In vielen Unternehmen ist die Steuerabteilung 4.0 bereits Realität. Steuerprozesse laufen zunehmend automatisiert ab, was einerseits Kosten senkt. Zugleich müssen aber Budgets für die Beratung bei Spezialthemen erhöht werden. Auch Outsourcing kommt eine ganz neue Bedeutung zu. Wie Unternehmen sich zukunftsfit machen und Risiken abfedern können, erklärt Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. Peter Bömelburg, Geschäftsführender Partner bei der Kanzlei Rödl & Partner, Nürnberg.
DB: Herr Dr. Bömelburg, die Digitalisierung bewirkt einen Wandel in den Steuerabteilungen – welche neuen Risiken bringt dies mit sich?
Bömelburg: „Lassen Sie mich für meine Antwort bitte etwas ausholen: Steuerabteilungen waren in der Vergangenheit sehr autonom unterwegs, die Integration in die Unternehmensprozesse war schwach ausgeprägt. Grund hierfür war die Tatsache, dass das Thema, außer beim Leiter Steuern und beim CFO, keine Lobby hatte. Die Steuerabteilung wurde als ’notwendiges Übel‘ und ‚Geschäftsverhinderer‘ wahrgenommen. Digitalisierungsthemen im Bereich Steuern wurden auf der Agenda als ’nice-to-have‘ hinten angestellt. Vorhandene IT-Lösungen waren Insellösungen mit manuellen Schnittstellen zum übrigen Unternehmen.“
DB: Und heute?
Bömelburg: „Die Digitalisierung ändert dieses Bild nun radikal. Steuerliche Anforderungen können in die ohnehin vorhandene Digitalisierungsstrategie des Unternehmens integriert werden. Die Diskussionen um Tax Compliance und BEPS erzeugen die notwendige Aufmerksamkeit. Die Finanzverwaltungen haben die Chancen der Digitalisierung erkannt und beginnen, die Potenziale für Ihre Zwecke zu nutzen. Damit wird auch deutlich: Das größte Risiko der Digitalisierung für die Steuerabteilung ist, abgehängt zu werden, in Zukunft einer besser informierten Finanzverwaltung gegenüberzustehen und dabei die Reputation der ganzen Unternehmensgruppe zu riskieren, von den finanziellen und strafrechtlichen Konsequenzen ganz zu schweigen.“
DB: Wie lassen sich solche Risiken vermeiden?
Bömelburg: „Die Steuerabteilung muss sich öffnen und noch viel stärker ein Teil der Unternehmensgruppe werden. Um dies sicherzustellen, bedarf es eines ‚Change-Management-Ansatzes‘. Mit Veränderungsbereitschaft, einer Umsetzungsstrategie und den passenden Mitarbeitern kann dies gelingen. Die strategischen Stoßrichtungen Tax Analytics, Business Partnering, Tax Compliance und Lean Tax Process Management helfen bei der Orientierung und der Ableitung notwendiger Ziele und Maßnahmen.“
DB: Welche konkreten Veränderungen bewirkt derzeit die digitale Buchhaltung im Unternehmen?
Bömelburg: „Der selbst buchende Buchhalter mit Rechenmaschine und Ärmelschoner ist bereits heute Geschichte, insofern hat sich das Berufsbild verglichen mit vor zehn Jahren bereits heute sehr verändert. Dennoch ist der Buchhalter nicht verschwunden, vielmehr hat sich seine Tätigkeit auf die prozessuale Ebene verlagert. Prozessüberwachung, Sicherstellung der Prozesssicherheit, Klärung von Sonderfällen, Prozessentwicklung und -verbesserung gehören heute zum Aufgabengebiet. Und diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Innerhalb der Unternehmen werden die Prozesse auf Sicht nahezu vollständig automatisiert. Spannend wird dann die Schnittstelle zu Lieferanten und Kunden, Finanzverwaltung und anderen Behörden, um nur einige zu nennen. Es ist bereits absehbar, dass die Blockchain hier in den nächsten Jahren für tiefgreifende Veränderungen sorgen wird. Der Buchhalter und sein Prozesswissen werden bei dieser Entwicklung eine zentrale Rolle spielen.“
DB: Wann lohnt sich für Betriebe ein Outsourcing der Buchhaltung und welche Vorteile bringt die Übergabe der Buchhaltung an externe Dienstleister mit sich?
Bömelburg: „Im Grundsatz gilt: Outsourcing lohnt sich dann, wenn Ressourcen nicht vorhanden oder vorhandene Ressourcen besser eingesetzt werden können. Es gilt aber auch: Wenn ich Prozesse mit Hilfe der Digitalisierung automatisieren kann, ist Outsourcing nicht mehr notwendig. Outsourcing ist häufig die Vorstufe zur Automatisierung von Prozessen, weil der Outsourcing-Partner den Prozess standardisiert und dies eine Voraussetzung für Digitalisierung ist. Best-Practice-Ansätze und umfassendes Prozesswissen generieren dabei den Mehrwert für den Kunden und sind Kernkompetenz professioneller BPO-Dienstleister.“
DB: Wie wird sich die steuerliche Digitalisierung auf die Beratung auswirken?
Bömelburg: „Auch wir als Berater müssen uns auf Veränderungen einstellen. Von uns wird bereits heute viel mehr Umsetzungskompetenz erwartet. Die klassische gutachterliche Beurteilung oder die Darstellung von Handlungsalternativen genügen nicht mehr, die Erwartungen unserer Mandanten zu erfüllen. Der Berater muss zum wertschöpfenden Partner bei der Entwicklung der Steuerabteilung werden, Spezialist in seinem Fachgebiet mit dem Blick aufs große Ganze. Entsprechend werden sich Budgets auf Spezialthemen und die Prozessberatung verlagern, Routinedienstleistungen werden kaum mehr eine Rolle spielen.
Eines möchte ich an dieser Stelle deutlich machen, weil das sehr häufig missverstanden wird: Die Rolle des Beraters ist nicht die des Implementierers von IT-Tools, die dann auf wundersame Weise Prozesse vereinfachen und besser machen. Dieser Ansatz geht an der Realität in den Unternehmen vorbei, nicht funktionierende Prozesse werden durch IT-Tools nicht besser, sondern nur komplizierter. In der Beratung geht es vielmehr darum, effiziente Wege zur Umsetzung und Verbesserung von Prozessen zu finden. Die Digitalisierung, aber auch Outsourcing, sind hierfür die Klaviatur.“
DB: Das hört sich nach einer sehr komplexen Angelegenheit an, wie geht man dieses Thema in der Praxis an?
Bömelburg: „Das ist es in der Tat. Wir als Berater müssen das Denken in fachlichen Disziplinen aufbrechen und Querschnittsfunktionen für Prozesse und Digitalisierung schaffen. Die Querschnittsfunktionen bilden die Klammer für den bestmöglichen und einheitlichen Einsatz der Möglichkeiten der Digitalisierung. Die Bereiche Verrechnungspreise, Stichwort: Operational Transfer Pricing, und die von Massendaten geprägte Umsatzsteuer sind hier Vorreiter. Die sukzessive Erweiterung auf andere Themenfelder ist bereits in vollem Gange. Der Bereich BPO managt diese Komplexität schon lange. Um wettbewerbsfähig zu sein, muss der Dienstleister die eigenen Prozesse fit für die Digitalisierung machen. Besonders anschaulich ist dies im Bereich der digitalen Buchhaltung. Die Auslagerung unterschiedlichster Routineprozesse auf den Dienstleister öffnet einen weiten Blick auf unterschiedlichste Prozessvarianten. Für jeden Prozess die passenden Lösungen aus den verfügbaren Technologien auszuwählen, ist eine Schlüsselkompetenz.“
DB: Herr Dr. Bömelburg, vielen Dank für das spannende Interview!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.