Das Wachstumschancengesetz bringt zahlreiche Neuerungen mit sich – unter anderem auch die verpflichtende Elektronische Rechnung (E-Rechnung) im B2B-Bereich. Hierzu hat das BMF am 15.10.2024 ein Schreiben veröffentlicht. Was es zu beachten gilt und wie Sie Stolperfallen bei der Rechnungstellung vermeiden, erklärt Annette Pogodda-Grünwald, Partnerin und Steuerberaterin bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
DB: Frau Pogodda-Grünwald, die Pflicht zur E-Rechnung steht vor der Tür. Warum kommt die verpflichtende E-Rechnung für alle Unternehmen überhaupt?
Pogodda-Grünwald: Das Hauptaugenmerk liegt hier bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetruges, also dem Schließen der Mehrwertsteuerlücke. Sie ist als Übung und Vorgriff zu den Änderungen zu sehen, welche die EU im Rahmen der ViDA-Initiative plant – also E-Rechnungs-basiertes Reporting innergemeinschaftlicher Transaktionen.
DB: Was wird sich nun ändern?
Pogodda-Grünwald: Eine der wesentlichen Änderungen wird sein, dass mit Einführung der E-Rechnung der Vorrang der Papierrechnung aufgehoben wird. Ist eine E-Rechnung auszustellen, da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, erfordert es hierfür nicht länger die Zustimmung des Rechnungsempfängers. Daneben wird es künftig für E-Rechnungen ein einheitliches elektronisches Format geben, welches wir bereits in Deutschland seit 2020 im B2G Bereich kennen: die X-Rechnung oder ZUGFeRD (ab Version 2.0.1). Diese erfüllen die CEN-16931-Norm.
DB: Im BMF-Schreiben wird der Begriff der „sonstigen Rechnungen“ verwendet. Was heißt das?
Pogodda-Grünwald: Hierunter sind ab dem 01.01.2025 Papierrechnungen und die bisherigen elektronischen Rechnungen, bspw. eine pdf-Rechnung als E-Mail Anhang oder eine EDI-Rechnung, zu verstehen.
DB: Ab wann gilt die Verpflichtung zur E-Rechnung?
Pogodda-Grünwald: Grundsätzlich ab dem 01.01.2025 mit einer 2-jährigen allgemeinen Übergangsphase für das Ausstellen einer E-Rechnung. Für kleinere Unternehmer mit einem Gesamtumsatz bis 800.000 Euro und Unternehmer, welche das EDI-Verfahren nutzen, verlängert sich die Übergangsphase um ein weiteres Jahr.
DB: Wer ist betroffen und sollte zeitnah aktiv werden?
Pogodda-Grünwald: Grundsätzlich sind alle in Deutschland ansässigen Unternehmer, die Leistungen an andere in Deutschland ansässige Unternehmer ausführen, verpflichtet, E-Rechnungen auszustellen. Diese Verpflichtung kommt aber nur zum Tragen, wenn diese Leistungen nicht nach
§ 4 Nr. 8–29 UStG steuerfrei sind. Ebenfalls sind ausländische Unternehmer betroffen, welche eine feste Niederlassung (Betriebsstätte) in Deutschland haben und diese am Leistungsaustausch beteiligt ist. Lediglich eine umsatzsteuerliche Registrierung des im Ausland ansässigen Unternehmers löst keine E-Rechnungs-Pflicht aus.
DB: Was sind die ersten Schritte vor der Umstellung auf die E-Rechnung?
Pogodda-Grünwald: Zunächst ist einmal festzustellen, welcher Anpassungsbedarf erforderlich ist. Dies beinhaltet die Prüfung des ERP/FiBu-Systems (eigene Programmierung/Kauf eines Tools/AddOns/Auswahl eines Drittanbieters). Sind Prozesse aufgrund der Gesetzesänderung anzupassen, müssen relevante Prozesse (bspw. Einkauf und Verkauf [Preise], Finanzbuchhaltung, Rechnungstellung, Rechnungsversand etc.) geprüft werden. Dann erfolgt die Erstellung eines Fahrplans zur Realisierung mit Milestones (Zeitschiene). Die künftigen Reportingverpflichtungen, auch unter dem Aspekt der ViDA-Initiative der EU, sind in die Planung einzubeziehen.
DB: Welches E-Rechnungs-Format ist für wen sinnvoll?
Pogodda-Grünwald: Grundsätzlich macht es erstmal keinen Unterschied, ob das Format die X-Rechnung oder ZUGFeRD ist. Zwar bietet ZUGFeRD als hybrides Format den Vorteil, dass hier gleich eine PDF-Version der Rechnung eingefügt ist, allerdings hat das BMF bereits klargestellt, dass der XML-Datensatz der führende ist und dieser zutreffend zu sein hat.
Von Vorteil ist allerdings die offene Formulierung im Gesetz, dass auch andere, allerdings zwischen Leistendem und Leistungsempfänger vereinbarte Formate, welche eine Extraktion der erforderlichen Angaben im CEN-16931-Format zulassen, ebenfalls die Anforderungen an eine E-Rechnung erfüllen (sog. Interoperabilität).
DB: Wie wird die E-Rechnung zukünftig eigentlich zugestellt?
Pogodda-Grünwald: Im BMF-Schreiben zur E-Rechnung sind die Zustellungsvoraussetzungen „niederschwellig“ gehalten. Es ist grundsätzlich ausreichend, ein entsprechendes E-Mail-Postfach vorzuhalten, mit welchem bspw. eine E-Mail mit einer X-Rechnung im Anhang empfangen werden kann. Um eine E-Rechnung für das menschliche Auge sichtbar zu machen, ist es daneben sinnvoll, ein Umwandlungstool zu haben. Daneben stellt das BMF-Schreiben klar, dass weitere Übertragungswege zulässig sind, z.B. die Bereitstellung der Daten per elektronischer Schnittstelle oder der Download über ein Internetportal. Welcher Übertragungsweg genutzt wird, kann von den Parteien zivilrechtlich vereinbart werden.
Aber Achtung: Wird die Verpflichtung zur E-Rechnung um die Reporting-Verpflichtungen erweitert, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Man kann aktuell Peppol als private Plattform nutzen oder künftig eine mögliche staatliche Plattform – diese steht aber noch nicht abschließend fest.
DB: Was gilt für Rechnungsempfänger?
Pogodda-Grünwald: Wichtig für den Rechnungsempfänger ist, dass die Übergangsphase nicht für den Empfang einer E-Rechnung gilt. Besteht die Verpflichtung zur Ausstellung einer E-Rechnung, hat der Leistungsempfänger (Rechnungsempfänger) sicherzustellen, dass er eine E-Rechnung erhält, da nur diese die Anforderung an eine ordnungsgemäße Rechnung erfüllt und somit der begehrte Vorsteuerabzug sichergestellt ist. Auch ist durch den Rechnungsempfänger darauf zu achten, dass mögliche Rechnungskorrekturen ebenfalls im Format der E-Rechnung und bspw. nicht auf Papier zu erfolgen haben.
DB: Wie bewahrt man E-Rechnungen auf?
Pogodda-Grünwald: Genauso wie bisher andere elektronische Rechnungen; hier kommt es zu keiner Änderung. Es ist allerdings darauf zu achten, dass insbesondere bei E-Rechnungen eine Aufbewahrung in der Art erfolgt, dass der strukturierte Teil der E-Rechnung in seiner ursprünglichen Form aufbewahrt wird und die Anforderungen an die Unveränderbarkeit beachtet werden. Dies gilt ausdrücklich auch für Rechnungen, welche aus mehreren Dokumenten bestehen.
DB: Frau Pogodda-Grünwald, gibt es auch Stolperfallen, die man keinesfalls übersehen sollte?
Pogodda-Grünwald: Hier ist insbesondere zu erwähnen, dass die Übergangsregelung lediglich für das Ausstellen einer E-Rechnung gilt und nicht für den Empfang einer E-Rechnung! Bisherige Formate einer elektronischen Rechnung, z.B. unsere berühmte E-Mail mit der PDF-Rechnung im Anhang, sind weiterhin elektronische Rechnungen, aber keine E-Rechnung.
DB: Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro