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06.12.2024

Steuerboard

Schenkungsteuer bei niedrig verzinsten Darlehen – Wer trägt die Beweislast?

Darlehensvereinbarungen zwischen natürlichen und nahestehenden Personen sind immer wieder ein relevantes Thema. Werden die Anforderungen einer Darlehensvereinbarung nicht erfüllt, kann das Darlehen als Schenkung bewertet werden und damit Schenkungsteuer auslösen (für Anforderungen und mögliche Folgen siehe bereits Hertel, DB-Steuerboard vom 21.05.2024, DB1462329). Besondere Relevanz hat hierbei der Zinssatz. Sollte für ein vergleichbares Darlehen kein fremdüblicher Zinssatz feststehen, ist für die Besteuerung der gesetzliche Zinssatz von 5,5% heranzuziehen. Der BFH hat diesbezüglich nun abweichend vom FG Mecklenburg-Vorpommern entschieden, dass die Nachweispflicht eines feststehenden Zinssatzes nicht beim Steuerpflichtigen liegen muss.

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StBin Nikola Hertel
ist Associate bei POELLATH in Berlin

FG Mecklenburg-Vorpommern vom 27.04.2022 – 3 K 273/20

In dem Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern (vom 27.04.2022 – 3 K 273/20) wurde ein Darlehensvertrag zwischen Geschwistern geschlossen. Dieser sah bei unbegrenzter Laufzeit eine Verzinsung von 1% vor. Der Bruder hatte sich zwei Kreditangebote zum Nachweis der Marktüblichkeit erstellen lassen.

Das Finanzamt und entsprechend auch das FG Mecklenburg-Vorpommern sind jedoch zu der Entscheidung gekommen, dass die Kreditangebote nicht berücksichtigt werden können, da diese hinsichtlich der Laufzeit, der Fälligkeit und der Tilgung vom gewährten Darlehen abweichen würden und nicht bereits bei Vertragsabschluss vorlagen. Das FG Mecklenburg-Vorpommern hatte als Vergleichsmaßstab statistische Werte der Deutschen Bundesbank herangezogen, die bei einem Zinssatz von 2,67% und 2,81% lagen. Entsprechend hat das FG in der niedrigen Verzinsung des privaten Darlehens eine Schenkung gesehen und als Marktzins ungeachtet der statistischen Werte den gesetzlichen Zinssatz nach § 15 Abs. 1 BewG in Höhe von 5,5% zum Ansatz gebracht. Ein abweichender Zinssatz sei nach § 15 Abs. 1 BewG nur dann möglich, wenn ein anderer Zinssatz für die Aufnahme eines Darlehens zu vergleichbaren Bedingungen „feststeht“. Diesen Nachweis hätte der Bruder im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Somit wurde der Darlehensnennbetrag von 1.875.768 € mit 4,5% multipliziert (Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz von 1% und dem gesetzlichen Zinssatz von 5,5%). Der sich hieraus ergebende Betrag von 84.409 € wurde weiterhin mit dem Vervielfältiger in Höhe von 9,3 gemäß § 13 Abs. 2 2. Alt. BewG (für Darlehen mit unbestimmter Dauer) multipliziert, sodass sich insgesamt ein Steuerwert von 785.008 € und eine Schenkungsteuer von 229.500 € ergeben hat. Gegen das Urteil wurde beim BFH Revision eingelegt.

BFH vom 31.07.2024 – II R 20/22

Der BFH hat in seinem Urteil (vom 31.07.2024 – II R 20/22) das FG zunächst darin bestätigt, dass der vereinbarte Zinssatz von 1% nicht marktüblich sei, da dieser bei vergleichbaren Darlehen nach den Angaben der Deutschen Bundesbank 2,81% betragen hätte. Somit sei zu Recht eine Schenkung festgestellt worden. Allerdings hat der BFH der Auffassung des FG dahingehend widersprochen, dass bei der Bewertung der Zuwendung nach § 15 Abs. 1 BewG der Zinssatz von 5,5% anzuwenden sei, da kein niedriger Zinssatz feststehe. Vielmehr sei es widersprüchlich, auf der einen Seite einen marktüblichen Zinssatz festzustellen und auf der anderen Seite von keinem feststehenden Zinssatz auszugehen. Sofern ein aus vergleichbaren Darlehen abgeleiteter marktüblicher Zinssatz festgestellt und dieser auf die persönliche Situation des Steuerpflichtigen und die im Einzelfall vereinbarten Darlehenskonditionen bezogen wird, würde ein anderer Wert nach § 15 Abs. 1 BewG „feststehen“.

Hierbei komme es nicht darauf an, dass der feststehende Zinssatz durch einschlägige Vergleichsangebote vom Steuerpflichtigen nachgewiesen wurde. Dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BewG sei dies nicht zu entnehmen (anders als bspw. § 198 BewG, der ausdrücklich vom Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch den Steuerpflichtigen spricht). Der Gesetzeswortlaut in § 15 Abs. 1 BewG ordnet weder an, dass der Steuerpflichtige tätig werden muss, noch, dass ein Nachweis zu erfolgen hat. Vielmehr sei § 15 Abs. 1 BewG im Passiv formuliert und fordere lediglich das Feststehen eines anderen Werts.

Statt des gesetzlichen Zinssatzes von 5,5% sei somit der marktübliche Zinssatz von 2,81% anzuwenden. Die Schenkungsteuer wurde damit vom BFH auf 59.140 € reduziert.

Folgen für die Praxis

Das BFH-Urteil ist zu begrüßen, da dem Steuerpflichtigen die Last genommen wird, zwingend einen marktüblichen Zinssatz nachzuweisen. Dieser kann sich auch daraus ergeben, dass das Finanzamt im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung marktübliche Zinssätze aus offiziellen Zinsstatistiken für vergleichbare Darlehen ermittelt. Dies müsste in der Regel ohnehin der Fall sein, um vernünftig beurteilen zu können, ob der durch den Steuerpflichtigen vereinbarte Zinssatz unter dem marktüblichen liegt und deshalb eine Schenkung gegeben sein kann.

Wird für den Steuerpflichtigen ein abweichender marktüblicher Zinssatz und damit eine Schenkung festgestellt, so ist nach dem BFH-Urteil auch für die Bemessung der Schenkungsteuer dieser marktübliche Zinssatz statt der 5,5% nach § 15 Abs. 1 BewG heranzuziehen. Man könnte daher auch die Auffassung vertreten, dass die 5,5% nur dann Anwendung finden, wenn ein vollständig zinsloses Darlehen gewährt wurde. Bei allen anderen Zinssätzen muss das Finanzamt schließlich für die Beurteilung einer Schenkung erst einen anderweitigen marktüblichen Zinssatz feststellen, sodass auch die 5,5% nicht mehr greifen sollten.

Nichtsdestoweniger ist es für den Steuerpflichtigen selbstverständlich vorteilhaft, das „Feststehen“ eines Zinssatzes aus vergleichbaren Bankangeboten oder offiziellen Zinsstatistiken darlegen zu können. Bezogen auf Letztere sollten insbesondere die veröffentlichten MFI-Kreditzinssätze der Deutschen Bundesbank hilfreich sein. Eine zum vereinbarten Zinssatz entsprechende Dokumentation ist in jedem Fall zu empfehlen.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung dem BFH-Urteil anschließen und entsprechend im Bundessteuerblatt veröffentlichen wird.

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