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05.10.2023

Steuerboard

Schaffung weißer Einkünfte durch Zuwendung an gemeinnützige Stiftung?

Das Steuerrecht beinhaltet immer wieder kuriose Überraschungen. Eine dieser Kuriositäten zeigt der folgende Beitrag: Ist es möglich, „weiße Einkünfte“ zu erzielen, indem Kapitalvermögen unentgeltlich an eine gemeinnützige Stiftung zugewendet wird?

Schaffung weißer Einkünfte durch Zuwendung an gemeinnützige Stiftung?

RA/StB Julia Krüger
Associate bei POELLATH in München

Fallgestaltung und Motivlage

Ein Steuerpflichtiger wendet beispielsweise sein Depotvermögen (Aktien und andere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften) unentgeltlich einer gemeinnützigen Stiftung zu, weil etwa keine nahen Angehörigen vorhanden sind und/oder der Steuerpflichtige sicherstellen möchte, dass das Vermögen langfristig gemeinnützigen Zwecken zugutekommt. Dabei behält sich der Stifter den sogenannten Ertragsnießbrauch vor, d.h. die Dividenden aus dem Depotvermögen werden von der Stiftung an den Stifter weitergeleitet, während die Gesellschafterrechte ausschließlich von der Stiftung ausgeübt werden.

Gemeinnützigkeitsrechtliche Vorgaben

Aufgrund der weitreichenden Folgen der Nichtanerkennung der Gemeinnützigkeit bzw. des späteren Entzugs der gemeinnützigkeitsrechtlichen Anerkennung müssen bei Gestaltungen, an denen gemeinnützige Körperschaften beteiligt sind, selbstverständlich auch stets die abgabenrechtlichen Vorschriften zur Gemeinnützigkeit (§§ 51 – 68 AO) im Blick behalten werden.

Vorliegend ist vor allem zu beachten, dass die Betätigungen der Stiftung steuerlich unschädlich sein müssen. Nach § 58 Nr. 6 AO ist es steuerlich unschädlich, wenn eine Stiftung einen Teil, jedoch höchstens ein Drittel ihres Einkommens dazu verwendet, um in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten, ihre Gräber zu pflegen und ihr Andenken zu ehren.

Vermögen, das schon bei der Übertragung auf die Stiftung mit einem Nießbrauchsvorbehalt belastet ist, steht der Stiftung von Anfang an nicht vollständig zur Verfügung, weil es von Anfang an mit Ansprüchen belastet ist. Die Erfüllung von Ansprüchen aus vorbehaltenem Vermögen ist daher nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung, Literatur und Finanzverwaltung und nach der Gesetzesbegründung nicht gemeinnützigkeitsschädlich (vgl. FG Münster, EFG 2015 S. 736; BFH vom 21.01.1998 – II R 16/95, BStBl. II 1998 S. 758; AEAO zu § 55 Nr. 15; Begr. zu Art. 1 Nr. 2 Buchst. a, BT-Drucks 11/4176; Klein/Gersch, 16. Aufl. 2022, AO § 58 Rn. 40, 41). Es handelt sich dann um steuerunschädliche Leistungen aus dem von Anfang an belasteten Stiftungsvermögen (AEAO zu § 55 Nr. 6 i.V.m. AEAO zu § 55 Nr. 12 – 14).

Stiftungsrechtliche Vorgaben

Auch stiftungsrechtlich gibt es bei der hier beschriebenen Fallgestaltung einiges zu beachten.

Erstens müssen die Erträge, die der Stiftung zur Verfügung stehen, ausreichen, damit sie dauerhaft die in der Stiftungssatzung festgelegten gemeinnützigen Zwecke verfolgen kann. Entsprechend wird ein voller Ertragsnießbrauch bei der Übertragung des Depotvermögens als Grundstockvermögen bei Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung von der Stiftungsaufsicht in der Regel nicht akzeptiert, wenn die Stiftung dadurch nicht in der Lage wäre, ihre eigenen Verwaltungskosten zu decken und die Verfolgung ihrer Satzungszwecke zu erreichen. Dies kann aber im Rahmen der Stiftungserrichtung mit der Stiftungsaufsicht abgestimmt werden, sodass ggf. ein Quotennießbrauch eine praktikable Lösung darstellen könnte.

Zweitens sehen einige Landesstiftungsgesetze eine Genehmigungspflicht bei der Annahme von Zustiftungen vor, wenn (z.B. mit einem Nießbrauch) belastetes Vermögen auf eine gemeinnützige Stiftung übergeht. So bedarf z.B. nach Art. 18 Nr. 1 des Bayrischen Landesstiftungsgesetzes die Annahme von Zustiftungen, die mit einer Last verknüpft sind, der Genehmigung der Stiftungsbehörde. Da der Nießbrauch mit dem Ableben des Nießbrauchers untergeht, stehen der Stiftung die Erträge aus dem zugewendeten Vermögen zu einem späteren Zeitpunkt vollständig zu. Falls diese Zukunftsaussichten der Stiftungsaufsicht nicht genügen sollten, könnte auch hier wiederum ein Quotennießbrauch eine für beide Seiten akzeptable Kompromisslösung darstellen.

Steuerliche Einordnung der Zuwendung

1. Zuwendung an gemeinnützige Stiftung ist schenkungsteuerfrei

Die Zuwendung des Depotvermögens an eine gemeinnützige Stiftung ist von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG).

2. Ertragsteuerliche Behandlung der Dividenden

a) Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG werden steuerlich dem Anteilseigner zugerechnet

Bei den Dividenden, die aus dem Depotvermögen erzielt werden, handelt es sich grundsätzlich um Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Diese Einkünfte sind dem Anteilseigner der Beteiligung zuzurechnen, also demjenigen, dem das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 AO) an den Anteilen im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen ist (vgl. § 20 Abs. 5 EStG).

Wenn einem Nießbraucher die Anteile wirtschaftlich zuzurechnen sind, gilt er als Anteilseigner i.S.d. § 20 Abs. 5 EStG.

Beschränkt der Nießbrauch sich auf die Vereinnahmung der Erträge – wie beim Ertragsnießbrauch üblich –, sind dem Nießbraucher die Anteile wirtschaftlich nicht zuzurechnen, sodass der Besteuerungstatbestand grundsätzlich nicht verwirklicht wird (vgl. FG Münster vom 16.05.2013 – 2 K 577/11 E, EFG 2014 S. 270; Brandis/Heuermann/Ratschow, 167. EL Mai 2023, EStG § 20 Rn. 455). Kann der Nießbraucher hingegen aufgrund der getroffenen Abreden alle mit der Beteiligung (oder dem Stammrecht) verbundenen wesentlichen Vermögens- und Verwaltungsrechte ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen, kann er als wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile anzusehen sein (vgl. BFH vom 24.01.2012 – IX R 51/10, BStBl. II 2012 S. 308; vom 18.11.2014 – IX R 49/13, BStBl. II 2015 S. 224; Brandis/Heuermann/Ratschow, EStG § 20 Rn. 455). In einem solchen Fall erzielt der Nießbraucher auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Entscheidend ist also die Ausgestaltung der Verträge und ihre tatsächliche Ausführung.

Bisher hat sich die Finanzverwaltung nicht öffentlich zur Zurechnung von Kapitalvermögen bei Nießbrauch geäußert. Der Nießbraucherlass (BMF vom 30.09.2013, BStBl. I 2013 S. 1184) gilt nur für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und lässt sich inhaltlich nicht auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen übertragen.

Damit ist in der vorliegenden Ausgestaltung eines reinen Ertragsnießbrauchs, bei dem die Stimm-, Vermögens- und Verwaltungsrechte der Stiftung als Anteilseignerin zustehen, der gemeinnützigen Stiftung das zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum an den Gesellschaftsbeteiligungen und damit auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen.

b) Gemeinnützige Stiftung ist von der Körperschaftsteuer befreit

Die gemeinnützige Stiftung erzielt als Anteilseignerin der Aktien Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Wenn es sich bei der Stiftung jedoch um eine Körperschaft handelt, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§§ 51 – 68 AO), ist sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer und nach § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit.

c) Kein Kapitalertragsteuerabzug bei Nachweis der Gemeinnützigkeit

Die depotführenden Banken sind grundsätzlich verpflichtet, Kapitalertragsteuer i.H.v. von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag von den auszuzahlenden Dividenden einzubehalten (§§ 43 ff. EStG).

Der Steuerabzug ist aber nicht vorzunehmen, wenn die gemeinnützige Stiftung als Gläubigerin der Kapitalerträge durch den entsprechenden Feststellungsbescheid des Finanzamts nachweist, dass es sich bei ihr um eine gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreite inländische Körperschaft handelt (§ 44a Abs. 7 EStG).

d) Dividenden fließen dem Nießbraucher steuerfrei zu

Da die bloße Weiterleitung der Erträge im Rahmen des Ertragsnießbrauchs keinen Einkunftstatbestand erfüllt, ist die Stiftung nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung nicht verpflichtet, Kapitalertragsteuer einzubehalten und der Stifter bzw. Nießbraucher müsste diese Einkünfte auch nicht in seiner eigenen Steuererklärung angeben. Faktisch kommt es so durch die Zuwendung des Depotvermögens an eine gemeinnützige Stiftung unter Ertragsnießbrauchsvorbehalt zur Schaffung unversteuerter Geldzuflüsse (gerade keine Einkünfte!) des Stifters bzw. Nießbrauchers.

Fazit und Handlungsempfehlung

Nur Steuerpflichtige, die tatsächlich auch eine altruistische Einstellung haben, werden überhaupt in Erwägung ziehen, ihre Vermögenssubstanz an eine gemeinnützige Stiftung abzugeben. Die dargestellte ertragsteuerliche Honorierung der Bereitschaft, das eigene Vermögen zugunsten der Förderung gemeinnütziger Zwecke wegzugeben, kann als positiver Nebeneffekt gesehen werden. Ein echtes Steuergeschenk kann in der fehlenden Ertragsbesteuerung der im Rahmen des Ertragsnießbrauchs weitergeleiteten unversteuerten Dividenden nicht gesehen werden, da der Stifter sich durch die Vermögensübertragung in die gemeinnützige Stiftung zunächst erst einmal entreichert hat.

Um Diskussionen mit dem Finanzamt zu vermeiden und nicht später selbst in Haftung genommen zu werden, ist in den hier beschriebenen Fallkonstellationen zu empfehlen, dass die gemeinnützige Stiftung die Kapitalertragsteuer vor Weiterleitung der Dividenden an den Stifter und Nießbraucher einbehält. Derartige Sachverhaltsgestaltungen sollten in jedem Fall auch transparent gegenüber dem Finanzamt offengelegt werden.

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