Steuerberatungskosten als Nachlassregelungskosten
Ganz allgemein sind Nachlassregelungskosten alle Kosten, die einem Erben unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs von Todes wegen entstehen. Davon sind schon nach dem Gesetzeswortlaut streng die nicht abzugsfähigen Kosten für die Verwaltung des Nachlasses abzugrenzen.
Mittlerweile hat sich zwar durchgesetzt, dass jedenfalls die Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit der Erstellung einer Erbschaftsteuererklärung als Nachlassregelungskosten abzugsfähig sind. Jedoch wurde dies bis zur Entscheidung des BFH vom 14.10.2020 für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit der Einkommensteuerschuld des Erblassers abgelehnt. Nach der bisherigen Ansicht der Finanzverwaltung können hierin allenfalls Erblasserschulden gesehen werden, wenn die Beauftragung des Steuerberaters bereits durch den Erblasser erfolgte und daher im Sinne des Verursacherprinzips die Kosten vom Erblasser herrühren (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Soweit demnach die Steuerberatungskosten, insbesondere im Zusammenhang mit Nacherklärungen, erst durch den Erben begründet werden, sollen keine Erblasserschulden mehr gegeben sein und ein Abzug ausscheiden.
Die wohl herrschende Literatur hat dies dem Grunde nach sehr ähnlich beurteilt und Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit Steuerschulden des Erblassers ebenso unter die Erblasserschulden gefasst. Im Ergebnis sind die Vertreter der Literatur jedoch weniger restriktiv als die Finanzverwaltung, da auch eine Beauftragung durch den Erben unschädlich sein sollte. Begründet wird dies mit dem Argument, dass die Steuerschulden und eine etwaige originäre Erklärungspflicht vom Erblasser herrührt und die Erfüllung dieser Verpflichtung und die dabei entstehenden Kosten daher ebenso vom Erblasser ausgehen.
Sachverhalt der BFH-Entscheidung vom 14.10.2020
Der BFH-Entscheidung vom 14.10.2020 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war Alleinerbin des im Jahr 2013 verstorbenen Erblassers, der in den Jahren 2002 bis 2012 Kapitalerträge in der Schweiz erzielte, diese jedoch im Rahmen der inländischen Einkommensteuer nicht erklärt hatte. Die Klägerin hat diese Kapitalerträge nacherklärt und die dabei entstandenen Steuerberatungskosten als Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung in Abzug gebracht.
Das beklagte Finanzamt hat in der Folge einen Erbschaftsteuerbescheid erlassen und dabei die geltend gemachten Steuerberatungskosten im Einklang mit der bisherigen Verwaltungsansicht nicht berücksichtigt. Das FG Baden-Württemberg hat der gegen den Erbschaftsteuerbescheid eingereichten Klage insoweit stattgegeben (Urteil vom 15.05.2019 – 7 K 2712/18). Hiergegen richtete sich die zurückgewiesene Revision der Finanzverwaltung.
Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten für einkommensteuerrechtliche Nacherklärungen
Der BFH stellt sich in dieser Entscheidung auf den Standpunkt, dass die geltend gemachten Steuerberatungskosten zumindest als Nachlassregelungskosten abziehbar sind. Ob daneben dem Grunde nach Erblasserschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vorliegen könnten, bleibt offen. Der BFH hat der herrschenden Lehre damit in der Rechtsfolge zugestimmt, jedoch einen abweichenden Begründungsweg beschritten.
Dabei geht der BFH fast schulbuchmäßig vor und subsumiert die für die einkommensteuerlichen Nacherklärungen veranlassten Steuerberatungskosten überzeugend unter § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Im Verlauf der Entscheidung präzisiert der BFH die Voraussetzungen der Nachlassregelungskosten, insbesondere auch durch Abgrenzung von den nicht abzugsfähigen Nachlassverwaltungskosten. Einerseits ist es unschädlich, wenn die jeweiligen Kosten durch den Erben selbst ausgelöst werden und wenn es unter Umständen eine kostengünstigere Alternative gegeben hätte. Andererseits müssen die jeweiligen Kosten jedoch in der Auslegung des Begriffs „unmittelbar“ in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen entsprechend nicht Teil der späteren Verwaltung des Nachlasses sein. Welche Voraussetzungen hierfür im Detail erfüllt sein müssen, lässt der BFH offen, da sich dies nach den Umständen des Einzelfalls richtet.
In jedem Fall sind jedoch Kosten, die dem Erben zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, keine Nachlassverbindlichkeiten, da diese Kosten ebenso entstehen würden, wenn der jeweilige Gegenstand nicht (mehr) Teil des Nachlasses wäre. Eine Grenze ist zu ziehen, wenn Gewissheit über den Umfang und die Zusammensetzung des Nachlasses, insbesondere auch der Nachlassverbindlichkeiten besteht.
Im Ergebnis sind damit die geltend gemachten Steuerberatungskosten als Nachlassregelungskosten abzugsfähig, da sie dazu dienen, den Umfang der Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeit zu klären. Die zugrunde liegenden Einkommensteuerschulden rühren noch vom Erblasser her und sind damit eindeutig Nachlassverbindlichkeiten.
Gleichlautende Ländererlasse vom 09.02.2022
Mit etwas Verzögerung setzen die Finanzbehörden in gleichlautenden Ländererlassen vom 09.02.2022 die Entscheidung des BFH vom 14.10.2020 um. Diese Ländererlasse beschränken sich dabei jedoch ausschließlich auf die Einzelfallentscheidung des BFH und halten im Übrigen an der bisherigen Einschätzung fest. Nach wie vor sollen daher keine Erblasserschulden vorliegen, wenn der Erbe erst nach dem Tod des Erblassers einen Steuerberater für die Steuerangelegenheiten des Erblassers beauftragt. Gleichwohl sollen Nachlassregelungskosten, zumindest wenn man sich streng an den Wortlaut der Ländererlasse hält, nur bei Steuerberatungskosten vorliegen, „die dem Erben anlässlich einer Berichtigung für ursprünglich vom Erblasser abgegebene Steuererklärungen oder für die Nacherklärung von Steuern entstehen, die der Erblasser hinterzogen hat“.
Keine ausdrückliche Aussage treffen die Ländererlasse demnach darüber, ob abzugsfähige Nachlassregelungskosten auch dann gegeben sind, wenn der Erbe für noch offene Veranlagungszeiträume des Erblassers erstmals für die Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen einen Steuerberater beauftragt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung diese Kosten nach wie vor nicht als abzugsfähige Nachlassregelungskosten anerkennen möchte. Auf Grundlage der BFH-Entscheidung vom 14.10.2020 ist die gegenteilige Auffassung m.E. jedoch zwingend. Die zugrundeliegenden Steuerschulden stellen unproblematisch eine Nachlassverbindlichkeit dar und der Erbe kann zur Ermittlung dieser Nachlassverbindlichkeit einen Steuerberater beauftragen. Dies muss vor dem Hintergrund der BFH-Entscheidung unabhängig davon gelten, ob die Kosten durch den Erben selbst ausgelöst wurden und die Steuerschuld ggf. auch ohne Steuerberatung, also kostengünstiger, hätte ermittelt werden können. Dessen ungeachtet muss der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen gewahrt werden.
Fazit
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die BFH-Entscheidung vom 14.10.2020 die Voraussetzungen von Nachlassregelungskosten in begrüßenswerter Weise weiter präzisiert hat. Es hat sich gezeigt, dass für die Geltendmachung von Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit Steuerschulden des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten nicht nur Erblasserschulden in Betracht kommen, sondern wie der BFH überzeugend darlegt, im Regelfall abzugsfähige Nachlassregelungskosten vorliegen. Die Finanzverwaltung hat sich leider für eine begrenzte Umsetzung dieses Urteils entschieden und damit eine mögliche Klarstellung über die entschiedene Konstellation hinaus verpasst.
Über die Abzugsmöglichkeit von Steuerberatungskosten hinaus sollte noch Folgendes mitgenommen werden: Der Umstand, dass der Erbe aus eigenem Entschluss Kosten im Zusammenhang mit der Nachlassabwicklung auslöst, lässt keinen Rückschluss auf nicht abzugsfähige Kosten der Nachlassverwaltung zu, sondern ist in Bezug auf Nachlassregelungskosten unschädlich. Ferner ist die Höhe von Nachlassregelungskosten nicht auf deren Angemessenheit zu prüfen.