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26.07.2023

Interview

Rebranding unter ESG-Aspekten: „Wird die Marke grundlegend verändert, droht die Löschung“

Die Zahl der abgelehnten Markenanmeldungen, die sich auf ESG-Aspekte von Produkten und Dienstleistungen beziehen, nimmt ständig zu. Gleichzeitig kann eine ESG-bezogene Marke ein wichtiger Bestandteil eines erfolgreichen Rebrandings oder Relaunches einer etablierten Marke sein. Was sind die Gründe für die Ablehnungen des EUIPO und der nationalen Behörden? Und was sind die Schlüsselaspekte für eine erfolgreiche ESG-Markenanmeldung? Dr. Andreas Wehlau, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei Gleiss Lutz, klärt auf.

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Der Betrieb

DB: Herr Dr. Wehlau, welche Rolle spielt ESG bzw. Nachhaltigkeit für Marken?

Wehlau: Neben der Herkunftsfunktion ist im Markenrecht auch die Garantie- und Qualitätsfunktion anerkannt. D.h., die Marke zeigt nicht nur an, aus welchem Unternehmen das Produkt stammt, sondern sie vermittelt ggf. auch Garantieerklärungen und Qualitätsversprechen des Herstellers. Wenn sich nun ein Markenhersteller zum Thema Ökologie oder Nachhaltigkeit positionieren will, dann liegt es nahe, derartige Botschaften bereits in den Markenauftritt zu integrieren.

DB: Weshalb leiden gerade Unternehmen wie Meta und Shell unter diesem Wertewandel?

Wehlau: Große und erfolgreiche Unternehmen, deren Markenimage in der öffentlichen Wahrnehmung fest geprägt ist, tun sich schwer damit, ihre Marken an aktuelle Trends anzupassen. Bei der Modifizierung eingeführter und bewährter Marken sind rechtliche Grenzen zu beachten. Wenn beim Rebranding der kennzeichnende Charakter einer Marke verloren geht, drohen markenrechtlich Nachteile und Risiken.

DB: Als das McDonalds-Rot damals – im Jahr 2009 – grün wurde, fragte man sich schon, was das soll … hat sich der Aufwand für das Unternehmen gelohnt?

Wehlau: Das müssen Sie McDonalds fragen. Aber mir scheint die mit der Farbänderung verbundene Botschaft klar verständlich zu sein. Das Unternehmen weist darauf hin, dass ökologische Aspekte einen höheren Stellenwert erhalten, sei es bei der Verpackung oder bei den Zutaten. Gleichzeitig blieb der Markenkern mit den charakteristischen „M“ ja erhalten. Ich bin mir daher sicher, dass die Verbraucher die Marke wiedererkannt haben.

DB: Standen dieselben Überlegungen bei der Umbenennung von HeidelbergCement im Raum? Der Baustoff Zement hat unter Umweltaspekten ja viel Kritik erfahren …

Wehlau: Beim Rebranding von HeidelbergCement zu Heidelberg Materials ging es eher darum, den Namen nachträglich an den tatsächlichen Unternehmensgegenstand anzupassen. Denn das Unternehmen stellt nicht nur Zement her, sondern vertreibt ein breites Spektrum von Baustoffen, von denen manche unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten durchaus positiv abschneiden, beispielsweise rezyklierte Zuschlagstoffe. Das sollte im neuen Namen angemessen zum Ausdruck kommen.

DB: Auch früher schon wurden Marken weiterentwickelt, verändert und modernisiert. Welche markenrechtlichen Risiken hat so ein „Rebranding“?

Wehlau: Wenn die Marke grundlegend verändert oder komplett ersetzt wird, geht der ursprüngliche Zeitrang verloren. Der Zeitrang ist aber im Markenrecht von zentraler Bedeutung, weil ältere Marken Vorrang genießen vor jüngeren Zeichen. Oft wird daher versucht, zumindest das zentrale Markenwort beizubehalten, so dass dann jedenfalls die Wortmarke ihren ursprünglichen Zeitrang behält.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass wegen der Abweichungen zwischen der alten und der neuen Marke der kennzeichnende Charakter der alten Marke verändert wird, mit der Folge, dass es an einer rechtserhaltenden Benutzung fehlt und die alte Marke auf Antrag für verfallen erklärt werden kann.

DB: Wird die alte Marke dann einfach gelöscht?

Wehlau: Wenn jemand den Antrag stellt, die Marke wegen Nichtbenutzung für verfallen zu erklären und der Markeninhaber die Benutzung nicht nachweisen kann, droht in der Tat die Löschung im Markenregister. Entscheidend ist dann, ob innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung eine wirtschaftlich sinnvolle und auch was den kennzeichnenden Charakter angeht rechtserhaltende Benutzung stattgefunden hat.

DB: Welche Nachteile gibt es neben den genannten Risiken noch?

Wehlau: Marken sind oft Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen. Ändert sich beim Rebranding der kennzeichnende Charakter, so kann dies nachteilige Auswirkungen auf die Verträge haben. So kann es Anpassungsbedarf bei Markenlizenzverträgen geben. Als problematisch können sich auch markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarungen erweisen, die oft abgeschlossen werden, um Markenkonflikte beizulegen und konkurrierende Markenauftritte voneinander abzugrenzen. So ist zu prüfen, ob vorhandene Abgrenzungsvereinbarungen, in denen sich der Markeninhaber verpflichtet hat, die Marke nur in einer bestimmten Art und Weise zu benutzen, das intendierte Rebranding überhaupt zulassen. Gegebenenfalls muss dann nachverhandelt werden.

DB: Wenn Unternehmen nun also ein Rebranding aufgrund der eigenen Nachhaltigkeitstransformation angehen möchten, wie funktioniert das in der Praxis? Welche Schritte sind zu gehen?

Wehlau: Wenn durch eine neue Marke ESG-Aspekte oder insgesamt ein Streben zu mehr Nachhaltigkeit kommuniziert werden soll, bietet es sich an, den bereits gut geschützten Unternehmensnamen mit ESG-Angaben zu kombinieren. Denn ESG-bezogene Angaben werden oft als glatt beschreibende, nicht markenfähige Zeichen vom Deutschen Patent- und Markenamt abgelehnt. In Kombination mit der Dachmarke des Unternehmens kann es gelingen, dieses Hindernis zu überwinden. „EcoSolutions“ wurde beispielsweise als Markenanmeldung abgelehnt, „Total Eco Solutions“ dagegen wurde akzeptiert und eingetragen. Oder man wählt eine besonders originelle Gestaltung der neuen Marke: „EcoPerfect“ wurde als Wortmarke abgelehnt, als fantasievoll gestaltete Wort-Bild-Marke dagegen eingetragen.

Zusätzlich muss die neu entwickelte Marke natürlich auch darauf überprüft werden, dass keine älteren Markenrechte Dritter verletzt werden. Dies macht gegebenenfalls eine umfassende Markenrecherche erforderlich. Und schließlich ist auch zu prüfen, ob eine von der Marketingabteilung neu entwickelte Marke eventuell zur Irreführung geeignet ist oder zusätzliche Informationspflichten auslöst. Dies kann dann ein Eintragungshindernis sein oder es kann passieren, dass die Benutzung der eingetragenen Marke z.B. wettbewerbsrechtlich untersagt wird. So wurde beispielsweise die Benutzung des markenrechtlich geschützten Logos „Klimaneutral Unternehmen“ von ClimatePartner im Einzelfall als unlauter bewertet und gerichtlich untersagt.

DB: Wie spannend! Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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