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05.08.2022

Interview

RegE Hinweisgeberschutzgesetz: „Schutzlos waren Whistleblower bisher nicht – es mangelte aber an einer verbindlichen Regelung.“

Die „EU-Whistleblower Richtlinie“ wurde im April 2018 vorgestellt und 2019 durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union verabschiedet. Eigentlich hätte es ein Hinweisgeberschutzgesetz längst geben müssen, doch die Regierung war im Verzug. Nunmehr hat das Bundeskabinett am 27. Juli 2022 den Regierungsentwurf des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes beschlossen. Sina Fiedler, verantwortliche Partnerin für das Deloitte-Whistleblowersystem Halo, analysiert den Entwurf und gibt Hinweise für die Implementierung von Whistleblowersystemen sowie den Umgang mit Whistleblowermeldungen.

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Sina Fiedler

DB: Frau Fiedler, bitte geben Sie uns einen kurzen Überblick über den Regierungsentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes. Was steht drin?

Fiedler: Der Regierungsentwurf soll dem Schutz von Personen dienen, die im Kontext ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis von potenziellen Gesetzesverstößen erlangen und ihren Verdacht adressieren, also bei einer internen oder externen Stelle melden wollen. Solche Personen, sogenannte Whistleblower spielen eine wichtige Rolle bei der Entdeckung und Aufklärung von Pflichtverletzungen, Missständen und Gesetzesverstößen innerhalb von privaten und öffentlichen Organisationen.

Um den Schutz solcher Personen zu gewährleisten und deren Benachteiligung zu vermeiden, verpflichtet das Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen Beschäftigungsgeber dazu, geeignete Hinweisgebersysteme einzuführen und zu betreiben. Hinweisgebende Personen erhalten die Möglichkeit, ihren Verdacht in einem geschützten Umfeld zu melden, zum Sachverhalt zu kommunizieren und über sich daraus ergebende Maßnahmen informiert zu werden. Zudem werden Beschäftigungsgeber verpflichtet, Prozesse zur Bearbeitung der Hinweise zu implementieren und dies ausreichend zu dokumentieren. Wer gegen diese Vorgaben verstößt, wird sanktioniert.

DB: Wer wird vom Schutz des Gesetzes umfasst? Und: Waren Whistleblower denn bisher völlig schutzlos?

Fiedler: In den Schutzbereich des Gesetzes fallen alle natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit – oder auch im Vorfeld dazu – Informationen über mögliche Gesetzesverstöße erlangt haben und diese melden oder offenlegen.

Auch Personen, die von solchen Meldungen betroffen oder selbst Gegenstand der Meldung sind, werden geschützt.

Komplett schutzlos waren Whistleblower bisher nicht. Der Schutz erfolgte bislang vornehmlich durch die Rechtsprechung. Zivil- und Arbeitsgerichte gestanden den hinweisgebenden Personen Schutz zu, was zahlreiche Urteile beweisen. Es mangelte aber an einer verbindlichen Regelung und damit entsprechender Rechtssicherheit für betroffene Personen.

DB: Wer muss jetzt überhaupt ein Hinweisgebersystem installieren?

Fiedler: Die Pflicht trifft grundsätzlich natürliche oder juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, bei denen mindestens 50 Mitarbeiter:innen beschäftigt sind, sog. Beschäftigungsgeber. Wer einer der im Gesetzesentwurf aufgeführten speziellen Branchen, wie z.B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Börsenträger oder Kapitalverwaltungsgesellschaften, angehört, ist unabhängig von der Mitarbeiterzahl verpflichtet, ein entsprechendes System zu implementieren.

DB: Gibt es Sonderregeln für Konzerne?

Fiedler: Eine zentrale Bearbeitung im Konzern ist möglich, hängt aber von der jeweiligen Struktur ab. Besonderheiten gelten für international tätige Konzerne. Hier sind die jeweils geltenden nationalen Vorschriften zu beachten.

DB: Welche unterschiedlichen Formen eines Hinweisgebersystems kommen in Betracht?

Fiedler: Der Regierungsentwurf macht keine Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung. Damit schlägt die Regierung  vor, den Verpflichteten die Freiheit geben, sich bei der Umsetzung an die eigene Struktur, Größe und Art der Tätigkeit anzupassen und eine individuelle Lösung zu finden. Das Hinweisgebersystem kann also unterschiedlich geartet sein, es kann durch eine interne Stelle betrieben werden, genauso aber auch durch einen beauftragten Dritten. Wichtig ist nur, dass ein Hinweisgebersystem den gesetzlichen Anforderungen genügt. Hier besteht kein Spielraum. Ein System muss – so der Gesetzesentwurf – immer schriftliche und mündliche Meldewege und bedarfsweise physische Zusammenkünfte ermöglichen und vor allem die Erfordernisse an die Unabhängigkeit und Vertraulichkeit erfüllen.

DB: Wie sehen die Anforderungen an die „interne Meldestelle“ aus?

Fiedler: Die sog. interne Meldestelle im Sinne des Gesetzentwurfs ist diejenige Person oder Personengruppe, welche die Hinweise entgegennimmt und bearbeitet. Die Aufgabe kann intern oder auch extern vergeben werden. Beauftragte Personen können neben ihrer Tätigkeit für die Meldestelle auch andere Tätigkeiten wahrnehmen, d.h. innerhalb des Unternehmens beispielsweise Doppelfunktionen ausüben. Sie müssen allerdings in jedem Fall in der Lage sein, ihre Aufgaben unabhängig wahrzunehmen und die nötige Fachkunde für die Aufgabe besitzen. Das kann zum Beispiel durch entsprechende Schulungen und Fortbildungen sichergestellt werden.

DB: Welche Verfahrensregeln müssen laut § 17 HinSchG-E beachtet werden?

Fiedler: Die interne Meldestelle muss zunächst einmal den Hinweis entgegennehmen und der meldenden Person innerhalb von maximal sieben Tagen den Eingang bestätigen. Dann hat sie zu überprüfen, ob der gemeldete Verdacht in den Schutzbereich fällt und ob die Meldung selbst plausibel bzw. stichhaltig ist. Außerdem muss die interne Meldestelle – wenn möglich – Kontakt mit der hinweisgebenden Person halten und diese ggf. um weitere Informationen ersuchen, um den Verdacht aufzuarbeiten. Sie ist auch zuständig dafür, angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen. Das kann eine interne Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts sein oder aber der Verweis an eine andere zuständige Stelle innerhalb des Unternehmens oder an eine Behörde. Schließlich hat die interne Meldestelle der hinweisgebenden Person innerhalb einer dreimonatigen Frist Rückmeldung über die im jeweiligen Fall ergriffenen oder geplanten Maßnahmen zu geben bzw. zu erklären, warum keine Maßnahmen erfolgt sind. Auch die Dokumentation des Prozesses obliegt der internen Meldestelle.

DB: Ist dafür eine Betriebsvereinbarung notwendig?

Fiedler: Aus meiner Erfahrung bei der Einführung von Meldesystemen kann ich berichten, dass die Mehrzahl der Unternehmen sich für eine entsprechende Betriebsvereinbarung entscheidet.

DB: Besteht durch die Einführung eines Hinweisgebersystems Anpassungsbedarf bei bestehenden unternehmensinternen Richtlinien – Stichwort Compliance?

Fiedler: Das Einrichten und Betreiben von Meldesystemen strahlt auf zahlreiche Fachbereiche innerhalb einer Organisation aus und bildet zudem einen Bestand des Compliance Management Systems. Daher wird Bedarf bestehen, das interne Regelwerk anzupassen und um Richtlinien, Prozess- und Arbeitsanweisen, Schnittstellenbeschreibungen und ähnliches zu ergänzen. Nicht zu vergessen sind auch klare Verweise auf das Meldesystem, um Mitarbeiter:innen ausreichend zu informieren und einfachen Zugang sicherzustellen.

DB: Der Regierungsentwurf sieht auch Schadensersatzansprüche bei Verstoß gegen das Hinweisgeberschutzgesetz vor – was heißt das?

Fiedler: Ein Schadensersatzanspruch kann entstehen, wenn eine hinweisgebende Person eine sog. Repressalie erleidet, d.h. einen beruflichen Nachteil, der sich aufgrund der abgegebenen Meldung oder Offenlegung ergibt. Hier muss der Verursacher den daraus entstandenen Schaden ersetzen.

Auch aus vorsätzlich oder grob fahrlässig abgegeben unrichtigen Meldungen kann ein Schadensersatzanspruch entstehen. Das ist dann der Fall, wenn jemandem ein Schaden aufgrund eines solchen unzutreffenden Meldung entsteht. Diese Schadensersatzverpflichtung trifft dann konsequenterweise unredliche Whistleblower.

DB: Welche Sanktionen und Bußgelder sieht der Regierungsentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes bei einem Verstoß vor?

Fiedler: Der Regierungsentwurf enthält verschiedene Bußgeldtatbestände. Wer trotz der vorgesehenen gesetzlichen Verpflichtung keine Meldestelle einrichtet oder betreibt, handelt ordnungswidrig. Bußgeldbewährt ist auch, wenn Meldungen oder Kommunikation mit Whistleblowern behindert werden, wenn Repressalien gegen hinweisgebende Personen ergriffen werden oder wenn gegen den Schutz der Vertraulichkeit der hinweisgebenden Person verstoßen wird. Die Ordnungswidrigkeiten können mit Geldbußen bis zu hunderttausend Euro geahndet werden.

DB: Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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