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11.03.2025

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Schlussantrag des Generalanwalts in der Sache C-134/24

Am 27. Januar schrieben wir den 20. Jahrestag der „Junk“-Entscheidung des EuGH zur Massenentlassungsrichtlinie (RL 97/59/EG) und deren deutsche Umsetzung in § 17 KSchG (C-188/03). Wir erinnern uns: Im Jahr 2005 hatte der EuGH das deutsche System der Massenentlassungsanzeigepflicht gründlichst auf den Kopf gestellt.

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Damals wurde aus der Anzeige, die mit der Pflicht zur rechtzeitigen Unterrichtung der Agenturen für Arbeit über eine bevorstehende Massenentlassung darauf zielte, dass diese sich auf die Belastungen im Arbeitsmarkt einstellen können, eine Wirksamkeitsvoraussetzung jeder einzelnen Kündigung. Die Massenentlassungsanzeige war damit ein neues Spielfeld für Arbeitnehmeranwälte und -anwältinnen. Geplant war das vom deutschen Gesetzgeber so nie. Aber die geänderte Rspr. brachte zahlreiche Massenentlassungen zu Fall. Ob durch die diversen Formvorschriften jemals die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses am Ende verhindert wurde, ist ungewiss, aber unwahrscheinlich.

Seit einiger Zeit ist wieder Bewegung in die Diskussion gekommen, ob es richtig ist, dass die fehlende oder gar nur unvollständige Massenentlassungsanzeige dazu führen soll, dass die anschließenden Kündigungen unwirksam sind – oder, ob es zur Wirksamkeit der Kündigung nicht reicht, dass eine fehlende oder falsche Anzeige nach Ausspruch der Kündigung nachgeholt wird. Am 13.07.2023 (C-134/22) entschied der EuGH, dass Bestandteile der Richtline, welche die Übermittlung von Informationen an die Behörde betreffen, nur dem Zweck dienen, die Behörde in die Lage zu versetzen, die Folgen der Entlassung für den Arbeitsmarkt einzuschätzen und zu begrenzen. Diese Teile dienen nicht dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers vor einer Entlassung (ins deutsche Recht übersetzt: Die Kündigung ist wegen eines solchen Fehlers nicht unwirksam).

6. Senat und 2. Senat des BAG

Was dann passierte, ist ein kompliziertes Verfahren, das gewisse Einblicke in das Innenleben des BAG gibt. Der 6. Senat des BAG wollte nun seine Rspr. dahin ändern, dass auch die gänzlich fehlende Anzeige nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen führt. Er sah sich aber daran durch die bis dato bestehende Rspr. des 2. Senats des BAG gehindert, der bisher im Sinne der „Junk„-Entscheidung entschieden hatte. Der 6. Senat fragte am 14.12.2023 den 2. Senat, ob dieser an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalte.

Der Fall wäre einfach gewesen, wenn der 2. Senat einfach „nein“ gesagt hätte, aber so kam es nicht. Der 2. Senat wollte nämlich zumindest danach differenzieren, ob die Anzeige gänzlich fehlt (dann Unwirksamkeit der Kündigung) oder nur fehlerhaft ist und legte die Frage dem EuGH vor (BAG vom 01.02.2024 – 2 AS 22/23). Der 6. Senat hatte aber nun Bedenken, ob der – nur zur BAG-internen Klärung angerufene – 2. Senat überhaupt eine Vorlage an den EuGH machen darf und legte die Sache seinerseits dem EuGH vor nach dem Motto: Sicher ist sicher. Jetzt ist also der EuGH wieder dran (C-134/24).

Schlussantrag des Generalanwalt

Bevor der EuGH entscheidet, hat der Generalanwalt das Wort und dieser hat im Verfahren des 2. Senats (also für den Fall, dass die Anzeige gänzlich fehlt) am 27.02.2025 einen Schlussantrag vorgelegt. Früher war dazu die Ansicht verbreitet, dass der EuGH idR. nicht von Schlussanträgen abweicht, aber das stimmt so längst nicht mehr. Wie der EuGH also am Ende entscheidet, ist offen. Dennoch ist der Schlussantrag interessant.

Generalanwalt Norkus setzt sich zunächst sehr ausführlich mit der Frage auseinander, ob der 2. Senat den EuGH überhaupt anrufen darf, was er aber so annimmt. In der Sache schlägt der Generalanwalt dem EuGH – vereinfacht ausgedrückt – vor, wieder zu den Grundsätzen der „Junk„-Entscheidung zurückzukehren und dahingehend zu entscheiden, dass die anzeigepflichtigen Kündigungen nur dann wirksam sind, wenn das in der Richtlinie geregelte Verfahren eingehalten und die Anzeige ordnungsgemäß geschaltet wurde. Das wäre ein enormer Rückschritt vom gerade angefangenen Fortschritt. Nicht zu verkennen ist, dass der Generalanwalt sich damit auch gegen die Entscheidung des EuGH vom Juli 2023 stellt, weil er der Richtlinie doch wieder den Charakter beimisst, einzelne Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu schützen. Ob der EuGH dem folgt, bleibt abzuwarten.

Es bleibt spannend bei der Massenentlassungsanzeige

Ändert der EuGH die Rspr. und billigt die Ansicht des 6. Senats oder wenigstens die des 2. Senats, sind Gerichte 20 Jahre lang in die falsche Richtung gerudert. Es sind vor Arbeitsgerichten Schlachten ausgefochten worden, die man nie hätte ausfechten müssen, es sind Arbeitsagenturen mit zahlreichen (vorsorglichen) Anzeigen geflutet wurden, die so nie hätten gestellt werden müssen. Und es wurden ganze Verfahren mit vorsorglichen erneuten Kündigungen flankiert, die man sich hätte sparen können. Es bleibt spannend.

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