Das Niedersächsische Finanzgericht hat in einem neuen als erstes Finanzgericht darüber entschieden, ob die Möglichkeit der Bauabzugssteuer auch auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften Anwendung findet.
§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gewährt Empfängern von Bauleistungen auch bei fehlender Benennung der Zahlungsempfänger den vollen Betriebsausgabenabzug, wenn der Bauleistungsempfänger seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 v.H. für Rechnung des Leistenden vornimmt (sog. Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag anmeldet und an das zuständige Finanzamt abführt.
Der Fall: Umfangreiche Geschäfte mit inaktiven Domizilgesellschaften
In dem entschiedenen Fall hatte eine inländische Kommanditgesellschaft (KG) umfangreiche Bauleistungen britischer Subunternehmer im Zusammenhang mit der Realisierung diverser Großprojekte in Anspruch genommen. Nach den Feststellungen der Informationszentrale Ausland des Bundesamts für Steuern handelte es sich bei den britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Domizilgesellschaften. Die KG nahm von den Gegenleistungen den Steuerabzug von 15 v.H. für Rechnung der Subunternehmer vor, meldete diese Bauabzugssteuer beim zuständigen Finanzamt an und führte die Steuer ab.
Finanzamt kürzt Betriebsausgabenabzug
Da die KG die tatsächlichen Zahlungsempfänger nicht benennen konnte, kürzte das Finanzamt jedoch auf Grundlage des § 160 AO die Betriebsausgaben um 70 v.H. der Gesamtgegenleistung. § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG, der nach seinem Wortlaut die Anwendung des § 160 AO ausschließt, sei auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften nicht anzuwenden.
Finanzgericht gibt Klage statt
Dem trat das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 13.01.2016 (Az. 9 K 95/13) entgegen. Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gilt danach auch dann, wenn Bauleistender eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ist. Eine einschränkende Auslegung gegen den klaren Wortlaut – zumal zum Nachteil des Steuerpflichtigen – kommt nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht, da die teilweise in der steuerrechtlichen Literatur vorgebrachten Bedenken sich weder in den Gesetzesmaterialien widerspiegeln, noch Eingang in den Gesetztext gefunden haben. Insbesondere fehle ein gesetzlich verankerter Aktivitätsvorbehalt.
Kein Ausschluss inaktiver Domizilgesellschaften
Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht sei weder eine andere (verfassungskonforme) Auslegung geboten noch bestünden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG im Hinblick auf einen verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss Dritter, die nicht Bauleistungen empfangen. Eine Anwendung der Ausschlussregelung auf inaktive Domizilgesellschaften ist danach nur dann unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bedenklich, wenn der Bauleistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG „instrumentalisiert“ und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschlichen hat. Anhaltspunkte hierfür waren im Streitfall aber nicht gegeben.
(NFG PM vom 10.02.2016 / Viola C. Didier)