Mit der Verankerung der CSR-Richtlinie im deutschen Recht wurden die nichtfinanziellen Berichterstattungspflichten für bestimmte Unternehmen und Konzerne ausgeweitet. Eine inhaltliche Prüfungspflicht kann sich für den Aufsichtsrat ergeben und auch Wirtschaftsprüfer stehen vor einer Herausforderung. Schließlich sind nichtfinanzielle Informationen bedeutsam für Öffentlichkeit, Image und Stakeholder. Über die Herausforderungen seit der Stärkung nichtfinanzieller Berichtspflichten berichtet Prof. Dr. Kai-Uwe Marten, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung an der Universität Ulm.
DB: Bestimmte, insbesondere börsennotierte Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern müssen im Lage- bzw. Konzernlagebericht oder in einem gesonderten nichtfinanziellen zu Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Korruptionsbekämpfung Stellung nehmen. Vor welche Herausforderungen werden unternehmen damit gestellt?
Marten: „Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der EU-CSR-Richtlinie die darin enthaltenen, zahlreichen Wahlrechte im Rahmen der verfolgten 1:1-Umsetzung an die berichtspflichtigen Unternehmen weitergegeben. Der Rechtsrahmen weicht insofern vom Rechtsrahmen für den ‚traditionellen‘ Lagebericht ab: So können die Angaben in den Lagebericht integriert werden (integrierte Berichterstattung) oder in einen eigenen Teilbericht in den Lagebericht aufgenommen werden (kombinierte Berichterstattung). Ferner können die Angaben in separaten Dokumenten gemacht werden, die entweder gleichzeitig mit Abschluss und Lagebericht im Bundesanzeiger veröffentlicht werden oder als eigenständiger nichtfinanzieller Bericht oder als Bestandteil eines Nachhaltigkeitsberichts (integriert oder kombiniert) bis zu vier Monate nach dem Abschlussstichtag veröffentlicht werden. Nicht zuletzt die zahlreichen Möglichkeiten, die Berichtspflicht gesetzeskonform zu erfüllen, stellte die Unternehmen vor die Frage, welcher Weg für das individuelle Unternehmen bei der Erstanwendung der vorzugswürdige sei.“
DB: Wie werden berichtspflichtige wesentliche Aspekte überhaupt bestimmt?
Marten: „Im Lagebericht sind der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Gesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. In der nichtfinanziellen Erklärung sind diejenigen Angaben zu machen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses und der Lage sowie der Auswirkungen der Tätigkeit auf die nichtfinanziellen Aspekte erforderlich sind. Eine lediglich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beschränkte Berichterstattung, ohne dass diese Angaben für die Lage des Unternehmens relevant sind, erfüllt die Wesentlichkeitsdefinition nicht. Unternehmen müssen bei der Verwendung von Rahmenwerken (wie GRI) im Hinblick auf ihre Wesentlichkeitsanalyse also sicherstellen, dass damit das Wesentlichkeitserfordernis des HGB erfüllt ist.“
DB: Was passiert, wenn Unternehmen die CSR Berichtspflicht nicht erfüllen?
Marten: „Für eine bei der Aufstellung des Lageberichts einschließlich der nichtfinanziellen Erklärung bzw. bei der Aufstellung des nichtfinanziellen Berichts begangene Ordnungswidrigkeit kann gegen das verantwortliche Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder das Aufsichtsratsmitglied eine Geldbuße bis zu zwei Millionen Euro oder bis zum Zweifachen des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils festgesetzt werden.
Wird gegen die kapitalmarktorientierte Gesellschaft in diesem Zusammenhang eine Geldbuße nach § 30 OWiG verhängt, kann der Höchstbetrag dieser Geldbuße bis zehn Millionen Euro, fünf Prozent des Jahresumsatzes, den die Kapitalgesellschaft in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, oder dem Zweifachen des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils betragen.
Auch mögliche Reputationsschäden sind nicht zu unterschätzen.“
DB: Unter anderem liegt es in der Verantwortung des Aufsichtsrats, die Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Erklärung zu nichtfinanziellen Informationen zu überprüfen. Gibt es für Aufsichtsräte eine Möglichkeit, Haftungsrisiken zu vermeiden?
Marten: „Die Befassung mit Nachhaltigkeitsthemen durch Vorstände und Aufsichtsräte sollte nicht in erster Linie durch die Vermeidung von Haftungsrisiken geprägt sein, sondern die Zukunftssicherheit des Geschäftsmodells betreffen, verbunden mit den Risiken und Chancen der künftigen Entwicklung.
Zunächst einmal ist für die Erfüllung der gesetzlichen Rechnungslegungspflichten die Unternehmensleitung verantwortlich. Diese umfassen auch die Aufstellung der nichtfinanziellen Erklärung in Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Vorgaben, sodass die nichtfinanzielle Erklärung diejenigen Angaben enthält, die für das Verständnis von Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis, Lage sowie der Auswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft erforderlich sind. Dazu gehört auch die Einrichtung der erforderlichen internen Kontrollen, damit die nichtfinanzielle Erklärung frei von wesentlichen – beabsichtigten oder unbeabsichtigten – falschen Angaben ist.
Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, die nichtfinanzielle Erklärung mit derselben Intensität zu prüfen wie den Abschluss und den Lagebericht. Anders als Abschluss und Lagebericht besteht für die nichtfinanzielle Berichterstattung keine gesetzliche inhaltliche Prüfungspflicht durch den Abschlussprüfer – dieser hat lediglich das Vorhandensein zu prüfen. Dem Aufsichtsrat fehlt damit für seine Prüfung eine wichtige Grundlage. Im Gesetzgebungsverfahren sind die Prüfpflichten der Aufsichtsräte intensiv diskutiert worden: Der Gesetzgeber hat sich bewusst für die gleichrangige Aufnahme der nichtfinanziellen Erklärung in § 171 Abs. 1 AktG n.F. und damit gegen eine bloße Kenntnisnahme des Aufsichtsrats oder Befassung des Prüfungsausschusses entschieden. Aufsichtsräte (vorrangig der Prüfungsausschuss) sollten sich ernsthaft fragen, ob sie eine adäquate inhaltliche Beurteilung der Berichterstattung ohne Unterstützung durch einen unabhängigen Prüfer vornehmen können. Durch bloße Bestätigung des Vorhandenseins der nichtfinanziellen Berichterstattung durch den Abschlussprüfer wird weder dem Aufsichtsrat noch den Berichtsadressaten eine sachgerechte Sicherheit vermittelt.“
DB: Sind die nichtfinanziellen Berichterstattungspflichten auch für Wirtschaftsprüfer neues – vor allem gefährliches – Terrain?
Marten: „Obwohl der Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung nicht vom Abschlussprüfer zu prüfen ist, hat er die Abgabe („Vorlage“) der Erklärung zu prüfen. Dies führt insbesondere im Fall der gesonderten Berichterstattung bis zu vier Monate nach dem Abschlussstichtag zu neuartigen Problemen, denn der Abschlussprüfer kann nicht das Vorhandensein einer Erklärung bestätigen, bevor diese vorgelegt wurde.
Für die inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung ist der Abschlussprüfer prädestiniert, da er bereits über weitreichende Kenntnisse des Unternehmens und über dessen Prozesse verfügt. Wirtschaftsprüfer haben umfangreiche Kenntnisse auch auf dem Gebiet der nichtfinanziellen Berichterstattung, Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung. Sie unterliegen den berufsständischen Regelungen, zu denen auch besonders hohe Anforderungen an die Qualität und Unabhängigkeit gehören.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Prof. Marten!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.
Mehr erfahren:
KOR vom 05.10.2018, Heft 10, Seite 454 – 459, KOR1278804
Die Prüfung nichtfinanzieller Informationen – Herausforderungen für den Abschlussprüfer vor dem Hintergrund der Stärkung nichtfinanzieller Berichtspflichten –
Prof. Dr. Kai-Uwe Marten / Serafin G. K. Weigt, M.Sc.