. Das Vorversterben des anderen Nießbrauchsberechtigten ist in dieser Konstellation eine echte zivilrechtliche Bedingung der rechtlichen Entstehung des zweiten Nießbrauchs. Als Folge kann Letzterer steuermindernd erst mit Bedingungseintritt berücksichtigt werden.

Nach der vorliegenden Vereinbarung zwischen Schenkerin und Beschenkter lag ein nachrangiger Nießbrauch vor. Dies führte im zugrundeliegenden Fall nach alter Rechtslage noch zu einer Stundung der Schenkungsteuer, soweit der anteilige – d.h. der auf die Gesellschaftsanteile der Tochter entfallende – Kapitalwert des (nachrangigen) Nießbrauchs der Schenkerin den anteiligen Kapitalwert des (vorrangigen) Nießbrauchs der Mutter der Schenkerin überstieg.

Nach neuer Rechtslage (ab 01.01.2009) wäre die Differenz in den Kapitalwerten bei der zweiten Schenkung abzugsfähig gewesen, obwohl sich dieser nachrangige Nießbrauch erst auswirken sollte, nachdem der vorrangige Nießbrauch der Mutter der Schenkerin erlischt.

III. Bedeutung für die Praxis

Abgesehen von der Konstellation einer (Weiter-)Schenkung einer bereits mit einem Nießbrauch belasteten Sache, wie sie dem angesprochenen BFH-Urteil zugrunde lag, spielt die Differenzierung von nachrangigem und sukzessivem Nießbrauch auch dann eine Rolle, wenn mehrere Nießbräuche bereits in einer (ersten) Schenkung angelegt werden sollen. Ein typisches Anwendungsbeispiel wäre eine Schenkung eines Ehegatten an seine Kinder unter Einräumung eines (vorrangigen) Nießbrauchs für sich und eines nachrangigen beziehungsweise sukzessiven Nießbrauchs zu Gunsten seiner Ehefrau. Die neue BFH-Rechtsprechung eröffnet hier letztlich ein Wahlrecht bei der Ausgestaltung.

1. Nachrangiger Nießbrauch

Da ein nachrangiger Nießbrauch bereits mit Abschluss des Schenkungsvertrags rechtswirksam entsteht und damit quasi von Beginn an neben den vorrangigen Nießbrauch tritt, werden beide Nießbräuche auch im Rahmen der Bewertung als Einheit gesehen. Nach den geschilderten Grundsätzen des BFH wäre dabei der im Zeitpunkt der Schenkung vorliegende Jahreswert mit dem höheren der möglichen Vervielfältiger von vorrangigem und nachrangigem Nießbraucher zu multiplizieren. Schenkt also etwa ein Ehemann (60 Jahre) eine Immobilie an seine Kinder und räumt sich selbst einen vorrangigen und seiner Ehefrau (50 Jahre) einen nachrangigen Nießbrauch ein, führt dies bei der Ermittlung des Kapitalwertes dazu, dass dieser mit dem deutlich höheren Vervielfältiger seiner Ehefrau bewertet würde. Dies mindert wiederum die Bereicherung seiner Kinder und die anfallenden Schenkungsteuerlasten.

Durch gleichzeitige Einräumung des nachrangigen Nießbrauchs kann somit die Steuerminderung durch den Nießbrauchsvorbehalt gesteigert werden. Da der steuermindernde Effekt des nachrangigen Nießbrauchs bereits in der ersten Übertragung zum Ansatz kommt, hat dies den Vorteil, dass dieser unabhängig von zukünftigen Ereignissen Berücksichtigung finden kann. Dies gewährt Planungssicherheit.

2. Sukzessiver Nießbrauch

Im Falle der gleichzeitigen Vereinbarung eines Sukzessivnießbrauchs würde hingegen zunächst zwingend der frühere (nicht bedingte) Nießbrauchsvorbehalt mit dem Vervielfältiger des Schenkers berücksichtigt. Der folgende („sukzessive“) Nießbrauch fände aufgrund seiner Bedingtheit auf das Ableben des ersten Nießbrauchsberechtigten zunächst keine Berücksichtigung. Mit Eintritt der Bedingung könnte aber auch der zweite, sukzessive Nießbrauch im Wege einer rückwirkenden Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung steuermindernd geltend gemacht werden (vgl. § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG). Auf Antrag kann der auf den Zeitpunkt der Übertragung abgezinste Kapitalwert des Sukzessivnießbrauchs dann zum Abzug gebracht werden. Die Einzelheiten der Bewertung des Sukzessivnießbrauchs, insbesondere, welcher Vervielfältiger Anwendung finden soll, sind allerdings nicht abschließend geklärt. In Summe betrachtet kann der Steuervorteil höher liegen als in der Gestaltung als „bloßer“ nachrangiger Nießbrauch. Voraussetzung bleibt aber, dass der durch den Sukzessivnießbrauch Begünstigte auch tatsächlich den ersten Nießbraucher überlebt, da es ansonsten nicht zu einem Bedingungseintritt kommen kann. Bei einem Vorversterben des sukzessiven Nießbrauchers fällt die steuerliche Entlastung demnach in jedem Fall geringer aus als bei einem nachrangigen Nießbrauch.

Umgekehrt müsste auch die Möglichkeit eines vorzeitigen Erlöschens des ersten Nießbrauchs durch den Tod des ersten Nießbrauchers bei der Vergleichsrechnung von nachrangigem und sukzessivem Nießbrauch berücksichtigt werden. Das frühe Erlöschen eines lebenslangen Nießbrauchs führt bewertungsrechtlich zu einer rückwirkenden Senkung des ursprünglich angesetzten Kapitalwertes (vgl. § 14 Abs. 2 BewG). Folge wäre eine erhöhte Bereicherung und eine entsprechend nach oben zu korrigierende Steuerlast.

IV. Fazit

Der Hauptunterschied zwischen nachrangigem und sukzessivem Nießbrauchsvorbehalt liegt demnach im Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung. Eine Ausgestaltung als nachrangiger Nießbrauch ermöglicht eine sofortige kumulative Berücksichtigung im Zeitpunkt der Schenkung und ist damit die sicherste, aber nicht immer vorteilhafteste Lösung. Beim sukzessiven Nießbrauch kommt es hingegen erst durch den Bedingungseintritt zu einem rückwirkenden Ansatz. Die Chance einer höheren Steuersenkung durch einen sukzessiven Nießbrauch muss hier durch das Risiko erkauft werden, dass es aufgrund des Vorversterbens des sukzessiven Nießbrauchers nie zum Bedingungseintritt kommt. In letzterem Fall kann der sukzessive Nießbrauch überhaupt nicht steuermindernd geltend gemacht werden.

In beiden Konstellationen bleibt zu berücksichtigen, dass die Einräumung eines (zweiten) Nießbrauchs zu Gunsten eines Dritten ihrerseits als steuerpflichtige Zuwendung gewertet werden kann. In der Konstellation eines sukzessiven Nießbrauchs zu Gunsten der Ehefrau des Schenkers ist hierzu derzeit ein Verfahren vor dem BFH anhängig (Az.: II R 23/19), dessen Ausgang es dann zu berücksichtigen gilt.

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