Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 22.05.2025 (V R 22/23) dem EuGH mehrere Fragen zur Vereinbarkeit der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot vorgelegt. Zu klären ist, ob der Erweiterung der Steuerbegünstigung für Zweckbetriebe auf sog. Servicekörperschaften (= Gesellschaften, die Dienstleistungen gegen Vergütung in Kooperation mit einer als gemeinnützig anerkannten Körperschaft erbringen) der Charakter einer Beihilfe nach Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) zukommt. Des Weiteren hat der EuGH zu entscheiden, ob eine nicht dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot unterfallende Altbeihilfe vorliegt, weil § 57 Abs. 3 AO nur einer Regelung ähnelt, die schon vor dem Inkrafttreten des Vertrags über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 01.01.1958 vorgelegen hat.
Ist § 57 Abs. 3 AO unionsrechtswidrig?
Die für die Steuerbegünstigung bei Gemeinnützigkeit erforderliche unmittelbare Verfolgung steuerbegünstigter satzungsmäßiger Zwecke setzt grundsätzlich voraus, dass die begünstigte Körperschaft diese Zwecke selbst verwirklicht. Aufgrund des durch das Jahressteuergesetz 2020 neu geschaffenen § 57 Abs. 3 AO kann dieses Erfordernis nunmehr unter erleichterten Bedingungen erfüllt werden. Lagert z.B. ein Krankenhaus eine bislang im steuerbegünstigten Zweckbetrieb „Krankenhaus“ geführte Wäscherei auf eine eigenständige GmbH aus, soll es durch die Neuregelung ermöglicht werden, nunmehr auch die Wäscherei-GmbH als steuerbegünstigte Körperschaft anzusehen, wenn ein planmäßiges Zusammenwirken mit dem Krankenhaus vorliegt. Hierdurch kommt es zu einer steuerrechtlichen Bevorzugung dieser GmbH gegenüber anderen Wettbewerbern.
Darum ging es im Streitfall
Der konkrete Streitfall unterstreicht dies. Die Klägerin beabsichtigt, als Servicekörperschaft Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und des Rechnungswesens für eine gemeinnützige Stiftung zu erbringen. Ist im Rahmen des streitigen Feststellungsverfahrens nach § 60a AO aufgrund der Neuregelung von einer unmittelbaren steuerbegünstigten Zweckverfolgung auszugehen, kann die Klägerin z.B. ihre Leistungen an die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Stiftung zum ermäßigten Umsatzsteuersatz erbringen, während Wettbewerber dieselben Leistungen nur zum Regelsteuersatz erbringen können. Damit kann die Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO in Bezug auf die Erbringung beliebiger marktgängiger Leistungen auf dem Nachfragemarkt steuerbegünstigter Körperschaften als zulasten anderer Anbieter wettbewerbsrelevant angesehen werden. Daher hat der EuGH nunmehr unter Auslegung von Art. 107 und Art. 108 AEUV zu entscheiden, ob eine beihilferelevante Unternehmensbegünstigung vorliegt. Zu klären sein wird insbesondere, ob die zulasten der steuerbegünstigten Körperschaften bestehenden Beschränkungen – wie etwa in Bezug auf die Mittelverwendung – der Annahme einer Beihilfe entgegenstehen können.
Erhebliche Konsequenzen für zahlreiche Servicekörperschaften
Nach § 108 Abs. 3 AEUV ist die EU-Kommission grundsätzlich vor jeder Neueinführung oder Umgestaltung einer Beihilfe zu unterrichten. Die Notifizierung bedeutet nicht per se, dass die Beihilfe wettbewerbsverzerrend sein muss. Sie dient vielmehr der Prüfung durch die Kommission, ob die Beihilfe genehmigungsfähig ist. Ein solches Notifizierungsverfahren wurde nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums aber im Streitfall nicht durchgeführt. Sollte der EuGH entscheiden, dass § 57 Abs. 3 AO eine neue Beihilfe darstellt, die wettbewerbsverzerrend wirkt, dürfte die Vorschrift nicht mehr angewendet werden. Servicekörperschaften wie auch der Klägerin wäre der Status der steuerbegünstigten Gemeinnützigkeit zu versagen.