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07.03.2024

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Regelungen zum mobilen Arbeiten – Wann ist der Betriebsrat miteinzubeziehen?

Das Thema Homeoffice als Form des mobilen Arbeitens ist aus der heutigen Arbeitswelt kaum mehr wegzudenken. Die Corona-Pandemie hat vor Augen geführt, welche Bedeutung die Möglichkeit ortsunabhängigen Arbeitens haben kann, und nicht zuletzt auch maßgeblich dazu beigetragen, dass viele Betriebe ihren Beschäftigten nunmehr anbieten, (teilweise) ihre Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte zu verrichten. Doch inwieweit kann der Arbeitgeber Regelungen zum mobilen Arbeiten einseitig wieder einschränken? Mit dieser Frage hatte sich das Landesarbeitsgericht München in seiner Entscheidung vom 10.08.2023 (8 TaBVGa 6/23) zu beschäftigen und setzte sich insoweit auch mit der Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG auseinander. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer kollaborativen Arbeitsweise zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten bei der Gestaltung flexibler Arbeitsmodelle und trägt dazu bei, zumindest etwas Licht in den Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zu bringen.

Regelungen zum mobilen Arbeiten – Wann ist der Betriebsrat miteinzubeziehen?

Benedikt Reißnecker, LL.M.
ist tätig als Associate bei Allen & Overy LLP (Frankfurt/M.).

Hintergrund

Ein Arbeitnehmer hat keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten. An welchem Ort er seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, bestimmt gemäß § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich dessen Arbeitgeber nach billigem Ermessen. Daran hat auch das Inkrafttreten des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG nichts geändert. Die Regelung wurde Mitte 2021 eingeführt, um einen einheitlichen Rechtsrahmen für mobile Arbeit auf betrieblicher Ebene zu schaffen. Den Betriebsräten sollte ein eigenes Mitbestimmungsrecht bei der inhaltlichen Ausgestaltung von mobiler Arbeit (dem „wie“) an die Hand gegeben werden. Die Einführung der mobilen Arbeit (das „ob“) verbleibt jedoch weiterhin in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers. Dem Betriebsrat steht hinsichtlich der Einführung von mobiler Arbeit also kein Initiativrecht zu, sodass der Betriebsrat den Arbeitgeber nicht „zwingen“ kann, mobile Arbeit einzuführen.

Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG

Als Auffangtatbestand gegenüber den anderen Mitbestimmungsrechten aus § 87 Abs. 1 BetrVG ist § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG sehr allgemein formuliert. Deshalb – und aufgrund der bislang noch spärlichen Rechtsprechung zum genauen Umfang des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG – ist das mitbestimmungsfreie „ob“ nicht immer leicht von dem mitbestimmungspflichtigen „wie“ der Regelung mobilen Arbeitens abzugrenzen.

Unter die inhaltliche Ausgestaltung von mobiler Arbeit zu zählen – und damit mitbestimmungspflichtig – sind nach der Gesetzesbegründung zu § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG u.a. Regelungen über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann. Dies hat die auf den ersten Blick nicht zwingend intuitive Konsequenz, dass der Arbeitgeber mobiles Arbeiten zwar einseitig einführen und auch wieder abschaffen kann. Möchte er die Möglichkeit mobilen Arbeitens aber auf das klassische Homeoffice, mithin die Arbeit von zu Hause aus beschränken, bedürfte es hierfür der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Auch im Übrigen ist genau darauf zu achten, welche mitbestimmungsrechtlichen Konsequenzen eine Regelung der mobilen Arbeit zur Folge hat. So betreffen nach der Gesetzesbegründung mitbestimmungspflichtige Regelungen auch den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit sowie die konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers. Es werden jedoch unterschiedliche Meinungen dazu vertreten, ob der Zeitumfang tatsächlich zu dem mitbestimmungspflichtigen „Wie“ gehört. Eine Ansicht richtet sich insoweit streng nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung und ordnet die Frage, an wie vielen Tagen in der Woche mobil gearbeitet werden darf oder muss, als der Mitbestimmung unterliegend ein. Eine andere Ansicht differenziert danach, ob der Arbeitgeber den Anteil mobiler Arbeit am Gesamtdeputat des Arbeitnehmers festlegt oder aber die konkrete zeitliche Verteilung (etwa auf bestimmte Wochentage) anordnet. Nur letzterer Fall betreffe nach dieser Ansicht das „Wie“ der mobilen Arbeit und sei daher mitbestimmungspflichtig. Die Entscheidung über den zeitlichen Gesamtumfang der mobilen Arbeit sei hingegen dem „Ob“ zuzuordnen und damit mitbestimmungsfrei.

Konkreter Sachverhalt: Arbeitgeberin ordnete einseitig Präsenztage an

Im Streitfall hatten eine Versicherungsgesellschaft der Allianz-Gruppe und ihr Betriebsrat im Jahr 2016 eine Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung getroffen. Mit dieser Vereinbarung wurde den Beschäftigten die Möglichkeit eingeräumt, auf freiwilliger Basis in Abstimmung mit ihrem jeweiligen Vorgesetzten mobil zu arbeiten, sofern hierdurch keine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung oder der Betriebsabläufe verursacht wird. Der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit sollte jedoch weiterhin am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden. Des Weiteren sah die Betriebsvereinbarung vor, dass zur Klärung von insoweit auftretenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten eine Schlichtungskommission einberufen werden könne.

Im Zuge der Corona-Pandemie lockerte die Arbeitgeberin sodann die Möglichkeit mobilen Arbeitens und empfahl den Beschäftigten, von zu Hause aus zu arbeiten. Nach dem Ende der Corona-Pandemie teilte die Arbeitgeberin den Beschäftigten das Auslaufen der bisherigen Regelung zum 31. März 2023 mit. Die Arbeitgeberin konnte jedoch mit dem Betriebsrat keine Einigung über die Umsetzung eines „Return to Office“-Modells erzielen, sodass sie die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016 einseitig dahingehend „konkretisierte“, dass sie auf der Basis eines Präsenzkatalogs vier Präsenztage pro Monat sowie eine Präsenzpflicht bei Vorliegen bestimmt bezeichneter betrieblicher Gründe anordnete. Die Präsenztage sollten dabei durch die Teams in Abstimmung mit den Vorgesetzten festgelegt werden. Der Betriebsrat lehnte dies mit der Begründung ab, ihm stünde insoweit ein Mitbestimmungsrecht, u.a. nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, zu.

Der Betriebsrat wollte die Arbeitgeberin im einstweiligen Verfügungsverfahren verpflichten lassen, die Anordnung zurückzunehmen, hatte damit aber vor dem Arbeitsgericht München (40 BVGa 8/23) keinen Erfolg.

Entscheidung des LAG München: Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 10. August 2023 gab das LAG München (8 TaBVGa 6/23) dem Betriebsrat hingegen Recht.

Die einseitig erteilte Anordnung über Präsenztage im Büro stelle eine inhaltliche Vorgabe hinsichtlich der mobilen Arbeit dar und gehe über die Regelungen der Betriebsvereinbarung hinaus, so das Gericht. Als inhaltliche Ausgestaltung des mobilen Arbeitens unterliege eine solche Vorgabe über das „Wie“ des mobilen Arbeitens der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr.14 BetrVG. Der Betriebsrat könne daher die Beseitigung der von der Arbeitgeberin kommunizierten und sein Mitbestimmungsrecht verletzenden Regelung verlangen und ihm stehe insoweit auch ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu.

Vergleich der ersten und zweiten Instanz

Das Arbeitsgericht München schloss sich in seinem Beschluss der oben genannten Ansicht an, wonach arbeitgeberseitige Entscheidungen hinsichtlich des Gesamtumfangs der mobilen Arbeit als mitbestimmungsfreies „Ob“ nicht von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG erfasst seien. Das Gericht führte aus, dass die Verteilung der Arbeitszeitanteile (mobil/an der Betriebsstätte) auf bestimmte Wochentage oder Wochen hingegen mitbestimmungspflichtig sei. Auch das LAG München positionierte sich entsprechend. Dennoch bewerteten beide Gerichte die Mitbestimmungspflichtigkeit der von der Arbeitgeberin im konkreten Fall getroffenen Anordnung unterschiedlich.

Laut Arbeitsgericht München ist die mitbestimmungspflichtige Frage der Verteilung auf bestimmte Wochentage oder Wochen gerade nicht betroffen gewesen. Die Arbeitgeberin habe selbst keine festen Tage oder bestimmte Zeiten für die Anwesenheit im Büro vorgegeben. Es war vorgesehen, dass die Verteilung der Präsenztage in Absprache mit dem Team damit gerade nach den Betriebsabläufen erfolgte und mit dem Vorgesetzten abgestimmt werde. Das Arbeitsgericht ging demnach davon aus, dass die Anordnung nach Art und Umfang von der Betriebsvereinbarung gedeckt sei, „selbst wenn man […] einem Teil der Vorgaben inhaltlich-ausgestalterischen Charakter zusprechen wollte.“

Anders entschied hingegen das LAG München. Das Gericht stellte fest, dass sich die Anordnung der Präsenztage nicht in der Reduzierung des Zeitkontingents der mobilen Arbeit erschöpfe. Da die Bestimmung der Tage durch das jeweilige Team erfolge, betreffe die Anordnung der Arbeitgeberin auch die Lage der Präsenztage und damit die Ausgestaltung mobilen Arbeitens. Darüber hinaus sei auch die Anordnung einer Präsenzpflicht aus betrieblichen Gründen als inhaltliche Vorgabe zu qualifizieren. Sie sei nicht von der Betriebsvereinbarung gedeckt, da sie an die Stelle des von dieser vorgesehenen Kommunikationsprozesses zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten treten solle.

Fazit und Ausblick

Es ist keine Neuigkeit, dass Arbeitgeber vor Treffen einer einseitigen Anordnung – etwa durch unilaterale „Konkretisierung“ einer Betriebsvereinbarung – besondere Rücksicht darauf nehmen sollten, dass dem Betriebsrat nicht insoweit ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

Die Entscheidungen der Münchener Arbeitsgerichte auf erster und zweiter Instanz verdeutlichen jedoch, dass sich dies speziell im Bereich des mobilen Arbeitens unter Umständen als schwierig erweisen kann. Sie bringen aber auch ein wenig Klarheit in den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG.

In beiden arbeitsgerichtlichen Entscheidungen kann zumindest eine Tendenz der Rechtsprechung dahingehend gesehen werden, dass Regelungen über den zeitlichen (Gesamt-)umfang mobiler Arbeit entgegen dem Wortlaut der Gesetzesbegründung von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG nicht mitbestimmungspflichtig sind.

Es dürfte für Arbeitgeber dennoch ratsam sein, sich beim Thema mobiler Arbeit mit dem Betriebsrat auf eine einvernehmliche Lösung zu einigen, bevor versucht wird, entsprechende Regelungen einseitig durchzusetzen.

Dies gilt zum einen für Regelungen über den zeitlichen Umfang der mobilen Arbeit, da nach wie vor umstritten ist, ob diese unter § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG fallen. Zu beachten ist insbesondere, dass die beiden arbeitsgerichtlichen Entscheidungen im Eilverfahren getroffen wurden. Zum anderen gilt dies auch für sonstige Regelungen das mobile Arbeiten betreffend. Die vorliegenden Beschlüsse veranschaulichen, dass es in Einzelfällen schwer sein kann, zwischen dem mitbestimmungspflichtigen „Wie“ und dem mitbestimmungsfreien „Ob“ zu differenzieren sowie festzustellen, welche Maßnahmen insoweit noch von einer bestehenden Betriebsvereinbarung umfasst sind.

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