Vor dem Hintergrund der zeitnahen Erstellung von Jahresabschlüssen für vorangegangene Jahre herrscht bei Unternehmen Unsicherheit, wie bei vom gekippten Sanierungserlass betroffenen Altfällen steuerbilanziell zu verfahren ist.
Nach den handelsrechtlichen Vorschriften ist der Jahresabschluss grundsätzlich innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen, bei großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften innerhalb von drei Monaten nach dem Abschlussstichtag, für kleine Kapitalgesellschaften verlängert sich die Frist für das Aufstellen des Jahresabschlusses auf maximal sechs Monate. Die Steuerbilanz ist ebenfalls zeitnah zu erstellen. Diese zeitnahe Erstellung der Jahresabschlüsse ist gefährdet, da bei allen Beteiligten eine große Unsicherheit darüber herrscht, wie Sanierungsgewinne in den Fällen steuerbilanziell zu behandeln sind, in deren Schulden ganz oder teilweise vor dem 08.02.2017 erlassen wurden, um das Unternehmen zu sanieren.
Zum Hintergrund: Vertrauensschutz für Altfälle
Nachdem der Große Senat des BFH mit seinem Beschluss vom 28.11.2016 (GrS 1/15, BStBl II 2017, 393) den Sanierungserlass der Finanzverwaltung aufgehoben hat, hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen eine gesetzliche Neuregelung zur Besteuerung von Sanierungserträgen beschlossen. Anzuwenden ist die Neuregelung erstmals in den Fällen, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 08.02.2017 erlassen wurden. Mit Schreiben vom 27.04.2017 (BStBl I 2017, 741) hat die Finanzverwaltung – bereits in Erwartung der gesetzlichen Neuregelung – unter bestimmten Voraussetzungen Vertrauensschutz für „Altfälle“, d. h. Fälle, in denen bis zum 08.02.2017 der Forderungsverzicht der Gläubiger erklärt oder eine verbindliche Aussage bzw. Zusage zur Anwendung des Sanierungserlasses erteilt wurde, gewährt und den Sanierungserlass für weiterhin anwendbar erklärt.
BFH widerspricht BMF
Mit Urteilen vom 23.08.2017 (I R 52/14 und X R 38/15) hat der BFH jedoch auch dieses BMF-Schreiben als mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar aufgehoben. Des Weiteren kommt hinzu, dass auch die gesetzliche Neuregelung unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die EU-Kommission steht, welche derzeit noch nicht vorliegt. In der Praxis besteht somit eine erhebliche Rechtsunsicherheit bezüglich der Behandlung von Sanierungsgewinnen in Altfällen – sowohl aus Sicht der Beraterpraxis als auch aus Sicht der Finanzverwaltung.
Praktische Folge: Rückstellungen für erhebliche Steuernachzahlungen
Für die betroffenen Unternehmen, bei denen vor dem 08.02.2017 ein Forderungsverzicht von Gläubigern wirksam wurde, gibt es keine Grundlage mehr, auf deren Basis der Sanierungsgewinn steuerfrei gestellt werden kann. Sofern bereits von der Finanzverwaltung mit Bezugnahme auf den Sanierungserlass aus dem Jahr 2003 Steuern erlassen wurden und die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind, können sich hieraus erhebliche Steuernachzahlungen ergeben, für die bereits im Jahresabschluss zum 31.12.2017 Rückstellungen gebildet werden müssen. Damit wird ein möglicher Sanierungserfolg gefährdet. Zum einen könnten die Steuernachzahlungen aufgrund einer angespannten Liquiditätslage ggf. nicht in voller Höhe geleistet werden, zum anderen sind die Jahresabschlüsse auch zeitnah den Banken vorzulegen, welche noch bestehende Darlehen oder Kreditlinien kündigen könnten, was letztlich zur Insolvenz führen würde. Aus Sicht des Steuerberaterverbands Niedersachsen Sachsen-Anhalt besteht daher erheblicher Handlungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf die zeitnahe Erstellung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2017. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, eine gesetzliche Regelung zu verabschieden, um Klarheit für die Betroffenen zu schaffen und Insolvenzen zu vermeiden.
(Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt, PM vom 12.02.2018 / Viola C. Didier)