Der Begriff des Familienheims
Die gesetzliche Definition des Familienheims erfolgt eher knapp. In § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG ist die lebzeitige Verschaffung von Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland, der EU oder des EWR bebauten Grundstücks i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG befreit, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (Familienheim). Weitere Einzelheiten sieht diese Regelung nicht vor. Die § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG erweitern die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nur insoweit, dass dieses Grundstück beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim).
In den Erbschaftsteuerrichtlinien definiert die Finanzverwaltung den Begriff in R E 13.3 Abs. 1 ErbStR derart, dass als Familienheim ein bebautes Grundstück gilt, soweit darin eine Wohnung gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, wobei auch der Wohnteil des Betriebsinhabers eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft als Familienheim in Betracht kommt. Entscheidend sei die tatsächliche Nutzung. Denn in der Wohnung muss sich der Mittelpunkt des familiären Lebens befinden. Daher kann eine „Familie“ (zeitgleich) immer nur ein Familienheim haben, eine Steuerbefreiung für eine Ferien- oder eine Wochenend- oder Zweitwohnung kommt nicht in Betracht. Die Nutzung auch zu anderen als Wohnzwecken ist unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist (z.B. durch Nutzung eines Arbeitszimmers). Grundsätzlich kann ein begünstigtes Familienheim in jeder Art von bebautem Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ErbStG vorhanden sein, z.B. auch in einem Mietwohn- oder Geschäftsgrundstück oder in einem Gebäude, das im Erbbaurecht errichtet worden ist. Begünstigt ist jedoch stets nur der zu eigenen Wohnzwecken genutzte Teil. Die Aufteilung erfolgt nach der Wohn-/Nutzfläche; Garagen, Nebenräume und Nebengebäude sind hierbei nicht einzubeziehen.
Begünstigte Übertragungen
Nach Auffassung der Finanzverwaltung (R E 13.3 Abs. 2 ErbStR) sind folgende Zuwendungen im Zusammenhang mit einem Familienheim steuerfrei:
- die Übertragung des Alleineigentums oder Miteigentums an dem einem Ehegatten bereits gehörenden Grundstück,
- der Kauf oder die Herstellung aus den Mitteln eines Ehegatten unter Einräumung einer Miteigentümerstellung des anderen Ehegatten,
- die Anschaffung oder Herstellung (ganz oder teilweise) durch einen Ehegatten aus Mitteln, die allein oder überwiegend vom anderen, zuwendenden Ehegatten stammen (mittelbare Grundstückszuwendung),
- die Tilgung eines im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Herstellung des Familienheims von einem oder beiden Ehegatten aufgenommenen Darlehens aus Mitteln des zuwendenden Ehegatten,
- die Befreiung von einer Schuld des einen Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten, die im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Herstellung des Familienheims gegenüber dem anderen Ehegatten eingegangen wurde,
- die Begleichung nachträglicher Herstellungs- oder Erhaltungsaufwendungen am Familienheim aus Mitteln eines Ehegatten, wenn der andere Ehegatte Eigentümer oder Miteigentümer ist.
Was ist eigentlich ein Grundstück i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG?
Die Steuerbefreiung für das Familienheim knüpft an das Grundstück an, wobei die Regelung direkt auf § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG Bezug nimmt. In dieser Norm sind die Grundstücksarten aufgeführt, die für Zwecke der Bewertung der Grundstücke zu unterscheiden sind. Dazu gehören Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum, Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke. Eine weitere Bestimmung, in welchem Umfang dieser Grund und Boden unter die Steuerbefreiung fällt, enthält die Regelung nicht. Fraglich ist daher z.B., ob unter die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG auch ein Gartengrundstück fallen kann, welches die Eheleute nach dem Erwerb des eigentlichen Grundstücke „dazu erworben“ haben.
Entscheidung des BFH vom 23.02.2021
Ein entsprechender Fall lag dem BFH nun zur Entscheidung vor. Die Tochter der Eheleute begehrte eine Steuerbefreiung für „ein Familienheim“ nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, welches zwei Grundstücke umfasste. Auf dem ersten Grundstück war die bisherige Wohnung der Eheleute belegen, das zweite grenzte als „Gartengrundstück“ an dieses an. Das für die Bewertung der Grundstücke zuständige Finanzamt bewertete die beiden Grundstücke einzeln. Daraufhin änderte das Finanzamt seine Auffassung und gewährte ausschließlich für das erste Grundstück, auf welchem sich das Wohnhaus befand (bzw. die Eigentumswohnung), die Steuerbefreiung. Dagegen wehrte sich die Tochter zunächst durch Einspruch und sodann gerichtlich, jedoch ohne Erfolg.
Begründung der Entscheidung
Nach Auffassung des BFH besteht die Möglichkeit, den Begriff des Grundstücks im zivilrechtlichen Sinne oder als wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 BewG auszulegen. Diese Frage konnte der BFH jedoch offenlassen, weil nach beiden Auslegungsmöglichkeiten gleichwohl keine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG möglich gewesen wäre. Sowohl aus zivilrechtlicher als auch bewertungsrechtlicher Sicht kommt ausschließlich eine Steuerbefreiung für das Grundstück 1 in Betracht. Im vorliegenden Fall liegt die Besonderheit auch darin, dass die Werte für die Grundstücke gesondert nach §§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1, 157 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ErbStG festgestellt wurden und damit auch bereits die Entscheidung getroffen wurde, ob und inwieweit es sich bei den Grundstücken um eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 BewG handelt. Das für die Bewertung zuständige Finanzamt hat dabei zwei Grundstücke bewertet, also keine wirtschaftliche Einheit angenommen, so dass eine Steuerbefreiung für das aus bewertungsrechtlicher Sicht „ganze“ Grundstücke (bestehend aus Grundstück 1 und 2) nicht möglich war. Da es sich bei diesen Feststellungsbescheiden um Grundlagenbescheide für die Erbschaftsteuerfestsetzung handelt, können die Einwände lediglich gegen diese Bescheide geltend gemacht werden. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt, weil die Klägerin hier den Erbschaftsteuerbescheid angegriffen hat. Klage und Revision konnten daher keinen Erfolg haben.
Folgen für die Praxis
Es ist weiterhin unklar, ob der Begriff des Grundstücks in § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG im zivilrechtlichen Sinne oder im bewertungsrechtlichen Sinne auszulegen ist. Fest steht jedoch, dass Einwände gegen die Bewertung der Grundstücke und auch die fehlende Behandlung der Grundstücke als „wirtschaftliche Einheit“ gegen den Feststellungsbescheid und nicht erst im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung bei Inanspruchnahme der Steuerbefreiung erhoben werden müssen. Zur Vermeidung von Streitfragen sollten die Grundstücke zivilrechtlich verbunden werden, so dass bereits zivilrechtlich nur ein Grundstück übertragen wird, auf welchem sich das Familienheim befindet.