Das Niedersächsische Finanzgericht hat als erstes Finanzgericht ein an einen inländischen Servicedienstleister gerichtetes Sammelauskunftsersuchen bezüglich der Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform für rechtmäßig erachtet.
In dem Streitfall hatte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen eine inländische Kapitalgesellschaft um Auskunft über Verkäufe deutscher Unternehmen als Drittanbieter über eine Internethandelsplattform ersucht. Das Finanzamt wollte erfahren, welche Nutzer Verkaufserlöse von mehr als 17.500 Euro pro Jahr erzielt hatten. Name und Anschrift der Händler sollten ebenso angegeben werden wie deren Bankverbindung. Außerdem sollte eine Aufstellung der einzelnen Verkäufe vorgelegt werden.
Internationale Verflechtungen erschweren Recherche
Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Website mit der darauf eingerichteten Internethandelsplattform in den Streitjahren nicht von der inländischen Kapitalgesellschaft, sondern ihrer luxemburgischen Muttergesellschaft betrieben und das Drittanbietergeschäft über diesen Internetmarktplatz von einer luxemburgischen Schwestergesellschaft abgewickelt wurde. Die inländische Kapitalgesellschaft erbrachte gegenüber Mutter- und Schwestergesellschaft eine Vielzahl von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Internethandelsplattform.
BFH beanstandete die ursprüngliche Entscheidung
Im ersten Rechtsgang hatte der seinerzeit zuständige 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts der Klage stattgegeben (Urteil vom 23.02.2012, 5 K 397/10, EFG 2012, 1222) und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass es der Kapitalgesellschaft wegen der bestehenden Geheimhaltungsvereinbarungen mit der Betreibergesellschaft nicht möglich ist, die ersuchten Auskünfte zu erteilen. Der Bundesfinanzhof hob auf die Revision des Finanzamts das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur erneuten Überprüfung zurück (Urteil vom 16.05.2013, II R 15/12, BStBl II 2014, 225). Der BFH war der Auffassung, dass die Beantwortung eines Sammelauskunftsersuchens der Steuerfahndung zu Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform nicht wegen einer privatrechtlich vereinbarten Geheimhaltung dieser Daten abgelehnt werden könne.
Kein Grund für Geheimhaltung ersichtlich
Im zweiten Rechtsgang wies der nunmehr zuständig gewordene 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts die Klage ab (Urteil 9 K 343/14 vom 30.06.2015). Der Senat bejahte insbesondere einen hinreichenden Anlass zur Einholung der Auskünfte im Hinblick auf die im Rahmen von Ermittlungen bei einem anderen Internet-Auktions- und Handelshaus gewonnenen Erkenntnisse (hoher Prozentsatz von Steuerverkürzungen mit erheblichen Mehrsteuern). Konzerninterne, organisatorische Abreden zwischen Konzerngesellschaften wie die Beschränkung von Administrationsrechten in tatsächlicher oder zeitlicher Hinsicht können einem rechtmäßigen Auskunftsersuchen ebenso wenig entgegen gehalten werden wie privatschriftliche Geheimhaltungsvereinbarungen.
(FG Niedersachsen / Viola C. Didier)