1. Ausgangsfall
Im zu entscheidenden Fall des FG Münster übertrug der Schenker Anteile an einer gewerblich geprägten PersGes. (KG) an seine Kinder. Zweck der KG war die Vermietung und Verpachtung von eigenen Immobilien. Zum Zeitpunkt der Schenkung befanden sich im Vermögen der KG zwei Grundstücke – beide im Zustand der Bebauung. Entgegen den eingereichten Feststellungserklärungen qualifizierte das Finanzamt die Grundstücke als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG.
2. §§ 13a, 13b ErbStG und die Bedeutung von Verwaltungsvermögen
Die §§ 13a, 13b ErbStG ermöglichen bei Erwerb von begünstigtem (Betriebs-)Vermögen eine Steuerverschonung von 85% oder sogar 100%. Die Regelungen zielen darauf ab, in personaler Verantwortung geführte Betriebe, namentlich die deutsche KMU-Landschaft, zu schützen (BT-Drucks. 16/7918 S. 23). Denn die hohen Steuersätze des ErbStG können bei fehlender Liquidität des Erwerbers dazu führen, dass dem Betrieb dringend notwendige Liquidität für Innovationen und für die Sicherung von Arbeitsplätzen entzogen wird.
Nicht begünstigt ist demgegenüber das sog. Verwaltungsvermögen des Betriebs. Dabei handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die in der Regel der risikolosen Vermögensverwaltung zuzuordnen sind (BT-Drucks. 16/7918 S. 35). Die Unterscheidung dient der zielgenauen Begünstigung. Die Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens sind in § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 ErbStG abschließend aufgezählt. Zu diesen gehören nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG auch Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke.
3. Auslegung der Nutzungsüberlassung und Einordnung des Bebauungszustands
Ein Grundstück ist Dritten zur Nutzung überlassen, wenn der Nutzende ein Recht zum Besitz auf Grundlage einer mit dem Grundstückseigentümer getroffenen Vereinbarung hat (Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 102. Lieferung, 10/2024, § 13b Rn. 93). Unerheblich ist dabei, ob die Nutzungsüberlassung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, auf welchem Rechtsgrund sie fußt und auf welche Dauer sie angelegt ist (Kirnberger, in: ErbStG – eKommentar, 1974, § 13b ErbStG Rn. 63).
Die Überlassung an Dritte muss grundsätzlich zum maßgeblichen Stichtag vorliegen, in dem die Steuer entsteht (§§ 9 und 11 ErbStG; Stichwort: „Stichtagsprinzip“). Das FG Münster hatte sich nun mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ausnahmsweise auch eine Anknüpfung an zukünftige Verhältnisse, eine Absicht zukünftiger Vermietung, in Betracht kommt. Diese Frage wurde klar verneint. Eine Abweichung vom strengen Stichtagsprinzip sei im Wortlaut der Regelung – anders als bei seiner Nachbarvorschrift § 13b Abs. 5 ErbStG – nicht angelegt. Der Wortlaut fordere vielmehr ein tatsächliches Überlassen zum Stichtag („Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke“). Dies bestätige auch der Vergleich mit § 13d Abs. 3 Nr. 1 ErbStG, der durch seinen weiter gefassten Wortlaut („Grundstücke […], die zu Wohnzwecken vermietet werden“) auch die zukünftig beabsichtigte Nutzung berücksichtige.
Ferner führe der Sinn und Zweck nicht zu einer anderen Bewertung. Bei Grundbesitz in Bebauung stehe zum Stichtag noch nicht zwingend fest, wie dieser später genutzt wird. Damit wäre es möglich, dass das Grundstück in Zukunft originär betrieblich genutzt wird und damit nicht zum Verwaltungsvermögen zählt. Abschließend lehnt das FG eine analoge Ausweitung des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG ab. Der Katalog des Verwaltungsvermögens sei abschließend. Jede erweiternde Analogie sei verboten, denn sie wirke sich zulasten des Steuerpflichtigen aus.
Mit Rücksicht auf die zum Stichtag nicht erfolgte Überlassung an Dritte zählte das FG damit folgerichtig Grundstücke im Zustand der Bebauung nicht zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG.
4. Kein Gestaltungsmissbrauch
Nach den vorgenannten grundsätzlichen Erwägungen diskutierte das FG allerdings noch die Frage eines möglichen Gestaltungsmissbrauchs. Hier zitierte das FG ein altes BFH-Urteil zum „Schütt-aus-Hol-zurück“-Verfahren. Hiernach soll ein Gestaltungsmissbrauch in Betracht kommen, wenn eine Gestaltung umständlich, kompliziert, schwerfällig und gekünstelt ist (vgl. BFH, Urteil vom 19.08.1999 – I R 77/96). Das FG Münster lehnte einen Gestaltungsmissbrauch ab und stellte fest, dass die Wahl des Schenkungszeitpunktes nicht unter die vorgenannten Kriterien subsumiert werden kann. Vielmehr sei eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen zum Ablauf eines Wirtschaftsjahres üblich und aufgrund der ohnehin aufgestellten Bilanz auch praktikabel.
5. Urteilsanmerkung
Das FG lehnt in begrüßenswerter Klarheit sowohl Abweichungen vom strengen Stichtagsprinzip als auch eine Ausweitung des Katalogs des Verwaltungsvermögens ab. Das Argument der noch nicht feststehenden Nutzung der Grundstücke im Bau erscheint allerdings etwas schwach, insbesondere vor dem Hintergrund des Gesellschaftszwecks der übertragenen Personengesellschaft. Auch die Ablehnung des Gestaltungsmissbrauchs könnte etwas klarer gefasst werden. Die Wahl des Schenkungszeitpunktes kann isoliert niemals einen Gestaltungsmissbrauch darstellen. Sie ist Teil der grundgesetzlich geschützten Dispositionsfreiheit des Schenkers über sein Eigentum.
Mit dem Urteil sollte einstweilen feststehen, dass Grundstücke im Zustand der Bebauung nicht zum Verwaltungsvermögen zählen. Der BFH wird die Entscheidung nicht überprüfen können, da die Finanzverwaltung keine Revision eingereicht hat (Auskunft der Geschäftsstelle des II. Senats vom 14.01.2025).
Zu klären ist, ob die Entscheidungsgründe auf weitere Konstellationen nicht vermieteter Grundstücke übertragbar sind. Klar erscheint, dass unbebaute Grundstücke ebenso kein Verwaltungsvermögen sind („Erst-recht-Schluss“). Schwieriger zu beurteilen sind Grundstücke, die (zeitweise) leer stehen (sog. Leerstandmodell) und ggf. gerade renoviert werden. Beide Fälle haben (im Unterschied zu Bebauungsfällen) gemeinsam, dass vor der Leerstands- bzw. Renovierungszeit eine Überlassung an Dritte bereits erfolgt ist. Somit greift das Argument des FG Münster, dass bei ungenutztem Grundbesitz die Nutzung zum Stichtag noch nicht feststehe, bei Leerstands- und Renovierungsfällen nicht. Allerdings werden auch diese Fälle nicht vom Wortlaut des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG erfasst. Denn eine tatsächliche Nutzungsüberlassung an Dritte liegt zum Stichtag jeweils nicht vor. Während jedoch bei Renovierungsfällen (wie bei Bebauungsfällen) eine Nutzung auch gar nicht möglich ist, könnte bei Leerstandsfällen die Nutzung jederzeit wieder aufgenommen werden. Leerstandsfälle werfen daher die Frage auf, ob eine abstrakte/generelle Möglichkeit zur Nutzungsüberlassung an Dritte für die Annahme von § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG genügt. Dies wird teilweise mit Blick auf die Parkhaus-Entscheidung des BFH (Urteil vom 28.02.2024 – II R 27/21) bejaht (Stein/Dorn, ErbBstg 2025 S. 12[14]). Jedenfalls werden Leerstandsfälle (insbesondere die Ursache des Leerstands) zunehmend kritisch betrachtet. Nichtsdestoweniger bleibt es nach überwiegender Ansicht die gesetzgeberische Pflicht, die Behandlung von Leerstand gesetzlich zu normieren.