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11.06.2021

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Sorgfaltspflichtengesetz: Menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Lieferkette

Nach zähem Ringen scheint der Weg für das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, kurz Sorgfaltspflichtengesetz, nun frei. Die Verabschiedung soll noch vor der politischen Sommerpause erfolgen und international agierende Unternehmen somit ab 2023 hinsichtlich der Achtung international anerkannter Menschenrechte in ihren Lieferketten in die Verantwortung genommen werden. Dabei ist das Gesetz zunächst nur auf Unternehmen mit mehr 3.000 Mitarbeitern anwendbar, allerdings sinkt dieser Schwellenwert bereits 2024 auf 1.000 Mitarbeiter. Ungeachtet dessen ist von einem Streueffekt auszugehen, der auch mittelständische Unternehmen erfasst.

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Von der freiwilligen Selbstverpflichtung…

Schon heute ist Corporate Social Responsibility in vielen Unternehmen Bestandteil der Unternehmenskultur und hat zu Vereinbarungen mit Zulieferern geführt, die unter anderem die Wahrung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen zum Gegenstand haben. Diese Initiativen sind einerseits Ausdruck gesellschaftlichen Drucks auf Unternehmen, stellen doch Verletzungen menschenrechtlich geschützter Rechtspositionen für viele Unternehmen ein unkalkulierbares Reputationsrisiko dar. Andererseits gehen sie aber auch auf politische Aktivitäten zurück, denn bereits 2011 hat die Weltgemeinschaft mit den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte einen globalen Verhaltensstandard für Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte in der Lieferkette geschaffen. Die dort verankerten, rechtlich nicht bindenden Sorgfaltspflichten auf dem Gebiet der Menschenrechte sind sodann von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in deren Rahmenwerke übernommen worden und bildeten zugleich die Grundlage für den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, den die Bundesregierung 2016 beschlossen hat. Der Rahmen war also gesteckt, wenn auch „nur“ völkerrechtlich bindend; Arbeitnehmer konnten und können hieraus keine unmittelbaren Rechte ableiten. Für Deutschland freilich gewähren die Grundrechte und deren Ausstrahlung in das Wirtschafts- und Arbeitsleben die Einhaltung dieser Menschenrechte und damit ausreichend Schutz ohnehin. Internationale Lieferketten hingegen wurden hiervon nicht erfasst. Vielmehr hoffte die Politik, mit dem Nationalen Aktionsplan einen attraktiven Rahmen für freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft geschaffen zu haben.

… über das Sorgfaltspflichtengesetz…

Ausweislich der Gesetzesbegründung erkennt der Gesetzgeber nun aber seine Bemühungen mit dem Nationalen Aktionsplan um freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen und die Etablierung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten durch Unternehmen als nicht ausreichend und hält eine gesetzliche Verankerung mit behördlichen Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen für geboten. Letztere werden durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wahrgenommen. Dieser Entwicklung entsprechend greift das Sorgfaltspflichtengesetz bei seiner Definition der Menschenrechte explizit auf die im Anhang befindlichen Übereinkommen der ILO zurück und macht diese verbindlich. Unternehmen haben künftig entlang der Lieferkette und insbesondere im Verhältnis zu ihrem Direktzulieferer die Sorgfaltspflichten des § 3 Sorgfaltspflichtengesetz zu beachten und mittels weitreichender Organisations-, Prüfungs-, Handlungs- sowie Dokumentations- und Berichtspflichten  zur Vermeidung menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken beizutragen. Arbeitsrechtlich betrachtet sollen damit insbesondere Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Sklaverei, Arbeitsschutz, Lohnausbeutung und Diskriminierung eingedämmt sowie die Koalitionsfreiheit geschützt werden. Nun hat der politische Konsens allerdings zu einer gesetzlichen Klarstellung dahingehend geführt, dass zivilrechtliche Haftungsrisiken der Unternehmen durch das Sorgfaltspflichtengesetz nicht erweitert werden sollen. Prozessual hingegen begründet das Gesetz eine Prozessstandschaft, die es Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen erlaubt, die Ansprüche von Arbeitnehmern der im Ausland angesiedelten Direktzulieferer in Deutschland gegen hiesige Auftraggeber einzuklagen. Damit steht die Frage im Raum, wie der Anspruch inhaltlich ausgestaltet ist. Mit Art. 4 I ROM II-VO ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist, mithin also in dem der Direktzulieferer die Rechtsverletzung begangen hat. Deutsche Unternehmen und Gerichte sind also aufgerufen, sich mit den Jurisdiktionen der Ländern zu befassen, in denen die Direktzulieferer agieren.

… zum europäischen Lieferkettengesetz?!

Bemerkenswert ist, dass das Europäische Parlament der Europäischen Kommission im März dieses Jahres, also zeitgleich mit dem nationalen Gesetzgebungsverfahren in Deutschland, eine Empfehlung für ein Europäisches Lieferkettengesetz unterbreitet hat. Es wird erwartet, dass die Europäische Kommission schon im Juni 2021 einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorlegen wird, der inhaltlich zumindest zum Teil deutlich über das nationale Sorgfaltspflichtgesetz hinausgeht. Da Richtlinien in nationales Recht umzusetzen sind, kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass eine Anpassung des Sorgfaltspflichtengesetzes noch vor Beginn seiner Anwendbarkeit ab 2023 vorzunehmen ist.


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