I. Sachverhalt
Dem Fall lag eine mehrstufige Organschaftsstruktur zu Grunde. Im Streitjahr wurden sämtliche Anteile an der ausländischen Muttergesellschaft, die zu 100% an dem obersten Organträger beteiligt war, an einen konzernfremden Erwerber veräußert. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dies einen schädlichen Beteiligungserwerb gemäß § 8c Abs. 1 KStG darstellte. Fraglich ist allerdings, ob die unterjährig entstandenen Verluste auf Ebene einer der Organgesellschaften noch mit Gewinnen des Organträgers verrechnet werden oder aufgrund des § 8c KStG untergehen und nicht mehr genutzt werden können.
Zudem war Streitgegenstand, ob nicht § 8d KStG auf den Verlustvortrag der Organgesellschaft, welche zugleich auch als Organträger qualifizierte, Anwendung findet.
II. Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass § 8c KStG auf Ebene des Organträgers und den Organgesellschaften jeweils getrennt anzuwenden sei (BMF vom 28.11.2017, BStBl. I 2017 S. 1645, Rn. 37). Komme es zu einem schädlichen Beteiligungserwerb an einem Organträger unterliege regelmäßig auch das noch nicht zugerechnete negative Organeinkommen der Verlustabzugsbeschränkung, soweit es durch den Anteilserwerb auch zu einem schädlichen mittelbaren Erwerb an der Organgesellschaft komme. Dementsprechend wurde eine unterjährige Ergebniskonsolidierung im Organkreis abgelehnt. Dies gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch für die Gewerbesteuer.
Eine gesonderte Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrages nach § 8d KStG versagte das zuständige Finanzamt ebenfalls: Organträger würden nach Ansicht der Finanzverwaltung per se nicht zum Adressatenkreis nach § 8d KStG zählen, sodass eine Anwendung der Regelung ausscheide.
III. Die Entscheidung des FG Düsseldorf vom 09.12.2024
1. Vertikale Ergebnissaldierung im Organkreis vor Anwendung des § 8c KStG
Das FG Düsseldorf vertritt die Ansicht, dass der unterjährige Verlust der Organgesellschaften bis zum schädlichen Anteilserwerb auch im Fall der Organschaft zu berücksichtigen ist und dementsprechend eine Verrechnung im Rahmen der Organschaftsverhältnisse vor Anwendung des § 8c KStG möglich sei.
Zwar lasse der Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG auch eine zeitanteilige Kürzung auf Ebene der Organgesellschaften – genauso wie eine Anwendung des § 8c KStG auf das Ergebnis des Organkreises – zu. Der Gesetzgeber habe den Besonderheiten der Organschaft weder in § 8c KStG noch bei § 15 KStG Rechnung getragen.
Einem Verständnis, wie von der Finanzverwaltung vertreten, stünden jedoch erhebliche teleologische Bedenken gegenüber: § 8c KStG wolle den sog. Change of Control der Gesellschaft sanktionieren. Weil aber die Verluste der Organgesellschaften noch unter der alten Kontrolle entstanden sind, müssten diese folgerichtig aus dem Verlustverfall ausgeklammert werden. Das FG Düsseldorf nimmt insoweit auch Bezug auf die Entscheidung des BFH vom 30.11.2011 (I R 14/11), in welchem dieser für den unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb in einem Sachverhalt ohne Organschaft bereits entschieden hatte, dass ein im laufenden Jahr bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs erwirtschafteter Gewinn mit dem bisher noch nicht genutzten Verlust verrechnet werden kann. Dem hatte sich die Finanzverwaltung ebenfalls angeschlossen (BMF vom 28.11.2017, BStBl. I 2017 S. 1645, Rn. 33). Dies müsse aus den genannten Gründen auch für den Fall der Organschaft gelten.
Weiterhin spreche der Zweck der Organschaft, eine „phasengleiche Saldierung“ zu ermöglichen, auch wenn eine Zurechnung zum Organträger erst nach einer separaten Einkommensermittlung erfolge, für eine Verlustverrechnungsmöglichkeit.
Es handele sich bei der Verlustabzugsbeschränkung zuletzt um eine Ausnahme zu dem (aus dem objektiven Nettoprinzip folgenden) Grundsatz, dass Verluste grundsätzlich nicht untergehen, sodass bei Zweifeln im Rahmen der Auslegung der Grundsatz der Verlustberücksichtigung Vorrang genießen müsse.
2. Übertragung der Grundsätze auch auf die Gewerbesteuer (§ 10a Satz 10 GewStG)
Die Finanzverwaltung habe nach Ansicht des FG Düsseldorf die unterjährigen Verluste bis zum schädlichen Erwerb im Rahmen des § 10a Satz 10 GewStG ebenfalls zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Nach dem Wortlaut dieser Regelung ist § 8c KStG auf die „Fehlbeträge“ entsprechend anzuwenden.
Bereits vor der Entscheidung des FG Düsseldorf wurde der Wortlaut „Fehlbeträge“ in der Literatur überwiegend dahingehend verstanden, dass dieser nur die zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums gesondert festgestellten Gewerbeverluste erfasse und gerade nicht einen laufenden Gewerbeverlust. Dementsprechend komme es auch nicht zu einem Untergang laufender Gewerbeverluste einer Organgesellschaft, wenn hinsichtlich des Organträgers ein schädlicher Beteiligungserwerb stattfinde. Das FG Düsseldorf schließt sich dieser Auffassung an.
Jedenfalls – d.h., selbst wenn man § 10a Satz 10 GewStG auch auf laufende Gewerbeverluste anwenden wollte – habe aber eine Saldierung der Gewerbeerträge von Organträger und Organgesellschaft aus den bereits zu § 8c KStG gemachten Ausführungen zu erfolgen.
3. Keine Anwendung des § 8d KStG auf mehrstufige Organschaften
Demgegenüber verneint das FG Düsseldorf eine Anwendung des § 8d KStG.
Nach dem Wortlaut des § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG findet die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, sich auf Antrag für eine Nichtanwendung des § 8c KStG zu entscheiden, keine Anwendung, wenn „die Körperschaft (…) Organträger ist“. Der Wortlaut der Regelung spreche nach Ansicht des FG Düsseldorf für eine stete Schädlichkeit der Organträgereigenschaft, auch wenn die Gesellschaft aufgrund ihrer gleichzeitigen Qualifikation als Organgesellschaft eigentlich in den Anwendungsbereich der Norm falle. Zu § 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KStG vertritt die Finanzverwaltung ebenfalls die Auffassung, dass eine gleichzeitige Organgesellschaftseigenschaft nicht ausreichend sei (BMF v. 18.03.2021, BStBl. I 2021, S. 363 Rn. 41). Auch diese Frage ist in der Literatur umstritten.
Zwar sei 8d KStG eine Missbrauchsvermeidungsnorm, die das „Hochschleusen“ externer Verluste verhindern solle. Dementsprechend ließe sich zugunsten der Klägerin über eine teleologische Reduktion der Vorschrift diskutieren, wenn eine solche Gefährdung ausgeschlossen sei. Allerdings habe dieser Regelungszweck keinen Anklang in der Norm gefunden. Vielmehr sollten derartige Körperschaften generell vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen sein.
Außerdem scheitere die Anwendung der Regelung jedenfalls an der Voraussetzung, dass die Körperschaft „ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält“ (§ 8d Abs. 1 Satz 1 KStG). Denn aus § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG ergebe sich, dass im Rahmen einer Organschaft verschiedene (nicht förderungswürdige) Geschäftsbetriebe vorliegen würden.
IV. Fazit
Die Entscheidung des FG Düsseldorf ist erfreulich, da sie die Verlustverwertung in Organschaften bei unterjährigem, schädlichem Beteiligungserwerb verbessert. Verluste, die im Organkreis erwirtschaftet wurden, sollen bis zum Stichtag des schädlichen Erwerbs trotz § 8c KStG nutzbar und mit Gewinnen im Organkreis verrechenbar bleiben. Dies gilt neben der Körperschaftsteuer auch für die Gewerbesteuer.
§ 8d KStG soll hingegen in mehrstufigen Organschaften keine Anwendung finden, da die gleichzeitige Funktion als Organträger und Organgesellschaft eine Anwendung dieser Regelung ausschließe. Es greife die Ausnahmeregelung des § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG und es liege kein identischer Geschäftsbetrieb vor.
Die Revision zum BFH wurde zugelassen (I R 11/25), sodass eine abschließende Klärung durch den BFH aussteht.