Weist ein bloßes Zahlungspapier offen Umsatzsteuer aus und erweckt damit den Eindruck einer Leistungsabrechnung, kann es als „Rechnung“ nach § 14c Abs. 2 UStG gelten mit der Folge einer Steuerschuld des Ausstellers. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 19.03.2025 (XI R 4/22) klargestellt.
Darum ging es im Streitfall
Eine GmbH koordinierte Beobachtungsstudien für Pharmaunternehmen. Die Ärzte rechnete sie im Namen und Auftrag der Auftraggeber per Gutschrift ab. Parallel sandte die GmbH „Abforderungsschreiben“ über auf ein Honorarkonto zu überweisende Beträge mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer. Das Finanzamt sah darin unberechtigte Steuerausweise (§ 14c Abs. 2 UStG) und erhöhte die Umsatzsteuer 2014–2016. Das FG Köln (Urteil vom 19.10.2021 – 8 K 1057/20) wies die Klage ab; die Revision blieb vor dem BFH erfolglos.
Rechtlicher Maßstab
Ein unberechtigter Steuerausweis liegt vor, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und gesondert Umsatzsteuer ausweist, obwohl keine Leistung vorliegt oder er hierzu nicht berechtigt ist; maßgeblich ist die dadurch entstehende Gefährdung des Steueraufkommens über einen möglichen Vorsteuerabzug. Für § 14c Abs. 2 genügt, dass ein Dokument den Aussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, das Entgelt und den gesonderten Umsatzsteuerbetrag enthält; die vollständigen Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 UStG sind nicht erforderlich. Im Rahmen des § 14c Abs. 2 sind zudem Bezugnahmen auf andere Unterlagen sowie vom Steuerpflichtigen beigebrachte zusätzliche Informationen zu berücksichtigen.
Die Entscheidung des BFH
Die Abforderungsschreiben enthielten zwar keine eigenständige Leistungsbeschreibung, verwiesen jedoch auf Angebote, Bestellungen, Projektbezeichnungen und „Lieferdaten“. Ausschlaggebend war, dass der offene Umsatzsteuerausweis in einem an sich bloßen Zahlungspapier überflüssig und widersprüchlich war und den Anschein einer Leistungsabrechnung vermittelte. Damit war die Gefahr eines unberechtigten Vorsteuerabzugs nicht ausgeschlossen; bei mindestens einem Auftraggeber hat sie sich realisiert. Folglich sind die Schreiben als Rechnungen i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG zu qualifizieren. Steuerschuldnerin ist die Ausstellerin der Schreiben (§ 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG), nicht die Ärzte. Eine Berichtigung nach § 14c Abs. 2 Satz 3–5 UStG ist möglich und wirkt ab dem Zeitpunkt, zu dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist; über den bereits gestellten Änderungsantrag ist im Berichtigungsverfahren zu entscheiden.
Fazit
Nicht jedes Zahlungsdokument ist eine Rechnung. Enthält es jedoch einen offenen Umsatzsteuerausweis und erweckt es dadurch den Eindruck einer Abrechnung über steuerpflichtige Leistungen, greift § 14c Abs. 2 UStG. Für die Anwendung der Vorschrift genügt ein reduziertes Set an Rechnungsmerkmalen; zugleich müssen Verwaltung und Gerichte dokumentierte Bezugnahmen und ergänzende Unterlagen mitberücksichtigen. In der Praxis bleibt die Abwicklung über Gutschriften zulässig, sofern begleitende Schreiben keine Umsatzsteuer ausweisen und keine widersprüchlichen Signale senden.