Ausgangslage und Urteilsfall
Im Streitfall handelte es sich um eine dreistöckige Personengesellschaftsstruktur: An der Muttergesellschaft M-KG waren der Komplementär M (80,1%) sowie die Kommanditisten N (8,9%) und X-GmbH (11%) beteiligt. Alleingesellschafter der X-GmbH war wiederum M. Die Mutter M-KG war alleinige Kommanditistin der Tochtergesellschaft T-KG, deren Komplementärin T-GmbH vermögensmäßig nicht beteiligt war. Die T-KG war wiederum alleinige Kommanditistin der Enkelgesellschaft E-KG, an deren Vermögen die Komplementärin X-GmbH ebenfalls nicht beteiligt war.
Im Jahr 2010 brachte die T-KG ein bebautes Betriebsgrundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die E-KG zu Buchwerten nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG ein.
Zwei Jahre später kam es zur Umstrukturierung der Gruppe:
- Im August 2012 übertrug N seinen (gesamten) Kommanditanteil auf M.
- Am selben Tag übertrug die X-GmbH einen Zwerganteil an der M-KG an die Y-GmbH, die infolgedessen neue Kommanditärin der M-KG wurde.
- Mit Vertrag vom September 2012 wurde die X-GmbH auf die M-KG mit rückwirkender steuerlicher Wirkung zum 31.01.2012 verschmolzen (Abwärtsverschmelzung).
- Mit Beschluss vom 21.09.2012 wurde die M-KG mit steuerlicher Rückwirkung auf den 01.02.2012 in die M-GmbH formwechselnd umgewandelt. Die X-GmbH war nach den Verträgen vor Wirksamwerden des Formwechsels erloschen und nicht mehr an der formgewechselten M-GmbH beteiligt. Der Formwechsel wurde steuerrechtlich zu Buchwerten durchgeführt.
- Die T-KG wurde ebenfalls durch notariell beurkundeten Beschluss mit steuerrechtlicher Wirkung auf den 02.02.2012 in die T-GmbH umgewandelt.
Im Rahmen einer Außenprüfung der jetzigen T-GmbH gelangte der Außenprüfer zur Auffassung, in der formwechselnden Umwandlung der T-KG in die T-GmbH sei ein Sperrfristverstoß i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 6 EstG zu sehen. Durch die 100%-ige Beteiligung der T-GmbH an der E-KG sei innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG mittelbar der Anteil einer Körperschaft am übertragenen Betriebsgrundstück zu 100% begründet worden. Der Teilwert sei entsprechend anzusetzen. Das FA schloss sich dieser Rechtsauffassung an und änderte die Bescheide entsprechend.
Nach erfolglosen Vorverfahren klagte die T-GmbH dagegen. Ihre Argumentation war im Wesentlichen wie folgt:
- Infolge des späteren Formwechsels zu Buchwerten wäre auch ohne die Übertragung das Betriebsgrundstück einer Körperschaft zuzurechnen gewesen. Es fehle insofern an einem inneren Zusammenhang zwischen Übertragung und Beteiligung einer Körperschaft.
- Es sei eine teleologische Reduktion erforderlich sei, weil im umgekehrten Fall, d.h. erst Formwechsel der T-KG in T-GmbH und anschließender Übertragung des Grundstücks auf die E-KG, kein Sperrfristverstoß vorläge.
- Es sei kein missbräuchlicher Steuervorteil erzielt worden, da durch den Formwechsel der gesamte Betreib, dem das Betriebsgrundstück zuzurechnen war, nach den Regelungen des UmwStG überführt worden sei und dieser mit § 22 Abs. 1 UmwStG eine eigene Sperrfristregelung vorsähe.
Das beklagte FA wendete dagegen ein, dass im Streitjahr 2010 gerade keine formwechselnde Umwandlung einer ganzen Gesellschaft erfolgt sei, sondern eine Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern. Das UmwStG biete keine Grundlage dafür, dass eine nachfolgende Umwandlung zur Nichtanwendbarkeit der Sperrfristregelung des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG führe. Der vorliegende Sperrfristverstoß könne daher nicht außer Betracht bleiben. Das FG Niedersachsen gab dem FA mit Urteil vom 26.10.2018 (3 K 173/16) Recht.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH entschied mit der Vorinstanz, dass ein Sperrfristverstoß vorliege, wenn bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft innerhalb der Sperrfrist eine Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft formgewechselt und hierdurch ein mittelbarer Anteil dieser Kapitalgesellschaft begründet werde.
In seinen Urteilsgründen stellt der Senat in den Vordergrund, dass der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 5 Sätze 5, 6 EStG von vornherein verhindern wolle, dass im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene stille Reserven entweder zum Einbringungszeitpunk oder innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist steuerneutral von dem Einkommensteuerregime in das Körperschaftsteuerregime wechseln. Eine Statusänderung der stillen Reserven auf Ebene des Gesellschafters soll vermieden werden. Dabei erfasse § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG all diejenigen Fälle, in denen aus anderen Gründen (als der Übertragung) der Anteil eines Körperschaftsteuersubjekts nach der Übertragung erhöht oder begründet werde. Einen solchen anderen Grund sieht der BFH auch in einem Formwechsel, selbst wenn dieser zivilrechtlich identitätswahrend erfolge. Ein zivilrechtlicher oder ertragsteuerlicher Rechtsträgerwechsel sei nicht Voraussetzung eines „anderen Grundes“.
Dass eine innere Verknüpfung zwischen der Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und der späteren Anteilsbegründung/-erhöhung erforderlich sei, lehnte der BFH ab. Ein Sperrfristverstoß scheide nicht allein deshalb aus, weil die Anteilsbegründung /-erhöhung des Körperschafsteuersubjekts an dem übertragenen Wirtschaftsgut auch ohne die Übertragung nach Satz 3 eingetreten wäre. Es sei allein erforderlich, dass zeitlich nach der Übertragung ein solcher Anteil begründet oder erhöht wird.
Auch sei der Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG nicht teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass ein Sperrfristverstoß ausscheidet, wenn die Anteilsbegründung durch einen Formwechsel der Oberpersonengesellschaft nach §§ 25 Satz 1, 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zu Buchwerten erfolgt. Anders als § 22 Abs. 1 UmwStG begrenzt § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG seine steuerschädliche Sanktion nicht auf die Gesellschafterebene. Vielmehr möchte die Vorschrift von vornherein einen Transfer von stillen Reserven aus dem Einkommensteuerregime in das Körperschaftsteuerregime verhindern. Genau dies sei vorliegend jedoch der Fall, da die stillen Reserven nach dem Formwechsel nicht mehr dem nahezu allein an der M-KG beteiligten M, sondern der M-GmbH zuzurechnen sein.
Die Ausführungen des Klägers, im umgekehrten Fall (erst Formwechsel, dann Übertragung) hätten stille Reserven nicht besteuert werden müssen, lehnt der BFH ebenfalls ab. Anknüpfungspunkt sei allein der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt, nicht ein hypothetischer.
Bedeutung für die Praxis
Es ist bedauerlich, dass ein nach dem UmwStG privilegierter Vorgang zu einem Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG führt und damit eine vermeintlich erfolgsneutrale Umwandlung an anderer Stelle zur Aufdeckung stiller Reserven führt. In der Praxis ist insofern vor Durchführung einer Umwandlung zwingend zu prüfen, ob innerhalb der letzten sieben Jahre Wirtschaftsgüter mit wesentlichen stillen Reserven zu Buchwerten nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auf die Personengesellschaft übertragen wurden. Gleichwohl dürfte die Entscheidung des BFH wenig überraschen. Denn anders als an anderen Stellen (vgl. § 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG, § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG) fehlt es an einer Regelung, die klarstellt, dass ein Vorgang nach dem UmwStG unschädlich ist.
Die Bedeutung des hiesigen Urteils dürfte sich nicht nur auf Fälle des Formwechsels nach § 25 UmwStG beschränken. Vielmehr dürfte das Urteil im Hinblick auf die derzeitigen Überlegungen vieler Personengesellschaften zur Wahrnehmung des mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts eingeführten Optionsmodells, nach welchem sich Personengesellschaft nach Ausübung der Option wie Kapitalgesellschaften besteuern lassen können, von erheblicher Relevanz sein. Denn die Ausübung der Option stellt steuerlich einen fiktiven Formwechsel der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft dar. Auch ist ein zivil- oder ertragsteuerlicher Rechtsträgerwechsel, der bei der Ausübung der Option nicht vorliegt, nach Auffassung des BFH nicht erforderlich. Vor allem aber ist der vom BFH in seinem Urteil immer wieder betonte Gesetzeszweck – Vermeidung des Übergangs stiller Reserven von dem Einkommensteuer- auf das Körperschaftsteuerregime – einschlägig, da die optierende Personengesellschaft wie eine Körperschaft besteuert wird. Die Ausübung der Option dürfte insofern zu einem Sperrfristverstoß i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG führen. Dies stellt der aktuelle Entwurf eines BMF-Schreibens zur Option der Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG) auch ausdrücklich klar. Dies ist bedauerlich und es bleibt abzuwarten, ob hier noch Abhilfe geschaffen wird. Auch vor Ausübung der Option sollte jedenfalls sorgsam geprüft werden, ob innerhalb der letzten sieben Jahre Wirtschaftsgüter i.S.d § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG überführt wurden.