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06.08.2020

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Schenkungswiderruf als ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang

Mit Urteil vom 04.03.2020 (II R 2/17; vgl. hierzu Füssenich, StR kompakt) hat der BFH erstmals Grundsätze im Zusammenhang mit der äußerst praxisrelevanten Frage aufgestellt, ob Grunderwerbsteuer auch durch den Widerruf einer Schenkung ausgelöst werden kann.

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RA/FAfStR Dr. Sebastian Löcherbach, LL.M.
, Senior Associate bei P+P Pöllath + Partners, München

Sachverhalt

Anfang 2007 war V (Kläger und Revisionskläger) mit einer Beteiligungsquote von 10% als Kommanditist an der A GmbH & Co. KG beteiligt. Weitere Kommanditisten waren die Söhne des V zu gleichen Teilen (je 45%). Zusätzlich war V mit einer Beteiligungsquote von 75% als Kommanditist an der grundbesitzhaltenden E GmbH & Co. KG beteiligt; die Beteiligung hatte er im Jahr 2003 von ausscheidenden Kommanditisten erworben. Die übrigen 25% der Kommanditanteile der E GmbH & Co. KG hielt die A GmbH & Co. KG.

V hatte seinen beiden Söhnen im Jahr 1995 die Kommanditbeteiligungen an der A GmbH & Co. KG jeweils unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs schenkweise übertragen, wobei er zusätzlich unwiderruflich zur Ausübung der Stimm- und Verwaltungsrechte aus den übertragenen Kommanditanteilen bevollmächtigt wurde. Er behielt sich vertraglich zudem das Recht vor, die Schenkungen frei zu widerrufen und die Rückübertragung der Kommanditanteile zu verlangen. Von diesem freien Widerrufsrecht machte V schließlich im Jahr 2007 Gebrauch und die Söhne kamen dem Verlangen des V nach Rückübertragung der Kommanditanteile nach.

Das Finanzamt beurteilte den Widerruf der Schenkungen durch V und die damit verbundene Vereinigung der Kommanditanteile an der A GmbH & Co. KG als Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in Bezug auf die grundbesitzhaltende E GmbH & Co. KG. Nachdem Einspruch und Klage erfolglos geblieben sind, wandte sich V mit der Revision an den BFH. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 i.V.m § 6 Abs. 2 GrEStG wurde von der Finanzverwaltung wegen § 6 Abs. 4 GrEStG zutreffend mit 25 % angesetzt. Dies war zwischen den Beteiligten nicht streitig und daher nicht Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidung des BFH

1. Schenkungswiderruf als grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang

Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH entschieden, dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Steuerpflicht an das Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand knüpft. Unter Rechtsgeschäft in diesem Sinne seien einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte zu verstehen, die einen Anspruch auf Übertragung einer oder mehrerer Anteile an der Gesellschaft begründen und die in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt seien. Vor diesem Hintergrund hat der BFH den Widerruf einer Schenkung als entsprechendes Rechtsgeschäft erfasst, da dieser in den jeweiligen Schenkungsverträgen (= schuldrechtliches Geschäft) bereits angelegt war. Unter Verweis auf das Zivilrecht stellt der BFH fest, dass der Widerruf als Gestaltungsrecht selbst zwar kein Schuldverhältnis begründe, gleichwohl aber den Inhalt eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses ändere.

Aufgrund der Ausübung des vorbehaltenen, freien Widerrufs der Schenkungen mussten die Söhne die von ihnen insgesamt gehaltenen 90% der Kommanditanteile an der A GmbH & Co. KG an V zurückübertragen. Mit Ausübung des Widerrufs der Schenkungen waren dem V aufgrund der 25%-Beteiligung der A GmbH & Co. KG an der grundbesitzhaltenden E GmbH & Co. KG mittelbar Anteile von 22,5% (= 90% von 25%) an der E GmbH & Co. KG zuzurechnen. Die übrigen 77,5% waren ebenfalls V zuzurechnen, und zwar zu 75% unmittelbar und zu 2,5% (= 10% von 25%) mittelbar über die A GmbH & Co. KG.

2. Keine grunderwerbsteuerliche Zurechnung der (geschenkten) Anteile aufgrund Vorbehaltsnießbrauchs und unwiderruflicher Vollmacht für Stimm- und Verwaltungsrechte

Der BFH stellt schließlich klar, dass die unwiderrufliche Vollmacht zugunsten des V für die grunderwerbsteuerliche Zurechnung der geschenkten Kommanditanteile an die Söhne als Gesellschafter unerheblich sei. Die Kommanditanteile seien den Vollmachtgebern und nicht dem Bevollmächtigten zuzurechnen. Dem Bevollmächtigten werde nur die Möglichkeit eingeräumt, die wesentlichen Gesellschafterrechte für den Gesellschafter wahrzunehmen. Entsprechend hatte der BFH bereits zu § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG entschieden (BFH vom 30.08.2017 – II R 39/15, DB 2018 S. 33) und ausgeführt, dass die Einräumung einer umfassenden, unwiderruflichen Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil nicht ausreicht, um eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG im Hinblick auf den von der Vollmacht umfassten Gesellschaftsanteil anzunehmen.

3. Keine Anteilsvereinigung vor Schenkungswiderruf

Schließlich hatte V argumentiert, dass die Kommanditanteile der E GmbH & Co. KG bereits im Jahr 2003 gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a GrEStG a.F. in seiner Hand vereinigt gewesen seien, weshalb eine Anteilsvereinigung durch den Widerruf (2007) ausscheide. Seine Söhne seien als von ihm abhängige Personen i.S.d. § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a GrEStG a.F. anzusehen.

Dafür hätten die Söhne allerdings im Hinblick auf die Kommanditanteile weisungsgebunden gegenüber V sein müssen. Eine entsprechende Weisungsgebundenheit hat der BFH mangels Verpflichtung zur Herausgabe der Kommanditanteile verneint. Die bloße Möglichkeit, die Schenkungen zu widerrufen und die Übertragung der Kommanditanteile zu verlangen, begründet nach Auffassung des BFH gerade keinen Herausgabeanspruch. Dies gilt ebenso für den vorbehaltenen Nießbrauch und die unwiderrufliche Vollmacht hinsichtlich der Stimm- und Verwaltungsrechte.

Fazit

In der praktischen Beratung von schenkweisen Übertragungen von Gesellschaftsanteilen spielt der Vorbehalt eines Widerrufs regelmäßig eine wichtige Rolle. Der Schenker möchte sich das Recht vorbehalten, die Gesellschaftsanteile zurückzuverlangen; teilweise nur beim Vorliegen bestimmter (Widerrufs-)Gründe, teilweise – wie im Besprechungsurteil – aber auch frei (bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen wird allerdings vom Vorbehalt eines freien Widerrufsrechts weit weniger Gebrach gemacht, da ein solcher der Möglichkeit der Inanspruchnahme der erbschaftsteuerlichen Betriebsvermögensbegünstigung entgegensteht).

Bei der tatsächlichen Ausübung des Widerrufs denkt man zunächst an die schenkung- und ertragsteuerlichen Folgen. Schenkungsteuerlich entfällt mit der Rückübertragung des Gesellschaftsanteils eine etwaig für die ursprüngliche Übertragung festgesetzte Schenkungsteuer rückwirkend, wobei die Rückübertragung ihrerseits steuerfrei ist (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Ertragsteuerlich stellt sich die Rückübertragung grundsätzlich als steuerneutral dar; jedoch entfällt auch hier ein ggf. unbeabsichtigt ausgelöster Steuertatbestand (z.B. Veräußerung) rückwirkend.

Die BFH-Entscheidung zeigt, dass im Falle eines Widerrufs der Schenkung von Gesellschaftsanteilen daneben stets auch potentielle grunderwerbsteuerliche Folgen im Blick behalten werden müssen, sobald eine von der Anteilsrückübertragung betroffene Gesellschaft (und sei es auch nur mittelbar) Grundbesitz hat. Der BFH hat ausdrücklich klargestellt, dass der Widerruf einer Schenkung ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG darstellen kann, wenn das Widerrufsrecht im schuldrechtlichen Geschäft (regelmäßig Schenkungsvertrag) angelegt ist.

Im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft sind die personenbezogenen Befreiungen des § 3 GrEStG auf die Vereinigung von Anteilen an einer Personengesellschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG anwendbar. Im hier besprochenen Fall wurde die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 6 GrEStG (aufgrund von § 6 Abs. 4 GrEStG) anteilig gewährt. Beim Erwerb durch Verwandte ist darauf zu achten, dass § 3 Nr. 6 GrEStG nur bei Verwandtschaftsverhältnissen in gerader Linie eingreift (in absteigender Linie die Kinder und Enkel usw. und in aufsteigender Linie z.B. die Eltern und Großeltern). Daher sind insbesondere Erwerbe durch Geschwister nicht steuerbefreit, da diese in der Seitenlinie verwandt sind.


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