Am Dienstag hat sich das Bundesverfassungsgericht erstmals mit der Vorlage des Bundesfinanzhofs zur Grundsteuer beschäftigt. Derzeit wird diese anhand von Einheitswerten aus dem Jahr 1964 bzw. 1935 berechnet. Mit der heutigen Realität hat dies nicht mehr allzu viel zu tun, findet auch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und erklärt, was bald auf Immobilienbesitzer zukommen könnte.
DB: Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Städte und Kommunen. Sie fürchten nun um eine der wichtigsten Einnahmequellen, falls das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer in ihrer aktuellen Form für verfassungswidrig erklärt. Wie wahrscheinlich ist dies Ihrer Meinung nach?
Bach: „Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Karlsruhe die uralten Einheitswerte kassieren wird. Endlich, muss man sagen. Denn darüber wird seit mindestens 30 Jahren diskutiert, und die Länder werden sich nie einig über ein Reformmodell. Die Frage ist nur noch, wie lange die Übergangsfrist sein wird, bis neue Grundsteuerwerte kommen.“
DB: Wie massiv sind die Verzerrungen bei der Bemessung der Grundsteuer durch die seit Jahrzehnten unterbliebene Neubewertung?
Bach: „Ziemlich, da muss man nur auf die Immobilienmärkte schauen. Wie war die Preislage meiner Wohnung oder meines Hauses im Vergleich zu anderen Lagen vor Jahrzehnten? Große Grundstücke waren früher nicht so knapp, heute kosten freistehende Eigenheime mit größeren Grundstücken in Ballungsräumen ein Vermögen. In vielen strukturschwachen Regionen oder abgehängten ländlichen Räume kriegt man sie nachgeschmissen.“
DB: Ein aktueller Reformvorschlag des Bundesrates, dem bis auf Hamburg und Bayern alle Länder zustimmten, sieht vor, sämtliche rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland neu zu bewerten. Würde das nicht gerade in den Metropolen zu einer massiven Erhöhung der Immobilienbewertung führen?
Bach: „Klar, in Berlin, Hamburg oder München werden die Steuerwerte abgehen wie Nachbars Lumpi. Aber das können die Kommunalpolitiker durch eine Senkung der Grundsteuer-Hebesätze korrigieren, sodass im Durchschnitt keine Mehrbelastungen entstehen. Insoweit ist die Steuererhöhungs-Hysterie übertrieben, auch wenn natürlich klamme Gemeinden sicher versuchen werden, einen Teil des Mehraufkommens mitzunehmen. Das politische Problem sind die erheblichen Umverteilungswirkungen zwischen verschiedenen Immobilien. Eigenheimer zahlen wohl kräftig drauf, insbesondere wenn nur noch die Bodenwerte zählen sollen. Das kann man mit den „Messzahlen“ für Grundstücksarten noch mildern. In jedem Fall gilt: Die Belasteten schreien auf, die Profiteure schweigen und genießen. Deswegen sind grundlegende Steuerreformen ja so schwer, die Politik ist da nicht zu beneiden.“
DB: Was sollten Immobilienbesitzer oder diejenigen, die eine Anschaffung planen, jetzt beachten? Und: Gilt das auch für Unternehmen?
Bach: „Unternehmen zahlen auch Grundsteuer auf ihre Betriebsgrundstücke. Manche sogar viel, etwa in der Industrie, wo noch viel Hardware in der Fläche herumsteht. Schwer zu sagen, was man tun soll, weil ziemlich unklar ist, was kommt. Verkehrswerte, Bodenwerte und pauschale Gebäudekosten, nur Bodenwerte oder sogar nur Flächen? Tröstlich ist allenfalls: Die Grundsteuer hat in Deutschland keine so große Bedeutung für die Gemeindefinanzen, weil wir ja auch noch für alles Mögliche Gebühren zahlen. In England oder den USA ist die Belastung bis zu Zehnmal so hoch.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Bach!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.
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Stefan Bach ist Steuerexperte am DIW Berlin und Autor des Sachbuchs „Unsere Steuern: Wer zahlt? Wie viel? Wofür?“. Auf Twitter: @SBachTax